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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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haft von den Toten erstanden. Dich wähnt ich an dein Unheiltnge in den
Wogen versunken, da wir in Sinigaglia zu Schiff gingen!

Hedwig hat sich durch Hunger und Elend selbst heimgefunden zu ihrem
Vater! sagte Gras Friedrich mit düsterm Ernst. Dn siehst ihr heute nicht an,
wie sie ausschaute, als sie zwei Jahre uach eurer unseligen Kreuzfahrt bei
sinkender Sonne am Heringer Forsthaus anpochte, um ihrer Mutter letzte Lebens¬
jahre zu erhellen. Von Hedwig vernahm ich zuerst, was meinem Verlornen
Kinde bis hinab zur wälschen Hafenstadt widerfahren. Und weil sie dich lebend
gesehen, als dn ans das Schiff gedrängt und sie selbst wieder ans Land
zurückgerissen wurde, so saß ich ein erstesmal zu Roß und zog deinen Spuren
uach bis gegen Siuigaglia und weiter. Durch ganz Wälschland klang dumpfe
Kunde über das Schicksal der kindischen Krenzpilger, aber Gewißheit erhielt ich
nirgend! Und so kehrte ich heim und saß jahrelang still in meinem Leid und
bewirtete auf Friedewald jeden Pilger, der vom heiligen Lande kam, immer in
der Hoffnung, etwas zu hören, das mir einen Pfad zu dir wiese. Zuletzt litt
minds nicht länger in den Wäldern um meine Burgen, und als die Cluuiaeeuser
wieder eine Heerfahrt nach Jerusalem im ganzen Reiche predigen ließen, nahm
ich das Kreuz in der Hoffnung, dich drüben zu finden. Von gleicher Hoffnung
ließen sich Wolfsart und Hedwig treiben und zogen in meinem Geleit, und wir
dachten uns zu Pisa einzuschiffen, als das Gerücht von dein Büßer da innen
zu uns erscholl und uus uach Venedig trieb. Dem reuigen Sünder will ich
Dank zollen, daß er vermocht hat, dich auf meinen Weg zu führen, denn nicht
viele Tage mehr hätte ichs ertragen, bittende Fragen an ihn zu richten und
ihn bald starr und stumm auf mich blicken zu sehen, bald sein heuchlerisch Ge¬
wimmer zu hören, daß dn mit seinem besten Schiffe einst untergegangen seiest.
Auch dies Kloster, in dem ich dich gefunden, soll nicht leer ausgehen! Doch
was du inzwischen erfahren und wie du bis in meinen Arm kamst, ich will
es uicht hier hören. Leidvoll und traurig wirds sein, jetzt laß mich genießen,
daß dich Gott zu mir zurückgeführt. Komm, komm, ich will dich in meine
Herberge geleiten, dort soll Hedwig dich mit Kleidern zieren, wie es
meiner Tochter geziemt, dort werde ichs tragen können, was du mir ge¬
stehen mußt!

Die Wiedergefundne aber wachte plötzlich aus einem Traum auf. Sie sah,
daß sich die Menschen in der Halle und dazwischen viele der Brüder des Klosters
dicht um sie und ihre deutschen Angehörigen gedrängt hatten, sah, daß Pater
Girolnmos Blick angstvoll an ihren und ihres Vaters Lippen hing, und besnuu
sich, wie sie hierhergekommen sei. Sie senkte Haupt und Rücken wie vorhin
und rief, damit der Pfarrer von Malamveeo sie vernehmen könne, in der Sprache,
welche sie seit Jahren redete: Ich will zu dir kommen, mein Vater, wann und
wo dn es befiehlst! Doch jetzt muß ich zu Touio, muß zu meinem Manne und
will ihn zu deinen Füßen führen, damit du uus segnest!


haft von den Toten erstanden. Dich wähnt ich an dein Unheiltnge in den
Wogen versunken, da wir in Sinigaglia zu Schiff gingen!

Hedwig hat sich durch Hunger und Elend selbst heimgefunden zu ihrem
Vater! sagte Gras Friedrich mit düsterm Ernst. Dn siehst ihr heute nicht an,
wie sie ausschaute, als sie zwei Jahre uach eurer unseligen Kreuzfahrt bei
sinkender Sonne am Heringer Forsthaus anpochte, um ihrer Mutter letzte Lebens¬
jahre zu erhellen. Von Hedwig vernahm ich zuerst, was meinem Verlornen
Kinde bis hinab zur wälschen Hafenstadt widerfahren. Und weil sie dich lebend
gesehen, als dn ans das Schiff gedrängt und sie selbst wieder ans Land
zurückgerissen wurde, so saß ich ein erstesmal zu Roß und zog deinen Spuren
uach bis gegen Siuigaglia und weiter. Durch ganz Wälschland klang dumpfe
Kunde über das Schicksal der kindischen Krenzpilger, aber Gewißheit erhielt ich
nirgend! Und so kehrte ich heim und saß jahrelang still in meinem Leid und
bewirtete auf Friedewald jeden Pilger, der vom heiligen Lande kam, immer in
der Hoffnung, etwas zu hören, das mir einen Pfad zu dir wiese. Zuletzt litt
minds nicht länger in den Wäldern um meine Burgen, und als die Cluuiaeeuser
wieder eine Heerfahrt nach Jerusalem im ganzen Reiche predigen ließen, nahm
ich das Kreuz in der Hoffnung, dich drüben zu finden. Von gleicher Hoffnung
ließen sich Wolfsart und Hedwig treiben und zogen in meinem Geleit, und wir
dachten uns zu Pisa einzuschiffen, als das Gerücht von dein Büßer da innen
zu uns erscholl und uus uach Venedig trieb. Dem reuigen Sünder will ich
Dank zollen, daß er vermocht hat, dich auf meinen Weg zu führen, denn nicht
viele Tage mehr hätte ichs ertragen, bittende Fragen an ihn zu richten und
ihn bald starr und stumm auf mich blicken zu sehen, bald sein heuchlerisch Ge¬
wimmer zu hören, daß dn mit seinem besten Schiffe einst untergegangen seiest.
Auch dies Kloster, in dem ich dich gefunden, soll nicht leer ausgehen! Doch
was du inzwischen erfahren und wie du bis in meinen Arm kamst, ich will
es uicht hier hören. Leidvoll und traurig wirds sein, jetzt laß mich genießen,
daß dich Gott zu mir zurückgeführt. Komm, komm, ich will dich in meine
Herberge geleiten, dort soll Hedwig dich mit Kleidern zieren, wie es
meiner Tochter geziemt, dort werde ichs tragen können, was du mir ge¬
stehen mußt!

Die Wiedergefundne aber wachte plötzlich aus einem Traum auf. Sie sah,
daß sich die Menschen in der Halle und dazwischen viele der Brüder des Klosters
dicht um sie und ihre deutschen Angehörigen gedrängt hatten, sah, daß Pater
Girolnmos Blick angstvoll an ihren und ihres Vaters Lippen hing, und besnuu
sich, wie sie hierhergekommen sei. Sie senkte Haupt und Rücken wie vorhin
und rief, damit der Pfarrer von Malamveeo sie vernehmen könne, in der Sprache,
welche sie seit Jahren redete: Ich will zu dir kommen, mein Vater, wann und
wo dn es befiehlst! Doch jetzt muß ich zu Touio, muß zu meinem Manne und
will ihn zu deinen Füßen führen, damit du uus segnest!


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/679>, abgerufen am 29.06.2024.