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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Thomas cLarlyle.

Solche Besuche dauerten freilich nicht lauge, und er mußte in seine "Tret¬
mühle" zurück zu neuer Arbeit. Endlich aber neigte sich auch diese ihrem Ende
zu. Im Jahre 1863 erschienen die beiden ersten Bände von diesem, seinem
dritten großen, historischen Werke, und zwar mit der Bemerkung auf dem Titel¬
blatt: in vier Banden. Aus den vier Bänden wurden aber sechs. Der dritte
erschien im Jahre 1862, der vierte im Jahre 1864 und der fünfte und sechste
im März 1865.

Es ist kaum nötig, der Charakteristik, welche Carlyle selbst vou seiner Arbeit
giebt, etwas anderes hinzuzufügen, als daß das Buch über Friedrich II. die Spuren
eines so verzweifelten Ringens vielfach an sich trügt. Wir haben aber absicht¬
lich den längern Abschnitt aus der Biographie angeführt, in welchem zumeist
Carlyle selbst das Wort hat. Die Mischung kindlicher und energisch gewalt¬
thätiger, berserkerhaft trotziger Natur in der Seele des Mannes kann kaum
besser zur Anschauung gebracht werden als dnrch diese Mitteilungen. Das beste
Resultat, welches Carlyle für sich aus der laugjührigeu Arbeit über Friedrich
den Großen gewann, war die Erneuerung seiner Liebe für Deutschland, welche
er auf mannhafte und fast rührende Weise in dem großen Jahre 1870 um den
Tag legte. Sein letzter Wunsch für Deutschland: "Ich hoffe nnr, der Himmel
werde Ihnen die Weisheit, Geduld und fromme Bescheidenheit senden, um all
die Vollendung zum Rechten zu nutzen," ist freilich bis zur Stunde nicht recht
in Erfüllung gegnugeu, aber jeder vaterländisch gesinnte muß ihn teilen und
nachsprechen, bis die Erfüllung kommt. Dem englischen Schriftsteller soll es
unvergessen bleiben, wie tapfer er für Deutschland und sein gutes Recht die
Stimme erhoben hat, und wie schwer sein Wort in die Wagschale der öffentlichen
Meinung in England gefallen ist.

Carlylcs Lebensabend ward schwer getrübt durch deu Verlust seiner treue"
Lebensgefährtin, welche am 21. April 1866 starb, und deren belebende Teil¬
nahme ihm ebensowenig wie ihre hingebende zärtliche Liebe durch irgend etwas
in der Welt ersetzt werdeu konnte. Die Ehe des Schriftstellers scheint eine von
denen gewesen zu sein, welche trotz tausendfacher Erfahrungen des Gegenteils
das Ideal einer wahrhaft glücklichen, durch alle Wechselfälle des Lebens von
gleicher Innigkeit und Wärme durchhauchteu Verbindung von Mann und Weib
immer wieder lebendig erhalten.

Der Tod der Mrs. Carlyle, vielleicht auch die Erschöpfung, welche sich
infolge der Überarbeitung an dem Friedrichbnche einstellte, hatten einen be¬
merkenswerten Einfluß auf Carlyles literarische Produktivität. Er schrieb fortan
nur, wie in seiner ersten Periode, kleinere Aufsätze, vou denen bei uns in Deutsch¬
land die wenigsten bekannt geworden sind. Zu diese" Aufsätzen gehört der
"Prinzenranb," eine Episode ans der sächsischen Geschichte, die II in" ^.mori-
(-um, w auz", "Über den Niagara und Nachher?", die "Erinnerungen an
Sir W. Hamilton," "Die frühen Könige von Norwegen" (in I?rü.8<zr8 NÄZÄ-


Thomas cLarlyle.

Solche Besuche dauerten freilich nicht lauge, und er mußte in seine „Tret¬
mühle" zurück zu neuer Arbeit. Endlich aber neigte sich auch diese ihrem Ende
zu. Im Jahre 1863 erschienen die beiden ersten Bände von diesem, seinem
dritten großen, historischen Werke, und zwar mit der Bemerkung auf dem Titel¬
blatt: in vier Banden. Aus den vier Bänden wurden aber sechs. Der dritte
erschien im Jahre 1862, der vierte im Jahre 1864 und der fünfte und sechste
im März 1865.

Es ist kaum nötig, der Charakteristik, welche Carlyle selbst vou seiner Arbeit
giebt, etwas anderes hinzuzufügen, als daß das Buch über Friedrich II. die Spuren
eines so verzweifelten Ringens vielfach an sich trügt. Wir haben aber absicht¬
lich den längern Abschnitt aus der Biographie angeführt, in welchem zumeist
Carlyle selbst das Wort hat. Die Mischung kindlicher und energisch gewalt¬
thätiger, berserkerhaft trotziger Natur in der Seele des Mannes kann kaum
besser zur Anschauung gebracht werden als dnrch diese Mitteilungen. Das beste
Resultat, welches Carlyle für sich aus der laugjührigeu Arbeit über Friedrich
den Großen gewann, war die Erneuerung seiner Liebe für Deutschland, welche
er auf mannhafte und fast rührende Weise in dem großen Jahre 1870 um den
Tag legte. Sein letzter Wunsch für Deutschland: „Ich hoffe nnr, der Himmel
werde Ihnen die Weisheit, Geduld und fromme Bescheidenheit senden, um all
die Vollendung zum Rechten zu nutzen," ist freilich bis zur Stunde nicht recht
in Erfüllung gegnugeu, aber jeder vaterländisch gesinnte muß ihn teilen und
nachsprechen, bis die Erfüllung kommt. Dem englischen Schriftsteller soll es
unvergessen bleiben, wie tapfer er für Deutschland und sein gutes Recht die
Stimme erhoben hat, und wie schwer sein Wort in die Wagschale der öffentlichen
Meinung in England gefallen ist.

Carlylcs Lebensabend ward schwer getrübt durch deu Verlust seiner treue»
Lebensgefährtin, welche am 21. April 1866 starb, und deren belebende Teil¬
nahme ihm ebensowenig wie ihre hingebende zärtliche Liebe durch irgend etwas
in der Welt ersetzt werdeu konnte. Die Ehe des Schriftstellers scheint eine von
denen gewesen zu sein, welche trotz tausendfacher Erfahrungen des Gegenteils
das Ideal einer wahrhaft glücklichen, durch alle Wechselfälle des Lebens von
gleicher Innigkeit und Wärme durchhauchteu Verbindung von Mann und Weib
immer wieder lebendig erhalten.

Der Tod der Mrs. Carlyle, vielleicht auch die Erschöpfung, welche sich
infolge der Überarbeitung an dem Friedrichbnche einstellte, hatten einen be¬
merkenswerten Einfluß auf Carlyles literarische Produktivität. Er schrieb fortan
nur, wie in seiner ersten Periode, kleinere Aufsätze, vou denen bei uns in Deutsch¬
land die wenigsten bekannt geworden sind. Zu diese» Aufsätzen gehört der
„Prinzenranb," eine Episode ans der sächsischen Geschichte, die II in» ^.mori-
(-um, w auz«, „Über den Niagara und Nachher?", die „Erinnerungen an
Sir W. Hamilton," „Die frühen Könige von Norwegen" (in I?rü.8<zr8 NÄZÄ-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/82>, abgerufen am 22.07.2024.