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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Thomas Larlyle.

die Haltung des preußischen Militärs, die allgemeine Volksbildung u. s. w.
Nach Vollendung seiner Studien im Lande Friedrichs kehrte er nach London
zurück, um sich nnn im Ernste an die Arbeit zu machen. Zu dem Zwecke voll¬
ständiger Jsolirung und Stille ließ er sich ein eignes "geräuschfestes" Studir-
zimmer unter dem Dache bauen. Er selbst giebt davon in den "Reminiscenzen"
folgende humoristische Beschreibung: "Kurz uach meiner Rückkehr ans Deutsch¬
land begann eine arge Bauunruhe im Hause infolge der Veränderung des obersten
Stockwerkes. Der gnuze Flächeninhalt des Hauses sollte zu einer einzigen gro߬
artigen Dachstube, verwandt werden, mit Oberlicht, ungefähr dreißig Fuß lang
und dreißig breit und wenigstens elf Fuß hoch, mit doppelten Thüren und dop¬
pelten Fenstern, völlig undurchdringlich fiir Geräusche irgend welcher Art, kurzum
Kr alles, mich selbst und meine Arbeit ausgenommen..... Etwas wirklich
gutes hätte daraus werden können, in einer Umgebung, wo gute und gediegene
Arbeit vom Architekten abwärts zu haben gewesen wäre; hier aber war die
Arbeit des Planens und Entwerfens zuerst und dann die der Ausführung in
allen Details nichts weiter als eine Arbeit Belials, d. h. des Vaters der Lügen;
eine Arbeit, wie ich sie bis dahin unter den Söhnen Adams nicht für möglich
gehalten hätte. Nach und nach nahm ich denn wahr, daß dies die gewöhnliche
englische "Arbeit" dieser Zeit war, und versuchte, mit mnnnichfachen Gedanken,
Uef wie Topsel, über die Aussichten, die uns so etwas darbot, in Bezug auf
"Mu eignes kleines fehlgeschlagenes Unternehmen, stille zu schweigen." In diesem
Zimmer nun, von Karten, Plänen, Porträts und Büchern umgeben, begann
Carlyle seiue dreizehnjährige Arbeit an "Friedrich dem Großen." Nicht ohne
Grauen dachte er später an sie zurück. "Die "Fricdrichsaffärc" war für uns
die schlimmste, die wir je hatten; es war eine traurige Prüfungszeit für uns
beide. . . Für mich wars ein verzweifeltes Ringen die ganze Zeit lang. Meine
ganze Kraft der Sache gewidmet, allein, von aller Welt zurückgezogen und ver¬
lassen, in Verzweiflung jemals fertig zu werden (von Erfolg gar nicht zu reden),
allem gelassen mit den Gespenstern (wie ich mich manchmal ausdrückte), "unreine
Geschöpfe" an meinen Busen drückend, um ihnen ihr Geheimnis zu entlocken
U"d abzuschmeicheln.. . Doch warum rede ich von dem allem? Mir ist es schon
Uwgst x^oc.-, nichtssagend wie tausend Jahre alter Mist. Ich wurde fertig.
Gott sei Dank; laß es denn jetzt in das Meer der Vergessenheit gesenkt werden.
Woran ich mich aber noch wohl erinnere und mit stets großer Liebe und Be¬
wunderung erinnern werde, ist das Benehmen meiner Frau währeud dieser Zeit.
Sie war gewohnheitsmäßig in sehr schwacher Gesundheit, oft, längere Zeit,
ernstlich krank; und doch zog sie mit der ihr eignen Alchemie, sozusagen, Gold¬
ener aus jedem Tage und selten oder nie verging ihr einer, an dem sie mir
"'ehe etwas fröhliches und freundliches zu erzählen hatte, wenn ich nach meinem
Spazierritt als der geschlagenste aller Menschen gegen Abend heimkam. Im
ganzen bin ich während der Arbeit an jenen, Buche einige dreißigtausend Meilen


Thomas Larlyle.

die Haltung des preußischen Militärs, die allgemeine Volksbildung u. s. w.
Nach Vollendung seiner Studien im Lande Friedrichs kehrte er nach London
zurück, um sich nnn im Ernste an die Arbeit zu machen. Zu dem Zwecke voll¬
ständiger Jsolirung und Stille ließ er sich ein eignes „geräuschfestes" Studir-
zimmer unter dem Dache bauen. Er selbst giebt davon in den „Reminiscenzen"
folgende humoristische Beschreibung: „Kurz uach meiner Rückkehr ans Deutsch¬
land begann eine arge Bauunruhe im Hause infolge der Veränderung des obersten
Stockwerkes. Der gnuze Flächeninhalt des Hauses sollte zu einer einzigen gro߬
artigen Dachstube, verwandt werden, mit Oberlicht, ungefähr dreißig Fuß lang
und dreißig breit und wenigstens elf Fuß hoch, mit doppelten Thüren und dop¬
pelten Fenstern, völlig undurchdringlich fiir Geräusche irgend welcher Art, kurzum
Kr alles, mich selbst und meine Arbeit ausgenommen..... Etwas wirklich
gutes hätte daraus werden können, in einer Umgebung, wo gute und gediegene
Arbeit vom Architekten abwärts zu haben gewesen wäre; hier aber war die
Arbeit des Planens und Entwerfens zuerst und dann die der Ausführung in
allen Details nichts weiter als eine Arbeit Belials, d. h. des Vaters der Lügen;
eine Arbeit, wie ich sie bis dahin unter den Söhnen Adams nicht für möglich
gehalten hätte. Nach und nach nahm ich denn wahr, daß dies die gewöhnliche
englische »Arbeit« dieser Zeit war, und versuchte, mit mnnnichfachen Gedanken,
Uef wie Topsel, über die Aussichten, die uns so etwas darbot, in Bezug auf
"Mu eignes kleines fehlgeschlagenes Unternehmen, stille zu schweigen." In diesem
Zimmer nun, von Karten, Plänen, Porträts und Büchern umgeben, begann
Carlyle seiue dreizehnjährige Arbeit an „Friedrich dem Großen." Nicht ohne
Grauen dachte er später an sie zurück. „Die »Fricdrichsaffärc« war für uns
die schlimmste, die wir je hatten; es war eine traurige Prüfungszeit für uns
beide. . . Für mich wars ein verzweifeltes Ringen die ganze Zeit lang. Meine
ganze Kraft der Sache gewidmet, allein, von aller Welt zurückgezogen und ver¬
lassen, in Verzweiflung jemals fertig zu werden (von Erfolg gar nicht zu reden),
allem gelassen mit den Gespenstern (wie ich mich manchmal ausdrückte), »unreine
Geschöpfe« an meinen Busen drückend, um ihnen ihr Geheimnis zu entlocken
U"d abzuschmeicheln.. . Doch warum rede ich von dem allem? Mir ist es schon
Uwgst x^oc.-, nichtssagend wie tausend Jahre alter Mist. Ich wurde fertig.
Gott sei Dank; laß es denn jetzt in das Meer der Vergessenheit gesenkt werden.
Woran ich mich aber noch wohl erinnere und mit stets großer Liebe und Be¬
wunderung erinnern werde, ist das Benehmen meiner Frau währeud dieser Zeit.
Sie war gewohnheitsmäßig in sehr schwacher Gesundheit, oft, längere Zeit,
ernstlich krank; und doch zog sie mit der ihr eignen Alchemie, sozusagen, Gold¬
ener aus jedem Tage und selten oder nie verging ihr einer, an dem sie mir
"'ehe etwas fröhliches und freundliches zu erzählen hatte, wenn ich nach meinem
Spazierritt als der geschlagenste aller Menschen gegen Abend heimkam. Im
ganzen bin ich während der Arbeit an jenen, Buche einige dreißigtausend Meilen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/79>, abgerufen am 22.07.2024.