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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Lakche" und Thyrsostrager.

das Gespräch so zu führen, daß das beobachtete Wesen seinen Neigungen ohne
jeden Rückhalt folgte "ut ganz frei alles das hernussprach, wodurch es sich selber
Blößen gab und den Prinzen amüsirte.

So nahm er jetzt selber den Anschein an, als halte er es für selbstverständ¬
lich, daß kein Komponist je etwas geschrieben und kein Sänger je etwas gesungen
habe als einzig und allein mit der Rücksicht auf den materiellen Erfolg, den er
dadurch hätte erringen können. Von dieser Grundlage ans konnte er mit Leichtig¬
keit ein munteres, amüsantes Gespräch mit der Schönen führen, und er hatte
dabei noch den Vorteil, zu der Einsicht zu kommen, daß es für ihn ganz und
gar untunlich sei, sich in sie zu verlieben. Wenn sie auch Mode ist, sagte sich
der Prinz, und wenn sie auch schön ist, ein Liebesverhältnis mit ihr müßte so
schrecklich sein wie das Loos des Midas, als sich unter den Händen des hungernden
Greises alles in Gold verwandelte.

Während der Prinz sich dies überlegte und während die Gesellschaft in der
belebtesten Stimmung war, trat jedoch plötzlich ein Zwischenfall ein, der eine ge¬
waltige Störung hervorrief.

Die Sängerin benutzte den Höhepunkt des Abends, als ihre blitzenden Augen
und ihr silbern tönendes lantes Lachen die Blicke der von Champagner be¬
geisterten Gesellschaft allgemein auf ihre Person vereinigt hatten, zu einer auf-
fallenden Koketterie. Sie zog mit einer raschen, graziösen Bewegung das schwarze
Spitzentuch von ihren Schultern und zeigte sich in tief ausgeschnittenem.Kleide.
Das war umso auffallender, als keine einzige der anwesenden Damen deeolletirt
war und alle den hoch anschließenden Gesellschafts-Anzug trugen, aber es zeigte
zugleich in hohem Maße die besondre Schönheit der Spanierin, ausgezeichnet
durch Farbenglut und Fülle. Um ihren p'rachtvvllen Hals schlang sich eine wunder¬
liche Kette, aus hellroten Korallen und eigentümlichen goldenen Zwischengliedern.

Dieses Benehmen erregte die Aufmerksamkeit aller in noch erhöhtem Maße.
Die Herren fanden.mit einer Stimme die Spanierin ganz entzückend, und die
Damen blickten sich einander mit der stillschweigenden Uebereinstimmung an,
daß dies fremde Theaterwesen an Frechheit die einheimischen noch überträfe.
Aber aller Welt Augen waren auf den schönen Hals und dessen merkwürdigen
Zierrat gerichtet.

Ein wunderbarer Schmuck, sagte der Prinz, neugierig ans die Kette blickend,
wenn ich nicht irre, orientalische Arbeit. Ich sehe da Amulette des Islam, eine
gespreizte Hand gegen den bösen Blick und ....

Er ward durch einen lauten Schrei der Sängerin unterbrochen und gewahrte
aufblickend, daß sie mit Entsetzen einen Herrn anstarrte, der, wie aus dem Fu߬
boden aufgestiegen, neben ihr stand und mit drohender Geberde auf eben diesen
Halsschmuck hinwies.

Es war der Dolmetscher der türkischen Botschaft. Seine schwarzen Augen
waren weit geöffnet und schienen Feuer zu sprühen, seine schmale, schlanke, sehnige


Lakche» und Thyrsostrager.

das Gespräch so zu führen, daß das beobachtete Wesen seinen Neigungen ohne
jeden Rückhalt folgte »ut ganz frei alles das hernussprach, wodurch es sich selber
Blößen gab und den Prinzen amüsirte.

So nahm er jetzt selber den Anschein an, als halte er es für selbstverständ¬
lich, daß kein Komponist je etwas geschrieben und kein Sänger je etwas gesungen
habe als einzig und allein mit der Rücksicht auf den materiellen Erfolg, den er
dadurch hätte erringen können. Von dieser Grundlage ans konnte er mit Leichtig¬
keit ein munteres, amüsantes Gespräch mit der Schönen führen, und er hatte
dabei noch den Vorteil, zu der Einsicht zu kommen, daß es für ihn ganz und
gar untunlich sei, sich in sie zu verlieben. Wenn sie auch Mode ist, sagte sich
der Prinz, und wenn sie auch schön ist, ein Liebesverhältnis mit ihr müßte so
schrecklich sein wie das Loos des Midas, als sich unter den Händen des hungernden
Greises alles in Gold verwandelte.

Während der Prinz sich dies überlegte und während die Gesellschaft in der
belebtesten Stimmung war, trat jedoch plötzlich ein Zwischenfall ein, der eine ge¬
waltige Störung hervorrief.

Die Sängerin benutzte den Höhepunkt des Abends, als ihre blitzenden Augen
und ihr silbern tönendes lantes Lachen die Blicke der von Champagner be¬
geisterten Gesellschaft allgemein auf ihre Person vereinigt hatten, zu einer auf-
fallenden Koketterie. Sie zog mit einer raschen, graziösen Bewegung das schwarze
Spitzentuch von ihren Schultern und zeigte sich in tief ausgeschnittenem.Kleide.
Das war umso auffallender, als keine einzige der anwesenden Damen deeolletirt
war und alle den hoch anschließenden Gesellschafts-Anzug trugen, aber es zeigte
zugleich in hohem Maße die besondre Schönheit der Spanierin, ausgezeichnet
durch Farbenglut und Fülle. Um ihren p'rachtvvllen Hals schlang sich eine wunder¬
liche Kette, aus hellroten Korallen und eigentümlichen goldenen Zwischengliedern.

Dieses Benehmen erregte die Aufmerksamkeit aller in noch erhöhtem Maße.
Die Herren fanden.mit einer Stimme die Spanierin ganz entzückend, und die
Damen blickten sich einander mit der stillschweigenden Uebereinstimmung an,
daß dies fremde Theaterwesen an Frechheit die einheimischen noch überträfe.
Aber aller Welt Augen waren auf den schönen Hals und dessen merkwürdigen
Zierrat gerichtet.

Ein wunderbarer Schmuck, sagte der Prinz, neugierig ans die Kette blickend,
wenn ich nicht irre, orientalische Arbeit. Ich sehe da Amulette des Islam, eine
gespreizte Hand gegen den bösen Blick und ....

Er ward durch einen lauten Schrei der Sängerin unterbrochen und gewahrte
aufblickend, daß sie mit Entsetzen einen Herrn anstarrte, der, wie aus dem Fu߬
boden aufgestiegen, neben ihr stand und mit drohender Geberde auf eben diesen
Halsschmuck hinwies.

Es war der Dolmetscher der türkischen Botschaft. Seine schwarzen Augen
waren weit geöffnet und schienen Feuer zu sprühen, seine schmale, schlanke, sehnige


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/106>, abgerufen am 23.07.2024.