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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Thomas Larlylc-,

ihr Beifall war schon "ut für wich wie ein Sonnenstrahl, denn ich Wichte, daß
er, wie übertrieben auch ihre große Liebe zu mir sei" mochte, doch durchaus
aufrichtig gemeint war. Die übrigen Bünde las sie nicht, kaum den dritten,
glaube ich. Ich wußte nur zu gut, warum uicht. . . Zu schwach, zu schwach
für el" trostloses Unternehmen derart!"

Später kommt er dann noch einmal ans das "elende Vues" zurück und
sagt: "Meine eigne Hoffnung und mein Gebet war allezeit gewesen, daß ich
dies Buch vollenden möchte, und das ihrige auch ohne Zweifel, obschon sie
niemals auch nur beiläufig eine Andeutung oder einen Wink, geschweige ein
Wörtchen derart fallen ließ. Ich fühlte aber recht gut, wie es ihre ganze
Existenz niederdrückte so gilt wie die meinige, und der Gedanke, daß der Gegen¬
stand nicht einer ihrer Wahl war und daß sie trotzdem dafür leiden mußte,
war uicht selten bitter für mich. Der praktische Schluß war aber stets: "Vruig
es zu Ende, bring es zu Eude. Das ist die einzige Rettung für uns be.de."
Und sicherlich, ich verwandte alle meine Zeit und alle meine Mittel auf diese
trübselige Aufgabe, rang Tag und Nacht mit ihr wie mit dem häßlichste,!
Drache", der mir das Tageslicht und die übrige Welt auslöschte, bis ich ihn
erschlug. Darin lag vielleicht ein gewisses Verdienst, zugleich aber auch, fürchte
ich, eine Verschnldiing. Nun wohl, nnn wohl, ich konnte es nicht besser machen!
Während ich rauchend oben saß (in den Nächten, wo Schlaf unmöglich war),
hatte ich Gedanken genug; ich erlaubte mir aber uicht, mich nnter meinen Decken
n"d Umhüllungen zu rühren, ans Furcht sie zu wecken und alle Aussicht auf
Schlaf von ihr zu vertreibe". Schwacher, kleiner Liebling! Jetzt ist dein Schlaf
ungestört; still und heiter bist dn in der Ewigkeit (wie der höchste Gott es für
uns angeordnet hat), und keiner in dieser Welt wird mehr wachen wegen meiner
Schlaflosigkeit!"

Die einzige Erholung, die sich Carlyle in dieser Zeit gönnte, waren die
kurzen Sommerferien, die er jedesmal in der Stille des Landlebens zubrachte;
entweder in der schöne" Umgebung Crvydvns, wie im Jahre 1855, oder an der
See in Fifeshire (Schottland), wie im Jahre 1859. oder der Einladung hoch¬
stehender Freunde folgend, auf einem ihrer herrschaftliche" Landsitze, wie im
Jahre 1800 a"f dem Sir George Sinclair gehörigen Schlosse Thurso. Bei
stehen Gelegenheiten pflegte er sich dann völlig dem stillen Genuß der Nntnr
Anzugeben. ' "Ich habe mich, schreibt er von Aberdvnr (Schottland) aus un
Tahre 1859, ganz und gar dem Genius des "eilen Platzes übergebe" und habe
Nlüßig hingelebt wie Mir möglich während dieser fünf Wochen. Dieser Ort
ist. was Aussicht und Lage anbetrifft, einer der schönsten, die ich je sah: Wasser.
Berge. Städte. Wälder und fruchtbare Kornfelder. Alles ist hier vollkommen;
Einsamkeit, Ruhe und ein Pferd dazu. Baden. Herumschlendern. Spazierengehen
und Spazierenreiten, faules Träunieu, eingewiegt von Wind und Wald: dies ist
sast meine einzige Beschäftigung gewesen' seit Sie mich die Anker lichten sahen."


Thomas Larlylc-,

ihr Beifall war schon »ut für wich wie ein Sonnenstrahl, denn ich Wichte, daß
er, wie übertrieben auch ihre große Liebe zu mir sei« mochte, doch durchaus
aufrichtig gemeint war. Die übrigen Bünde las sie nicht, kaum den dritten,
glaube ich. Ich wußte nur zu gut, warum uicht. . . Zu schwach, zu schwach
für el» trostloses Unternehmen derart!"

Später kommt er dann noch einmal ans das „elende Vues" zurück und
sagt: „Meine eigne Hoffnung und mein Gebet war allezeit gewesen, daß ich
dies Buch vollenden möchte, und das ihrige auch ohne Zweifel, obschon sie
niemals auch nur beiläufig eine Andeutung oder einen Wink, geschweige ein
Wörtchen derart fallen ließ. Ich fühlte aber recht gut, wie es ihre ganze
Existenz niederdrückte so gilt wie die meinige, und der Gedanke, daß der Gegen¬
stand nicht einer ihrer Wahl war und daß sie trotzdem dafür leiden mußte,
war uicht selten bitter für mich. Der praktische Schluß war aber stets: »Vruig
es zu Ende, bring es zu Eude. Das ist die einzige Rettung für uns be.de.«
Und sicherlich, ich verwandte alle meine Zeit und alle meine Mittel auf diese
trübselige Aufgabe, rang Tag und Nacht mit ihr wie mit dem häßlichste,!
Drache», der mir das Tageslicht und die übrige Welt auslöschte, bis ich ihn
erschlug. Darin lag vielleicht ein gewisses Verdienst, zugleich aber auch, fürchte
ich, eine Verschnldiing. Nun wohl, nnn wohl, ich konnte es nicht besser machen!
Während ich rauchend oben saß (in den Nächten, wo Schlaf unmöglich war),
hatte ich Gedanken genug; ich erlaubte mir aber uicht, mich nnter meinen Decken
n»d Umhüllungen zu rühren, ans Furcht sie zu wecken und alle Aussicht auf
Schlaf von ihr zu vertreibe«. Schwacher, kleiner Liebling! Jetzt ist dein Schlaf
ungestört; still und heiter bist dn in der Ewigkeit (wie der höchste Gott es für
uns angeordnet hat), und keiner in dieser Welt wird mehr wachen wegen meiner
Schlaflosigkeit!"

Die einzige Erholung, die sich Carlyle in dieser Zeit gönnte, waren die
kurzen Sommerferien, die er jedesmal in der Stille des Landlebens zubrachte;
entweder in der schöne» Umgebung Crvydvns, wie im Jahre 1855, oder an der
See in Fifeshire (Schottland), wie im Jahre 1859. oder der Einladung hoch¬
stehender Freunde folgend, auf einem ihrer herrschaftliche» Landsitze, wie im
Jahre 1800 a»f dem Sir George Sinclair gehörigen Schlosse Thurso. Bei
stehen Gelegenheiten pflegte er sich dann völlig dem stillen Genuß der Nntnr
Anzugeben. ' „Ich habe mich, schreibt er von Aberdvnr (Schottland) aus un
Tahre 1859, ganz und gar dem Genius des »eilen Platzes übergebe» und habe
Nlüßig hingelebt wie Mir möglich während dieser fünf Wochen. Dieser Ort
ist. was Aussicht und Lage anbetrifft, einer der schönsten, die ich je sah: Wasser.
Berge. Städte. Wälder und fruchtbare Kornfelder. Alles ist hier vollkommen;
Einsamkeit, Ruhe und ein Pferd dazu. Baden. Herumschlendern. Spazierengehen
und Spazierenreiten, faules Träunieu, eingewiegt von Wind und Wald: dies ist
sast meine einzige Beschäftigung gewesen' seit Sie mich die Anker lichten sahen."


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/81>, abgerufen am 22.07.2024.