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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Vie ^ischcrin vo^ Maluinocco.

Grafen nicht Gewalt zu üben. Aber Margherita, die wie leblos Hinweg-
getragen ward, schien ihn nicht mehr hören zu können, der Deutsche wollte
ihn nicht hören. Erschöpft und ratlos blieb der greise Priester endlich im
Thürflügel stehen und sah verzweifelt nach der Herberge zum goldnen Delphin
hinüber, deren bunt glänzendes Dach und deren Söller er von hier erkennen
konnte. Als er um sich blickte, standen einige der Minoritenbrüder und Battista,
der Fährmann von Malainoeeo, an seiner Seite, alle begierig, eine Erklärung
des seltsamen, im stillen Antoniuskloster nie erhörten Vorgangs ans seinem
Munde zu erhalten. Pater Girolamo aber winkte mit raschem Entschluß Battista
zu und wandte sich dann zu den harrenden Brüdern:

Mach dein Boot zur Stelle fertig, Battista, wir müssen ohne Verzug nach
Hause. Ihr sollt, so es Gott geliebt, noch heute erfahren, was Ihr zu wissen
begehrt. Jetzt muß es einer vor allen hören, was hier geschehen: Toniv, Mar-
gheritas Mann! Der Ärmste ahnt wenig, was ich ihm in meines Herzens Sorge
um seinen und ihren Frieden bereitet habe. Des Herren Wege sind uner-
forschlich, und doch lenkt er alles zum Licht. Wir aber tappen im Dunkel, thun
das nächste und wissen nicht, wie es kommt. Laß uns nach Malainoeeo, Battista,
ich will zu Mareanton, bevor die Sonne im Mittag steht!

Er verabschiedete sich stumm und mit trübem Blick von den Minoriten
und schritt über den Hos nach Vnttistas Fahrzeug, der Fährmann folgte ihm
kopfschüttelnd und hielt gleich seinem Pfarrer den Blick nach dein Hause zum
goldnen Delphin hinübergerichtet, in welchem das junge Weib verschwunden war,
die in erster Frühe die Herüberfahrt geteilt hatte. Seufzend und in tiefem
Nachsinnen nahm Pater Girolamo seinen Platz im Boote, Battista stieß alsbald
vom Ufer ub. Aber er glaubte das Rechte zu treffen, wenn er langsam längs des
Südrandes der Giudeeea und dicht an der Herberge des deutschen Grasen vor-
überruderte. Der Pater sah sorgenvoll spähend nach den hölzernen Galerien
empor, welche um das steinerne Haus liefen, er blickte dnrch die Wnsferpfvrte,
vor welcher Gondeln lagen, ins Innere hinein, wo unruhige Geschäftigkeit zu
herrschen schien. Er prüfte die hochbordigen Schiffe, die in der nächsten Nähe
des "Delphin" vor Anker lagen und suchte zu erraten, auf welchem Margheritas
Bater die Wiedergefundene mit sich davonführen werde. Dabei zogen düstere
Gedanken dnrch seinen schmerzenden Kopf. Wie widerstandslos hatte sich doch
Margherita dem Zwange ihres ritterlich stolzen Vaters gefügt, wie bereit war
sie ihm erschienen, dem ganzen armen und engen Dasein zu entfliehen, das sie
noch in verwichener Nacht umfangen hatte. Und wie Recht hatte sein weltlich
träger Amtsbruder, der ErzPriester, gehabt, da er ihm gestern zurief, er solle
uicht an verwiesene Dinge rühren und sich nicht um vergangenes Leid kümmern.
Was sollte er nun Tonio sagen, wie den Schmerz stillen, den er dem jungen
Fischer gleichsam ins Hans tragen mußte? Doch verriet er alle diese Kümmer¬
nisse mit nichts, als daß er in Mitten der Lagune ein paarmal schweratmend


Vie ^ischcrin vo^ Maluinocco.

Grafen nicht Gewalt zu üben. Aber Margherita, die wie leblos Hinweg-
getragen ward, schien ihn nicht mehr hören zu können, der Deutsche wollte
ihn nicht hören. Erschöpft und ratlos blieb der greise Priester endlich im
Thürflügel stehen und sah verzweifelt nach der Herberge zum goldnen Delphin
hinüber, deren bunt glänzendes Dach und deren Söller er von hier erkennen
konnte. Als er um sich blickte, standen einige der Minoritenbrüder und Battista,
der Fährmann von Malainoeeo, an seiner Seite, alle begierig, eine Erklärung
des seltsamen, im stillen Antoniuskloster nie erhörten Vorgangs ans seinem
Munde zu erhalten. Pater Girolamo aber winkte mit raschem Entschluß Battista
zu und wandte sich dann zu den harrenden Brüdern:

Mach dein Boot zur Stelle fertig, Battista, wir müssen ohne Verzug nach
Hause. Ihr sollt, so es Gott geliebt, noch heute erfahren, was Ihr zu wissen
begehrt. Jetzt muß es einer vor allen hören, was hier geschehen: Toniv, Mar-
gheritas Mann! Der Ärmste ahnt wenig, was ich ihm in meines Herzens Sorge
um seinen und ihren Frieden bereitet habe. Des Herren Wege sind uner-
forschlich, und doch lenkt er alles zum Licht. Wir aber tappen im Dunkel, thun
das nächste und wissen nicht, wie es kommt. Laß uns nach Malainoeeo, Battista,
ich will zu Mareanton, bevor die Sonne im Mittag steht!

Er verabschiedete sich stumm und mit trübem Blick von den Minoriten
und schritt über den Hos nach Vnttistas Fahrzeug, der Fährmann folgte ihm
kopfschüttelnd und hielt gleich seinem Pfarrer den Blick nach dein Hause zum
goldnen Delphin hinübergerichtet, in welchem das junge Weib verschwunden war,
die in erster Frühe die Herüberfahrt geteilt hatte. Seufzend und in tiefem
Nachsinnen nahm Pater Girolamo seinen Platz im Boote, Battista stieß alsbald
vom Ufer ub. Aber er glaubte das Rechte zu treffen, wenn er langsam längs des
Südrandes der Giudeeea und dicht an der Herberge des deutschen Grasen vor-
überruderte. Der Pater sah sorgenvoll spähend nach den hölzernen Galerien
empor, welche um das steinerne Haus liefen, er blickte dnrch die Wnsferpfvrte,
vor welcher Gondeln lagen, ins Innere hinein, wo unruhige Geschäftigkeit zu
herrschen schien. Er prüfte die hochbordigen Schiffe, die in der nächsten Nähe
des „Delphin" vor Anker lagen und suchte zu erraten, auf welchem Margheritas
Bater die Wiedergefundene mit sich davonführen werde. Dabei zogen düstere
Gedanken dnrch seinen schmerzenden Kopf. Wie widerstandslos hatte sich doch
Margherita dem Zwange ihres ritterlich stolzen Vaters gefügt, wie bereit war
sie ihm erschienen, dem ganzen armen und engen Dasein zu entfliehen, das sie
noch in verwichener Nacht umfangen hatte. Und wie Recht hatte sein weltlich
träger Amtsbruder, der ErzPriester, gehabt, da er ihm gestern zurief, er solle
uicht an verwiesene Dinge rühren und sich nicht um vergangenes Leid kümmern.
Was sollte er nun Tonio sagen, wie den Schmerz stillen, den er dem jungen
Fischer gleichsam ins Hans tragen mußte? Doch verriet er alle diese Kümmer¬
nisse mit nichts, als daß er in Mitten der Lagune ein paarmal schweratmend


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/681>, abgerufen am 29.06.2024.