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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Die Lischerin von Malcnnocco.

die Nebenräume, einmal aber rief er ihr heftig zu: Wenigstens heute will ich
nichts wissen, als daß ich mein Kind gefunden habe, wenigstens bellte laß mich
hoffen, daß dn denken lernen wirst, wie es meiner Tochter geziemt!

Die so angesprochene verstummte, und seitdem kamen uur einzelne Worte
über ihre Lippen, Die Stunden des langen Sommertages raunen hin, und
mit einem wundersamen Weh, dem sie keinen Namen zu geben wußte, sah die
junge Frau am Stande der Sonne, daß der Tng sich seinem Ende zuneige.
Das reiche Mahl, das ihr Vater für sie und Hedwig auftragen ließ, hatte sie
kumm berührt, der Gedanke an Tvuio lind wer bellte und morgen und künftig
für sein Mahl sorgen werde, kam mit dumpfer Gewalt über sie. Mitten in
den fremdgewordnen Glanz hinein, der sie mit einemmal wieder umgab, schürte
vorwurfsvoll Tonlos Gesicht, und so oft sie die Angen schloß, sah sie sich neben
ihm auf deu eingesunkenen Marmorblöcken am Strand des Lido, wo sie gestern
gesessen. Immer deutlicher hörte sie in sich die Stimme ihres Mannes, die
schmeichelnd lind vorwurfsvoll Margherita! rief. Und wie am Abend die
Fenster und Thüren des Gemachs nach dem Söller geöffnet wurden, wie sie
hinaustreten durfte und das glänzende Wasser der Lagune unter sich und fern
im Osten den Uferstreif des Lido erblickte, da fröstelte es die junge Frau mitten
in der warmen, schmeichelnden Svimnerabendluft. Sie atmete tief und schwer,
den" sie wußte jetzt, daß sie hier nicht bleiben dürfe, daß sie heim müsse zu
dem, der ein Recht hatte auf ihre Treue. Was auch weiter kommen mochte,
zuerst mußte Tvuio wissen, daß sie ihn nicht verraten und verlassen habe.

Wohl zuckte wilder Schmerz dnrch ihre Seele, als sie jetzt mit stillem Ent¬
schluß aus dem Gemach, in dem sie zumeist verweilt hatte, zu jenem hinüber-
ging, in welchem Graf Friedrich von Thann mit Hedwigs Vater Wolfsart
bei einer Kanne griechischen Weines in ernstem Gespräch saß. Sie trat ans
ihren ritterlichen Vater zu, schaute mit feuchtschimmernden Augen in sein Gesicht,
legte ihren Kopf an seine Brust und sagte leise: Habt Dank, mein Vater, für
diesen Tag, für Eure Vergebung lind vergeht mir mit mildem Sinn mich ferner!
Dann wandte sie sich ab und schritt wieder hinüber zu Hedwig, Graf Friedrich
schaute der Wiedergefundenen verwundert, doch mit wachsendem Wohlgefallen
nach lind deutete sich ihr Wort auf seine Weise. Eine Stunde fast stand sie
darnach auf dem offnen Söller des Hnnses und prüfte mit ruhelosen Blick die
Boote und Gondeln, die draußen an der Gindeeea vorüber über das Wasser
glitten. Und mit einemmale blitzte ihr Auge Heller, sie trat plötzlich ins Gemach
zurück und schloß mit dem hölzernen Riegel die Thür nach dem Nebenraume,
wo Hedwig saß und in den schimmernden Geweben wühlte, welche für die
Grafentochter herzugebracht waren. Verwundert hörte das Fürstenkind deu
Riegel klingen und gleich darauf ein Rascheln von Gewttnderu. Sie konnte nicht
ahnen, daß Margarete jenes einfache Kleid, welches sie selbst ihr für bellte ge¬
liehen, schnell abwarf, sich in die Tracht der Fischerin hüllte und mit tiefer Be-


Die Lischerin von Malcnnocco.

die Nebenräume, einmal aber rief er ihr heftig zu: Wenigstens heute will ich
nichts wissen, als daß ich mein Kind gefunden habe, wenigstens bellte laß mich
hoffen, daß dn denken lernen wirst, wie es meiner Tochter geziemt!

Die so angesprochene verstummte, und seitdem kamen uur einzelne Worte
über ihre Lippen, Die Stunden des langen Sommertages raunen hin, und
mit einem wundersamen Weh, dem sie keinen Namen zu geben wußte, sah die
junge Frau am Stande der Sonne, daß der Tng sich seinem Ende zuneige.
Das reiche Mahl, das ihr Vater für sie und Hedwig auftragen ließ, hatte sie
kumm berührt, der Gedanke an Tvuio lind wer bellte und morgen und künftig
für sein Mahl sorgen werde, kam mit dumpfer Gewalt über sie. Mitten in
den fremdgewordnen Glanz hinein, der sie mit einemmal wieder umgab, schürte
vorwurfsvoll Tonlos Gesicht, und so oft sie die Angen schloß, sah sie sich neben
ihm auf deu eingesunkenen Marmorblöcken am Strand des Lido, wo sie gestern
gesessen. Immer deutlicher hörte sie in sich die Stimme ihres Mannes, die
schmeichelnd lind vorwurfsvoll Margherita! rief. Und wie am Abend die
Fenster und Thüren des Gemachs nach dem Söller geöffnet wurden, wie sie
hinaustreten durfte und das glänzende Wasser der Lagune unter sich und fern
im Osten den Uferstreif des Lido erblickte, da fröstelte es die junge Frau mitten
in der warmen, schmeichelnden Svimnerabendluft. Sie atmete tief und schwer,
den» sie wußte jetzt, daß sie hier nicht bleiben dürfe, daß sie heim müsse zu
dem, der ein Recht hatte auf ihre Treue. Was auch weiter kommen mochte,
zuerst mußte Tvuio wissen, daß sie ihn nicht verraten und verlassen habe.

Wohl zuckte wilder Schmerz dnrch ihre Seele, als sie jetzt mit stillem Ent¬
schluß aus dem Gemach, in dem sie zumeist verweilt hatte, zu jenem hinüber-
ging, in welchem Graf Friedrich von Thann mit Hedwigs Vater Wolfsart
bei einer Kanne griechischen Weines in ernstem Gespräch saß. Sie trat ans
ihren ritterlichen Vater zu, schaute mit feuchtschimmernden Augen in sein Gesicht,
legte ihren Kopf an seine Brust und sagte leise: Habt Dank, mein Vater, für
diesen Tag, für Eure Vergebung lind vergeht mir mit mildem Sinn mich ferner!
Dann wandte sie sich ab und schritt wieder hinüber zu Hedwig, Graf Friedrich
schaute der Wiedergefundenen verwundert, doch mit wachsendem Wohlgefallen
nach lind deutete sich ihr Wort auf seine Weise. Eine Stunde fast stand sie
darnach auf dem offnen Söller des Hnnses und prüfte mit ruhelosen Blick die
Boote und Gondeln, die draußen an der Gindeeea vorüber über das Wasser
glitten. Und mit einemmale blitzte ihr Auge Heller, sie trat plötzlich ins Gemach
zurück und schloß mit dem hölzernen Riegel die Thür nach dem Nebenraume,
wo Hedwig saß und in den schimmernden Geweben wühlte, welche für die
Grafentochter herzugebracht waren. Verwundert hörte das Fürstenkind deu
Riegel klingen und gleich darauf ein Rascheln von Gewttnderu. Sie konnte nicht
ahnen, daß Margarete jenes einfache Kleid, welches sie selbst ihr für bellte ge¬
liehen, schnell abwarf, sich in die Tracht der Fischerin hüllte und mit tiefer Be-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/683>, abgerufen am 29.06.2024.