Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.Bakchen und Thyrsosträger. Gestalt war in alle" Muskel" von verhaltener Leidenschaft angespannt, seine Voltaire sagt, daß die Menschen der südlichen Länder anstatt des Blutes Eine Flut fremdartiger Worte entströmte zuerst seineu bleichen Lippen, dann, Als er sich von den beiden Herren gehalten sah und die allgemeine Ent¬ Die Süugcriu stieß bei diesem Anblick einen gellenden Schrei ans und warf Bakchen und Thyrsosträger. Gestalt war in alle» Muskel» von verhaltener Leidenschaft angespannt, seine Voltaire sagt, daß die Menschen der südlichen Länder anstatt des Blutes Eine Flut fremdartiger Worte entströmte zuerst seineu bleichen Lippen, dann, Als er sich von den beiden Herren gehalten sah und die allgemeine Ent¬ Die Süugcriu stieß bei diesem Anblick einen gellenden Schrei ans und warf <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0107" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/86228"/> <fw type="header" place="top"> Bakchen und Thyrsosträger.</fw><lb/> <p xml:id="ID_399" prev="#ID_398"> Gestalt war in alle» Muskel» von verhaltener Leidenschaft angespannt, seine<lb/> Gesichtsfarbe näherte sich fast dem Weiß, seine Hände waren krampfhaft geballt,<lb/> und seine ganze Erscheinung glich der eines Tigers, der zum Sprunge bereit ist,<lb/> den verzehrenden Blick ans die Beute geheftet.</p><lb/> <p xml:id="ID_400"> Voltaire sagt, daß die Menschen der südlichen Länder anstatt des Blutes<lb/> feuerflüssiges Metall in ihren Adern haben, und bei diesem in der Nähe des<lb/> Aequators geborenen Manne schien das in der That der Fall zu sein, und man<lb/> mußte mit Schrecken der Explosion bei ihm entgegensehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_401"> Eine Flut fremdartiger Worte entströmte zuerst seineu bleichen Lippen, dann,<lb/> als er bemerkte, daß er nicht verstanden wurde, begann er spanisch zu reden,<lb/> und dies begriff die Sängerin, wie man an ihrer Geberde sah. Sie griff hastig<lb/> nach ihrem Halsband, schüttelte den Kopf, nahm ihr Spitzentuch und versuchte<lb/> ihre Schultern und die Kette zu verhüllen. Aber der wüthende Mann packte<lb/> nach ihrem Halse und hielt die Kette fest. Es sah aus, als wollte er die Schöne<lb/> erwürgen. Sie schrie lant, und erst den vereinigten Anstrengungen des Prinzen<lb/> und des nun herbcispringenden Lieutenant Stahlhardt gelang es, sie aus den<lb/> Griffen des Fremden zu befreien.</p><lb/> <p xml:id="ID_402"> Als er sich von den beiden Herren gehalten sah und die allgemeine Ent¬<lb/> rüstung bemerkte, welche sich gegen ihn wandte, ergoß er sich in überstürzten<lb/> Erklärungen und Verwünschungen, wobei er sich nun des Französischen bediente,<lb/> so daß man seiue Meinung ziemlich allgemein verstand. Er behauptete, das<lb/> Halsband gehöre ihm, sei ein uraltes Erbstück in der fürstlichen Familie, der er<lb/> entstamme, und sei ihm ans die schändlichste Weise geraubt worden. Zugleich riß<lb/> er das Hemd auf seiner Brust auseinander und zeigte unter schrecklichen Flüchen<lb/> zwei Buchstaben, die in seine Haut eingebrannt waren. Man konnte deutlich ein<lb/> B und ein L erkennen, die sich auf der hellbraunen Haut in dunkelroter Glut<lb/> abzeichneten.</p><lb/> <p xml:id="ID_403"> Die Süugcriu stieß bei diesem Anblick einen gellenden Schrei ans und warf<lb/> sich rückwärts. Sie ward nnfgefangcn und in ihrer anscheinenden Ohnmacht von<lb/> mehreren Damen und Herren in ein nebenlicgendcs Gemach geschafft. Es<lb/> herrschte allgemeine Verwirrung und Bestürzung. Niemand konnte sich den Vor¬<lb/> gang erklären, aber überall tauschte man Vermutungen aus, die sich unter<lb/> einander sehr unterschieden. Der eine wollte annehmen, es müsse in früheren<lb/> Zeiten ein Liebesverhältnis zwischen dem Araber und der Spanierin bestanden<lb/> haben, und sie müsse sich mit dem Talisman des Geliebten entfernt haben, der<lb/> nun zu einer Wiedererkennung geführt habe; der andre behauptete, die Sängerin<lb/> sei eine entflohene Sclavin aus dem Serail des Grvßtürkcn und habe dnrch<lb/> ihre Flucht den Araber compromittirt, der dafür zur Strafe gebrandmarkt sei;<lb/> der dritte meinte, der Dolmetscher müsse plötzlich verrückt geworden sein. Der<lb/> Prinz aber erwog im Stillen die Möglichkeit, daß der fremde, bunte, sangrcichc<lb/> und goldlüstcrne Vogel die Kette einfach gestohlen haben möchte.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0107]
Bakchen und Thyrsosträger.
Gestalt war in alle» Muskel» von verhaltener Leidenschaft angespannt, seine
Gesichtsfarbe näherte sich fast dem Weiß, seine Hände waren krampfhaft geballt,
und seine ganze Erscheinung glich der eines Tigers, der zum Sprunge bereit ist,
den verzehrenden Blick ans die Beute geheftet.
Voltaire sagt, daß die Menschen der südlichen Länder anstatt des Blutes
feuerflüssiges Metall in ihren Adern haben, und bei diesem in der Nähe des
Aequators geborenen Manne schien das in der That der Fall zu sein, und man
mußte mit Schrecken der Explosion bei ihm entgegensehen.
Eine Flut fremdartiger Worte entströmte zuerst seineu bleichen Lippen, dann,
als er bemerkte, daß er nicht verstanden wurde, begann er spanisch zu reden,
und dies begriff die Sängerin, wie man an ihrer Geberde sah. Sie griff hastig
nach ihrem Halsband, schüttelte den Kopf, nahm ihr Spitzentuch und versuchte
ihre Schultern und die Kette zu verhüllen. Aber der wüthende Mann packte
nach ihrem Halse und hielt die Kette fest. Es sah aus, als wollte er die Schöne
erwürgen. Sie schrie lant, und erst den vereinigten Anstrengungen des Prinzen
und des nun herbcispringenden Lieutenant Stahlhardt gelang es, sie aus den
Griffen des Fremden zu befreien.
Als er sich von den beiden Herren gehalten sah und die allgemeine Ent¬
rüstung bemerkte, welche sich gegen ihn wandte, ergoß er sich in überstürzten
Erklärungen und Verwünschungen, wobei er sich nun des Französischen bediente,
so daß man seiue Meinung ziemlich allgemein verstand. Er behauptete, das
Halsband gehöre ihm, sei ein uraltes Erbstück in der fürstlichen Familie, der er
entstamme, und sei ihm ans die schändlichste Weise geraubt worden. Zugleich riß
er das Hemd auf seiner Brust auseinander und zeigte unter schrecklichen Flüchen
zwei Buchstaben, die in seine Haut eingebrannt waren. Man konnte deutlich ein
B und ein L erkennen, die sich auf der hellbraunen Haut in dunkelroter Glut
abzeichneten.
Die Süugcriu stieß bei diesem Anblick einen gellenden Schrei ans und warf
sich rückwärts. Sie ward nnfgefangcn und in ihrer anscheinenden Ohnmacht von
mehreren Damen und Herren in ein nebenlicgendcs Gemach geschafft. Es
herrschte allgemeine Verwirrung und Bestürzung. Niemand konnte sich den Vor¬
gang erklären, aber überall tauschte man Vermutungen aus, die sich unter
einander sehr unterschieden. Der eine wollte annehmen, es müsse in früheren
Zeiten ein Liebesverhältnis zwischen dem Araber und der Spanierin bestanden
haben, und sie müsse sich mit dem Talisman des Geliebten entfernt haben, der
nun zu einer Wiedererkennung geführt habe; der andre behauptete, die Sängerin
sei eine entflohene Sclavin aus dem Serail des Grvßtürkcn und habe dnrch
ihre Flucht den Araber compromittirt, der dafür zur Strafe gebrandmarkt sei;
der dritte meinte, der Dolmetscher müsse plötzlich verrückt geworden sein. Der
Prinz aber erwog im Stillen die Möglichkeit, daß der fremde, bunte, sangrcichc
und goldlüstcrne Vogel die Kette einfach gestohlen haben möchte.
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