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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Die Fischerin von INalamocco.

und die Schweißtropfen auf seiner Stirn trocknend dem Fährmanne znscufzte:
Es wird wiederum heiß, gewaltig heiß, Vattista!

Und glutheiß in der That war der Tag, blendend lag der Sonnen glänz
über den Dächern der Stadt und den Inseln der Lagune, flüssiges Feuer mun
mit den goldnen Strahlen herab, und ein bleiern dunstiger Himmel hing über
dem fernen Meere. Ans dem schattigen, künstlich gegen den heißen Schein ge¬
schützten Gemach in der stattlichen Herberge zum goldenen Delphin aber
schaute von Stunde zu Stunde banger und rastloser ein junges Weib auf den
schimmernden stillen Wasserspiegel hinaus. Margarete, die Grafentochter, trug,
seit sie ihr Vater am Morgen über die Schwelle des Hauses gehoben, ein
andres Gewand, das ihr Hedwig ans ihrer Reisehabe auf Gras Friedrichs
Geheiß gereicht. Sie hatte sich ohne Widerstreben, ja mit einer Art Wohl¬
gefallen in das reichere Kleid hüllen lassen und eine Stunde später mit
glänzenden Augen auf kostbare Stoffe und Spangen geschaut, die ihr Vater
von christlichen und jüdischen Händlern der Giudeeea darzubringen ließ und
beinahe wahllos kaufte. In einer Ecke lag nnschcinbnr die schlichte Tracht der
Fischerin, und so oft der Graf, welcher erregt und unruhig ab- und zuging, um
den abgelegte" Hüllen vorüberkam, stieß er sie mit den Füßen tiefer in den
Winkel und befahl Hedwig leise, die Kleider der erstell Bettlerin zu reichen, die
am Delphin vorspreche. Graf Friedrich redete dazwischen unablässig zu ihr,
sprach von dem vergangnen Leben daheim im Hause Friedewald, von seiner
tiefen Einsamkeit und von der bevorstehenden Kreuzfahrt nach Akkon, auf der
auch sie ihr kindisches Gelübde noch endlich lösen könne. Sie lauschte dein
Klang der Stimme, die sie so oft im Traum vernommen und die nnn ganz
anders toute, sie bedachte still bei sich, daß sie heute im Lause eines Morgens
mehr von seinen Lippen vernommen habe als in langen Kinderjahren. Sie
schaute bald beglückt, bald scheu und zaghaft auf den stattlichen Mann, der den
Widerstreit seines Gefühls vor ihr zu bergen suchte und doch bald liebevoll auf
sie, bald düster vor sich niederschaute. So oft er sie mit der Jugendgespielin
allein ließ, hub diese an von ihrer Heimfahrt vor Jahren, von ihren Thränen
um Margaretes Geschick und von dem heißen Wunsche Graf Friedrichs zu
sprechen, sein einziges Kind wiederzusehen und wiederzugewinnen. Dürftig sog
Margarete ein, was sie vernahm, ihre Seele erquickte sich an all den Kunden,
nach deuen sie sich seit Jahren gesehnt, nach denen sie oft mit bitterm Gram
gedarbt hatte. Und doch ward ihr nicht Wohl, wie in einem bangen Traume
stand sie und lauschte den Worten der Jngendgenossin, doch glänzten ihre
blauen Angen nicht in Glück auf, und von Zeit zu Zeit versuchte sie durch die
Lücken der dichten, seinen Matten, die den Sonnenschein abwehrten, hinaus-
zusehen. Niemand fragte nach ihrem Dasein bis hente, und so oft sie davon zu
sprechen begann, unterbrach sie ein bittender, warnender Blick Hedwigs, Graf
Friedrich verließ stumm das Gemach und ging mit unruhigen Schritten durch


Die Fischerin von INalamocco.

und die Schweißtropfen auf seiner Stirn trocknend dem Fährmanne znscufzte:
Es wird wiederum heiß, gewaltig heiß, Vattista!

Und glutheiß in der That war der Tag, blendend lag der Sonnen glänz
über den Dächern der Stadt und den Inseln der Lagune, flüssiges Feuer mun
mit den goldnen Strahlen herab, und ein bleiern dunstiger Himmel hing über
dem fernen Meere. Ans dem schattigen, künstlich gegen den heißen Schein ge¬
schützten Gemach in der stattlichen Herberge zum goldenen Delphin aber
schaute von Stunde zu Stunde banger und rastloser ein junges Weib auf den
schimmernden stillen Wasserspiegel hinaus. Margarete, die Grafentochter, trug,
seit sie ihr Vater am Morgen über die Schwelle des Hauses gehoben, ein
andres Gewand, das ihr Hedwig ans ihrer Reisehabe auf Gras Friedrichs
Geheiß gereicht. Sie hatte sich ohne Widerstreben, ja mit einer Art Wohl¬
gefallen in das reichere Kleid hüllen lassen und eine Stunde später mit
glänzenden Augen auf kostbare Stoffe und Spangen geschaut, die ihr Vater
von christlichen und jüdischen Händlern der Giudeeea darzubringen ließ und
beinahe wahllos kaufte. In einer Ecke lag nnschcinbnr die schlichte Tracht der
Fischerin, und so oft der Graf, welcher erregt und unruhig ab- und zuging, um
den abgelegte» Hüllen vorüberkam, stieß er sie mit den Füßen tiefer in den
Winkel und befahl Hedwig leise, die Kleider der erstell Bettlerin zu reichen, die
am Delphin vorspreche. Graf Friedrich redete dazwischen unablässig zu ihr,
sprach von dem vergangnen Leben daheim im Hause Friedewald, von seiner
tiefen Einsamkeit und von der bevorstehenden Kreuzfahrt nach Akkon, auf der
auch sie ihr kindisches Gelübde noch endlich lösen könne. Sie lauschte dein
Klang der Stimme, die sie so oft im Traum vernommen und die nnn ganz
anders toute, sie bedachte still bei sich, daß sie heute im Lause eines Morgens
mehr von seinen Lippen vernommen habe als in langen Kinderjahren. Sie
schaute bald beglückt, bald scheu und zaghaft auf den stattlichen Mann, der den
Widerstreit seines Gefühls vor ihr zu bergen suchte und doch bald liebevoll auf
sie, bald düster vor sich niederschaute. So oft er sie mit der Jugendgespielin
allein ließ, hub diese an von ihrer Heimfahrt vor Jahren, von ihren Thränen
um Margaretes Geschick und von dem heißen Wunsche Graf Friedrichs zu
sprechen, sein einziges Kind wiederzusehen und wiederzugewinnen. Dürftig sog
Margarete ein, was sie vernahm, ihre Seele erquickte sich an all den Kunden,
nach deuen sie sich seit Jahren gesehnt, nach denen sie oft mit bitterm Gram
gedarbt hatte. Und doch ward ihr nicht Wohl, wie in einem bangen Traume
stand sie und lauschte den Worten der Jngendgenossin, doch glänzten ihre
blauen Angen nicht in Glück auf, und von Zeit zu Zeit versuchte sie durch die
Lücken der dichten, seinen Matten, die den Sonnenschein abwehrten, hinaus-
zusehen. Niemand fragte nach ihrem Dasein bis hente, und so oft sie davon zu
sprechen begann, unterbrach sie ein bittender, warnender Blick Hedwigs, Graf
Friedrich verließ stumm das Gemach und ging mit unruhigen Schritten durch


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[0682] Die Fischerin von INalamocco. und die Schweißtropfen auf seiner Stirn trocknend dem Fährmanne znscufzte: Es wird wiederum heiß, gewaltig heiß, Vattista! Und glutheiß in der That war der Tag, blendend lag der Sonnen glänz über den Dächern der Stadt und den Inseln der Lagune, flüssiges Feuer mun mit den goldnen Strahlen herab, und ein bleiern dunstiger Himmel hing über dem fernen Meere. Ans dem schattigen, künstlich gegen den heißen Schein ge¬ schützten Gemach in der stattlichen Herberge zum goldenen Delphin aber schaute von Stunde zu Stunde banger und rastloser ein junges Weib auf den schimmernden stillen Wasserspiegel hinaus. Margarete, die Grafentochter, trug, seit sie ihr Vater am Morgen über die Schwelle des Hauses gehoben, ein andres Gewand, das ihr Hedwig ans ihrer Reisehabe auf Gras Friedrichs Geheiß gereicht. Sie hatte sich ohne Widerstreben, ja mit einer Art Wohl¬ gefallen in das reichere Kleid hüllen lassen und eine Stunde später mit glänzenden Augen auf kostbare Stoffe und Spangen geschaut, die ihr Vater von christlichen und jüdischen Händlern der Giudeeea darzubringen ließ und beinahe wahllos kaufte. In einer Ecke lag nnschcinbnr die schlichte Tracht der Fischerin, und so oft der Graf, welcher erregt und unruhig ab- und zuging, um den abgelegte» Hüllen vorüberkam, stieß er sie mit den Füßen tiefer in den Winkel und befahl Hedwig leise, die Kleider der erstell Bettlerin zu reichen, die am Delphin vorspreche. Graf Friedrich redete dazwischen unablässig zu ihr, sprach von dem vergangnen Leben daheim im Hause Friedewald, von seiner tiefen Einsamkeit und von der bevorstehenden Kreuzfahrt nach Akkon, auf der auch sie ihr kindisches Gelübde noch endlich lösen könne. Sie lauschte dein Klang der Stimme, die sie so oft im Traum vernommen und die nnn ganz anders toute, sie bedachte still bei sich, daß sie heute im Lause eines Morgens mehr von seinen Lippen vernommen habe als in langen Kinderjahren. Sie schaute bald beglückt, bald scheu und zaghaft auf den stattlichen Mann, der den Widerstreit seines Gefühls vor ihr zu bergen suchte und doch bald liebevoll auf sie, bald düster vor sich niederschaute. So oft er sie mit der Jugendgespielin allein ließ, hub diese an von ihrer Heimfahrt vor Jahren, von ihren Thränen um Margaretes Geschick und von dem heißen Wunsche Graf Friedrichs zu sprechen, sein einziges Kind wiederzusehen und wiederzugewinnen. Dürftig sog Margarete ein, was sie vernahm, ihre Seele erquickte sich an all den Kunden, nach deuen sie sich seit Jahren gesehnt, nach denen sie oft mit bitterm Gram gedarbt hatte. Und doch ward ihr nicht Wohl, wie in einem bangen Traume stand sie und lauschte den Worten der Jngendgenossin, doch glänzten ihre blauen Angen nicht in Glück auf, und von Zeit zu Zeit versuchte sie durch die Lücken der dichten, seinen Matten, die den Sonnenschein abwehrten, hinaus- zusehen. Niemand fragte nach ihrem Dasein bis hente, und so oft sie davon zu sprechen begann, unterbrach sie ein bittender, warnender Blick Hedwigs, Graf Friedrich verließ stumm das Gemach und ging mit unruhigen Schritten durch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/682>, abgerufen am 29.06.2024.