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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Thomas Larlyle.

?.in<z 1875), "Die Porträts von John Knox" und endlich - zuletzt, doch nicht
das letzte -- die "Erinnerungen," in denen der "Jane Welsh Carlyle" über-
schriebene Abschnitt der wärmste, liebenswürdigste und zugleich gehaltvollste ist.

Die hohen Ehren, welche Cnrlyle in seinem Alter zu Teil wurden, gaben
ihm Gelegenheit, seine trotzige Selbständigkeit und sein unbeirrbares Unterschei-
dmigsvermögeu zu erweisen. Die Wahl zum Lord-Rektor der Universität Edin-
burg im Jahre 1866 nahm er an, den preußischen Orden xour 1-z morio, der
ihn, nach Alessandro Mcmzonis Tode zu Teil ward, hieß er freudig willkommen,
dagegen wies er das ihm von D'Jsraeli angebotene Großkreuz des Bathordeus
zurück, weil er das Bewußtsein hatte, daß dieser Orden von vielen unwürdigen
getragen werde, und weil eine Auszeichnung, die einst eine Ermutigung für den
jüngeren, strebenden Schriftsteller hätte sein können, unmöglich auch als eine
Belohnung für den Meister am Abend seines Lebens gelten konnte.

Die immer größre Stille um ihn her versetzte den Greis in die Erinnerungen
seiner Knaben- und Jünglingstage zurück, er reiste mehrfach nach Schottland
"ud schilderte in einer lungern Unterredung, die er mit der Königin Viktoria
hatte, sein engeres Geburtsland zur Zeit seiner Jugend, als ein Maun mit
einem Vermögen von zehntausend Pfund für einen Krösus galt, als das Volk
noch Psalmen sang und die Straßen um halb zehn Uhr stille waren, "die harte,
gesunde presbyterianische Wurzel von dem, was nun zu einem Schierlingswald
aufgeschossen ist."

Daß der mannhafte alte Puritaner an den Überzeugungen seines Lebens
immer fester hielt und "im Alter keine neue Weise einstürmte." braucht uicht erst
hervorgehoben zu werden. Bei mehr als einer Gelegenheit fand er noch jene
prophetischen Worte, die kein formulirtcs Programm und doch einen gewaltigen
Wahrheitskern enthalten. Der Abschied, den er schriftlich und nachdem er es
abgelehnt, eine Abschiedsrede zu halten, an die Studenten von Edinburg richtete,
kann als das Schlußwort seines Lebens und Wirkens gelten und rückt jedem
denkenden Leser das Bild des einzigen Mannes vor die Seele, welcher das ir¬
dische Treiben als ein leeres Chaos betrachtete, in dem "das äußerste, was einer
thun könne, sei, wie ein Mann zu schwimmen und seinen Mund zu halten."
Ein solcher Maun konnte ohne Überhebung und Heuchelei der studirenden Jugend
zurufe": "Ermahnen Sie sie sdie Studenten^, den guten Kampf zu kämpfen und
sich zu dem bevorstehenden Krieg, zu dem sie gleichsam ausgehoben und geweiht
worden siud, als Männer zu erweise". Sagen Sie ihnen, sie müßten die ewigen
Orakel befragen (die noch nicht verstummt siud und anch noch nicht verstummen
werden, wenn man sie nur würdig zu Rate zieht), das zeitliche Lärmen dagegen
und Drohen und Rasen verhältnismäßig ganz beiseite lassen. Mögen sie Weis¬
heit lieben, wie Weisheit, wenn sie ihre Schätze hergeben soll, geliebt werden
will: mit frommem, tapferen, demütigem Sinn, inniger als das Leben selbst
oder Preise dieses Lebens, von ganzem Herzen und mit ganzer Seele." Uns


Thomas Larlyle.

?.in<z 1875), „Die Porträts von John Knox" und endlich - zuletzt, doch nicht
das letzte — die „Erinnerungen," in denen der „Jane Welsh Carlyle" über-
schriebene Abschnitt der wärmste, liebenswürdigste und zugleich gehaltvollste ist.

Die hohen Ehren, welche Cnrlyle in seinem Alter zu Teil wurden, gaben
ihm Gelegenheit, seine trotzige Selbständigkeit und sein unbeirrbares Unterschei-
dmigsvermögeu zu erweisen. Die Wahl zum Lord-Rektor der Universität Edin-
burg im Jahre 1866 nahm er an, den preußischen Orden xour 1-z morio, der
ihn, nach Alessandro Mcmzonis Tode zu Teil ward, hieß er freudig willkommen,
dagegen wies er das ihm von D'Jsraeli angebotene Großkreuz des Bathordeus
zurück, weil er das Bewußtsein hatte, daß dieser Orden von vielen unwürdigen
getragen werde, und weil eine Auszeichnung, die einst eine Ermutigung für den
jüngeren, strebenden Schriftsteller hätte sein können, unmöglich auch als eine
Belohnung für den Meister am Abend seines Lebens gelten konnte.

Die immer größre Stille um ihn her versetzte den Greis in die Erinnerungen
seiner Knaben- und Jünglingstage zurück, er reiste mehrfach nach Schottland
"ud schilderte in einer lungern Unterredung, die er mit der Königin Viktoria
hatte, sein engeres Geburtsland zur Zeit seiner Jugend, als ein Maun mit
einem Vermögen von zehntausend Pfund für einen Krösus galt, als das Volk
noch Psalmen sang und die Straßen um halb zehn Uhr stille waren, „die harte,
gesunde presbyterianische Wurzel von dem, was nun zu einem Schierlingswald
aufgeschossen ist."

Daß der mannhafte alte Puritaner an den Überzeugungen seines Lebens
immer fester hielt und „im Alter keine neue Weise einstürmte." braucht uicht erst
hervorgehoben zu werden. Bei mehr als einer Gelegenheit fand er noch jene
prophetischen Worte, die kein formulirtcs Programm und doch einen gewaltigen
Wahrheitskern enthalten. Der Abschied, den er schriftlich und nachdem er es
abgelehnt, eine Abschiedsrede zu halten, an die Studenten von Edinburg richtete,
kann als das Schlußwort seines Lebens und Wirkens gelten und rückt jedem
denkenden Leser das Bild des einzigen Mannes vor die Seele, welcher das ir¬
dische Treiben als ein leeres Chaos betrachtete, in dem „das äußerste, was einer
thun könne, sei, wie ein Mann zu schwimmen und seinen Mund zu halten."
Ein solcher Maun konnte ohne Überhebung und Heuchelei der studirenden Jugend
zurufe»: „Ermahnen Sie sie sdie Studenten^, den guten Kampf zu kämpfen und
sich zu dem bevorstehenden Krieg, zu dem sie gleichsam ausgehoben und geweiht
worden siud, als Männer zu erweise«. Sagen Sie ihnen, sie müßten die ewigen
Orakel befragen (die noch nicht verstummt siud und anch noch nicht verstummen
werden, wenn man sie nur würdig zu Rate zieht), das zeitliche Lärmen dagegen
und Drohen und Rasen verhältnismäßig ganz beiseite lassen. Mögen sie Weis¬
heit lieben, wie Weisheit, wenn sie ihre Schätze hergeben soll, geliebt werden
will: mit frommem, tapferen, demütigem Sinn, inniger als das Leben selbst
oder Preise dieses Lebens, von ganzem Herzen und mit ganzer Seele." Uns


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[0083] Thomas Larlyle. ?.in<z 1875), „Die Porträts von John Knox" und endlich - zuletzt, doch nicht das letzte — die „Erinnerungen," in denen der „Jane Welsh Carlyle" über- schriebene Abschnitt der wärmste, liebenswürdigste und zugleich gehaltvollste ist. Die hohen Ehren, welche Cnrlyle in seinem Alter zu Teil wurden, gaben ihm Gelegenheit, seine trotzige Selbständigkeit und sein unbeirrbares Unterschei- dmigsvermögeu zu erweisen. Die Wahl zum Lord-Rektor der Universität Edin- burg im Jahre 1866 nahm er an, den preußischen Orden xour 1-z morio, der ihn, nach Alessandro Mcmzonis Tode zu Teil ward, hieß er freudig willkommen, dagegen wies er das ihm von D'Jsraeli angebotene Großkreuz des Bathordeus zurück, weil er das Bewußtsein hatte, daß dieser Orden von vielen unwürdigen getragen werde, und weil eine Auszeichnung, die einst eine Ermutigung für den jüngeren, strebenden Schriftsteller hätte sein können, unmöglich auch als eine Belohnung für den Meister am Abend seines Lebens gelten konnte. Die immer größre Stille um ihn her versetzte den Greis in die Erinnerungen seiner Knaben- und Jünglingstage zurück, er reiste mehrfach nach Schottland "ud schilderte in einer lungern Unterredung, die er mit der Königin Viktoria hatte, sein engeres Geburtsland zur Zeit seiner Jugend, als ein Maun mit einem Vermögen von zehntausend Pfund für einen Krösus galt, als das Volk noch Psalmen sang und die Straßen um halb zehn Uhr stille waren, „die harte, gesunde presbyterianische Wurzel von dem, was nun zu einem Schierlingswald aufgeschossen ist." Daß der mannhafte alte Puritaner an den Überzeugungen seines Lebens immer fester hielt und „im Alter keine neue Weise einstürmte." braucht uicht erst hervorgehoben zu werden. Bei mehr als einer Gelegenheit fand er noch jene prophetischen Worte, die kein formulirtcs Programm und doch einen gewaltigen Wahrheitskern enthalten. Der Abschied, den er schriftlich und nachdem er es abgelehnt, eine Abschiedsrede zu halten, an die Studenten von Edinburg richtete, kann als das Schlußwort seines Lebens und Wirkens gelten und rückt jedem denkenden Leser das Bild des einzigen Mannes vor die Seele, welcher das ir¬ dische Treiben als ein leeres Chaos betrachtete, in dem „das äußerste, was einer thun könne, sei, wie ein Mann zu schwimmen und seinen Mund zu halten." Ein solcher Maun konnte ohne Überhebung und Heuchelei der studirenden Jugend zurufe»: „Ermahnen Sie sie sdie Studenten^, den guten Kampf zu kämpfen und sich zu dem bevorstehenden Krieg, zu dem sie gleichsam ausgehoben und geweiht worden siud, als Männer zu erweise«. Sagen Sie ihnen, sie müßten die ewigen Orakel befragen (die noch nicht verstummt siud und anch noch nicht verstummen werden, wenn man sie nur würdig zu Rate zieht), das zeitliche Lärmen dagegen und Drohen und Rasen verhältnismäßig ganz beiseite lassen. Mögen sie Weis¬ heit lieben, wie Weisheit, wenn sie ihre Schätze hergeben soll, geliebt werden will: mit frommem, tapferen, demütigem Sinn, inniger als das Leben selbst oder Preise dieses Lebens, von ganzem Herzen und mit ganzer Seele." Uns

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/83>, abgerufen am 22.07.2024.