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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Die Erziehung der deutschen Jugend zur Mehrhaftigkeit.

die ersten Anfangsgründe in einer sogenannte" Spielschule erlernt haben, all¬
gemeiner Erfahrung gemäß mir zu oft sich des Spielens im Lernen nicht ent¬
halte,: können und schlechte, faselige Schüler werden, so liegt die Gefahr ucche,
daß der Rekrut, welcher die militärischen Grundlagen bereits "spielend" aus der
Schule gelernt hat, nnn desto schwerer sich mit dem Ernste des Handwerks
befreunde. Die Konsequenzen liegen aus der Hand: größere Mühe sür den
Jnstruktor, schärferes Anfassen, mehr Strafen. In Summa: Nachteile für den
Dienst und den Soldaten selbst.

Man lasse deshalb der Armee, was ihr gebührt, und der Schule das, was
ihres Amtes ist. Ist aber in Deutschland im allgemeinen die öffentliche Meinung
darüber kaum geteilt, daß es wünschenswert erscheine, der heranwachsenden
Jugend aller Stände eine erhöhte körperliche Ausbildung zu geben, so möge
man, und das ist unser Wunsch und der Angelpunkt dieser kurzen Ausführungen,
die Schule dazu anhalten, ihr Augenmerk in erhöhtem Maße der körperlichen
Entwicklung der ihr anvertrauten Zöglinge als "Lehrfach" zuzuwenden.

Allgemeiner obligatorischer Turnunterricht, eine Einrichtung, die deu Volks-
schüler bis zum Eintritt in das Heer anhält, seine körperlichen Übungen fort¬
zusetzen, die Stimme der öffentlichen Meinung, welche auf die Besucher
deutscher Hochschulen einzuwirken sucht, damit auch dort Leibesübungen aller
Art als Sport gepflegt werden, Maßnahmen endlich, um dort, wo dies noch
nicht der Fall, dem Lehrerkollegium der Schulen in seiner Gesammtheit vom
ethischen Staudpunkte die Nützlichkeit und Notwendigkeit zur Überzeugung zu
bringen, daß der körperlichen Ausbildung der Schüler neben der geistigen große
Sorgfalt und angemessene Zeit gewidmet werden müsse -- das möchten die
Grundgedanken sein, welche sür die Erziehung der deutschen Jugend zu erhöhter
Wehrhaftigkeit nutzbar gemacht werden sollten. Dagegen müssen von den Turm^
und Spielplätzen alle wirklich militärischen Vorübungen in einem Umfange ent-
fernt bleiben, daß nicht einmal die in der Armee gebräuchliche": Kommandos
dort zur Einführung gelangen, und die Übungen mit dem Schulgewehr, uoch
besser mit dem Ger, sollten sich ebenfalls lediglich auf solche beschränken, welche
der Entwicklung des Körpers förderlich erscheinen.

Den mancherlei Vorschlägen zu erhöhter körperlicher Ausbildung der Jugend
'se in neuester Zeit ein weiterer hinzugetreten. Handbuch für den Turu-
und Waffenuuterricht der Jugend nennt sich ein Büchlein (Leipzig,
Urban, 1882), dessen Verfasser, Scheibert und Honig, dasselbe mit folgenden
Worten einführen: "Die gesunde Strömung der Gegenwart drängt darauf hiu,
i" unsern Schulen, seien es Gymnasien oder VoltÄfchulen, der Erziehung wieder
den hervorragenden alten Platz einzuräumen, welchen sie dem modernen Zuge
nach Bildung zum Teil hat abtreten müssen. Der Übergang von einer so ein¬
schneidenden Hauptrichtung in eine andre ist aber nicht durch einfache Dekrete
^ schaffen, und auch leichter geplant als ausgeführt; besonders jetzt, wo die


Die Erziehung der deutschen Jugend zur Mehrhaftigkeit.

die ersten Anfangsgründe in einer sogenannte» Spielschule erlernt haben, all¬
gemeiner Erfahrung gemäß mir zu oft sich des Spielens im Lernen nicht ent¬
halte,: können und schlechte, faselige Schüler werden, so liegt die Gefahr ucche,
daß der Rekrut, welcher die militärischen Grundlagen bereits „spielend" aus der
Schule gelernt hat, nnn desto schwerer sich mit dem Ernste des Handwerks
befreunde. Die Konsequenzen liegen aus der Hand: größere Mühe sür den
Jnstruktor, schärferes Anfassen, mehr Strafen. In Summa: Nachteile für den
Dienst und den Soldaten selbst.

Man lasse deshalb der Armee, was ihr gebührt, und der Schule das, was
ihres Amtes ist. Ist aber in Deutschland im allgemeinen die öffentliche Meinung
darüber kaum geteilt, daß es wünschenswert erscheine, der heranwachsenden
Jugend aller Stände eine erhöhte körperliche Ausbildung zu geben, so möge
man, und das ist unser Wunsch und der Angelpunkt dieser kurzen Ausführungen,
die Schule dazu anhalten, ihr Augenmerk in erhöhtem Maße der körperlichen
Entwicklung der ihr anvertrauten Zöglinge als „Lehrfach" zuzuwenden.

Allgemeiner obligatorischer Turnunterricht, eine Einrichtung, die deu Volks-
schüler bis zum Eintritt in das Heer anhält, seine körperlichen Übungen fort¬
zusetzen, die Stimme der öffentlichen Meinung, welche auf die Besucher
deutscher Hochschulen einzuwirken sucht, damit auch dort Leibesübungen aller
Art als Sport gepflegt werden, Maßnahmen endlich, um dort, wo dies noch
nicht der Fall, dem Lehrerkollegium der Schulen in seiner Gesammtheit vom
ethischen Staudpunkte die Nützlichkeit und Notwendigkeit zur Überzeugung zu
bringen, daß der körperlichen Ausbildung der Schüler neben der geistigen große
Sorgfalt und angemessene Zeit gewidmet werden müsse — das möchten die
Grundgedanken sein, welche sür die Erziehung der deutschen Jugend zu erhöhter
Wehrhaftigkeit nutzbar gemacht werden sollten. Dagegen müssen von den Turm^
und Spielplätzen alle wirklich militärischen Vorübungen in einem Umfange ent-
fernt bleiben, daß nicht einmal die in der Armee gebräuchliche»: Kommandos
dort zur Einführung gelangen, und die Übungen mit dem Schulgewehr, uoch
besser mit dem Ger, sollten sich ebenfalls lediglich auf solche beschränken, welche
der Entwicklung des Körpers förderlich erscheinen.

Den mancherlei Vorschlägen zu erhöhter körperlicher Ausbildung der Jugend
'se in neuester Zeit ein weiterer hinzugetreten. Handbuch für den Turu-
und Waffenuuterricht der Jugend nennt sich ein Büchlein (Leipzig,
Urban, 1882), dessen Verfasser, Scheibert und Honig, dasselbe mit folgenden
Worten einführen: „Die gesunde Strömung der Gegenwart drängt darauf hiu,
i» unsern Schulen, seien es Gymnasien oder VoltÄfchulen, der Erziehung wieder
den hervorragenden alten Platz einzuräumen, welchen sie dem modernen Zuge
nach Bildung zum Teil hat abtreten müssen. Der Übergang von einer so ein¬
schneidenden Hauptrichtung in eine andre ist aber nicht durch einfache Dekrete
^ schaffen, und auch leichter geplant als ausgeführt; besonders jetzt, wo die


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[0073] Die Erziehung der deutschen Jugend zur Mehrhaftigkeit. die ersten Anfangsgründe in einer sogenannte» Spielschule erlernt haben, all¬ gemeiner Erfahrung gemäß mir zu oft sich des Spielens im Lernen nicht ent¬ halte,: können und schlechte, faselige Schüler werden, so liegt die Gefahr ucche, daß der Rekrut, welcher die militärischen Grundlagen bereits „spielend" aus der Schule gelernt hat, nnn desto schwerer sich mit dem Ernste des Handwerks befreunde. Die Konsequenzen liegen aus der Hand: größere Mühe sür den Jnstruktor, schärferes Anfassen, mehr Strafen. In Summa: Nachteile für den Dienst und den Soldaten selbst. Man lasse deshalb der Armee, was ihr gebührt, und der Schule das, was ihres Amtes ist. Ist aber in Deutschland im allgemeinen die öffentliche Meinung darüber kaum geteilt, daß es wünschenswert erscheine, der heranwachsenden Jugend aller Stände eine erhöhte körperliche Ausbildung zu geben, so möge man, und das ist unser Wunsch und der Angelpunkt dieser kurzen Ausführungen, die Schule dazu anhalten, ihr Augenmerk in erhöhtem Maße der körperlichen Entwicklung der ihr anvertrauten Zöglinge als „Lehrfach" zuzuwenden. Allgemeiner obligatorischer Turnunterricht, eine Einrichtung, die deu Volks- schüler bis zum Eintritt in das Heer anhält, seine körperlichen Übungen fort¬ zusetzen, die Stimme der öffentlichen Meinung, welche auf die Besucher deutscher Hochschulen einzuwirken sucht, damit auch dort Leibesübungen aller Art als Sport gepflegt werden, Maßnahmen endlich, um dort, wo dies noch nicht der Fall, dem Lehrerkollegium der Schulen in seiner Gesammtheit vom ethischen Staudpunkte die Nützlichkeit und Notwendigkeit zur Überzeugung zu bringen, daß der körperlichen Ausbildung der Schüler neben der geistigen große Sorgfalt und angemessene Zeit gewidmet werden müsse — das möchten die Grundgedanken sein, welche sür die Erziehung der deutschen Jugend zu erhöhter Wehrhaftigkeit nutzbar gemacht werden sollten. Dagegen müssen von den Turm^ und Spielplätzen alle wirklich militärischen Vorübungen in einem Umfange ent- fernt bleiben, daß nicht einmal die in der Armee gebräuchliche»: Kommandos dort zur Einführung gelangen, und die Übungen mit dem Schulgewehr, uoch besser mit dem Ger, sollten sich ebenfalls lediglich auf solche beschränken, welche der Entwicklung des Körpers förderlich erscheinen. Den mancherlei Vorschlägen zu erhöhter körperlicher Ausbildung der Jugend 'se in neuester Zeit ein weiterer hinzugetreten. Handbuch für den Turu- und Waffenuuterricht der Jugend nennt sich ein Büchlein (Leipzig, Urban, 1882), dessen Verfasser, Scheibert und Honig, dasselbe mit folgenden Worten einführen: „Die gesunde Strömung der Gegenwart drängt darauf hiu, i» unsern Schulen, seien es Gymnasien oder VoltÄfchulen, der Erziehung wieder den hervorragenden alten Platz einzuräumen, welchen sie dem modernen Zuge nach Bildung zum Teil hat abtreten müssen. Der Übergang von einer so ein¬ schneidenden Hauptrichtung in eine andre ist aber nicht durch einfache Dekrete ^ schaffen, und auch leichter geplant als ausgeführt; besonders jetzt, wo die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/73>, abgerufen am 22.07.2024.