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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Die Fischerin von Malamocco.

eine Frau oder Jungfrau in deutscher Tracht, wenig älter als Margheritn,
kniete bei Pater Girolamo am Boden, hob und legte das Haupt der Ohn¬
mächtigen zärtlich in ihren Arm und wischte mit einem Weißen Tuche die Bluts¬
tropfen hinweg. Zwei ältere Mäuner senkten ihre Blicke anf Gestalt und Gesicht
der Bewußtlosen herab, der eine von ihnen, dessen schlichtes Wams und breiter
Ledergürtel, worin Waidmesser und kurzes Schwert prangten, Pater Girolamo
zuerst in die Augen fielen, faltete halb wehmütig die Hände, während der andre,
höher gewachsene, der ritterliches Gewand trug und wie im Kampfe die Hand
um den Schwertliianf gelegt hatte, mit tiefem, beinahe drohendem Ernst in den
Zügen Margheritas forschte. Pater Girolamo verstand nicht, was der Fremde
dabei dem hilfreichen Weibe an seiner Seite rauh zurief: Du kommst von Sinnen,
Hedwig! Sie kann es nicht sein, dn läßt dich und uns von einem Schein
äffen!'

Aber er vernahm deutlich, wie der Mnun in ritterlicher Tracht ihn in
der Landessprache lant und fast hart fragte: Wer ist dies junge Weib, die unser
bloßer Anblick erschreckt?

Die Frau Mareantonivs, des Fischers vom Lido! entgegnete Pater Giro¬
lamo. So Ihr ein Deutscher seid, Herr, eine Landsmännin von Euch, denn
sie ist als Schiffbrüchige vor acht Jahren um unsrer Küste aus der wilden See
gerettet worden.

Die Frau des Fischers! wiederholte der ritterliche Mann, und ließ die
Hand vom Schwertgriff schwer ans die Schulter der Knienden fallen, die noch
immer Margheritas Haupt hielt und ihr fest ins bleiche Gesicht blickte, während
der Redende sich umsonst mühte, seine Angen wegzukehren. Hörtest du wohl,
Hedwig, was der Priester sagt. Mein Kind kann es bei Se. Bonifaz nicht
sein, das hier am Boden liegt.

Aber jetzt gewann der greise Pater die Fassung, der er einige Minuten
beraubt gewesen war. Haltet ein, Herr! rief er dem Fremden zu, haltet ein
mit frevelndem Schwur. So Ihr Euch Graf Friedrich von Thann nennt und
zur Zeit des Kinderkreuzzngs ein Töchterlein in Schmerzen verloren habt, so
will Gott an Euch und ihr ein großes Gnadenwerk thun.

Der Deutsche vermochte nicht zu antworten. Denn im gleichen Augenblicke,
wo er selbst so bleich ward wie die Bewußtlose, die hier vor seinen Füßen lag,
öffneten sich Margheritas Augen. Sie starrte empor wie geblendet, legte die
Hand an ihre Vrnst und stammelte dann dem Pater zu: Mein Kreuz, mein
Kreuz! Und sowie der Pfarrer mit raschem Besinnen das Krenz, das er noch
in seiner Hand gehalten, in die ihre legte, entwand sie sich dem Arm, der sie
gehalten hatte, ihr eigner linker Arm umklammerte die Füße des hohen ritter¬
lichen Mannes, der eben einen Schritt von ihr hinwegthuu wollte, ihre Rechte
aber hielt das funkelnde Kleinod zu ihm empor, während sie in schmerzlich
flehenden Lauten rief: Vergebt mir, vergeht mir, mein Vater!


Gveuzbvwi IV. 1882. 85,
Die Fischerin von Malamocco.

eine Frau oder Jungfrau in deutscher Tracht, wenig älter als Margheritn,
kniete bei Pater Girolamo am Boden, hob und legte das Haupt der Ohn¬
mächtigen zärtlich in ihren Arm und wischte mit einem Weißen Tuche die Bluts¬
tropfen hinweg. Zwei ältere Mäuner senkten ihre Blicke anf Gestalt und Gesicht
der Bewußtlosen herab, der eine von ihnen, dessen schlichtes Wams und breiter
Ledergürtel, worin Waidmesser und kurzes Schwert prangten, Pater Girolamo
zuerst in die Augen fielen, faltete halb wehmütig die Hände, während der andre,
höher gewachsene, der ritterliches Gewand trug und wie im Kampfe die Hand
um den Schwertliianf gelegt hatte, mit tiefem, beinahe drohendem Ernst in den
Zügen Margheritas forschte. Pater Girolamo verstand nicht, was der Fremde
dabei dem hilfreichen Weibe an seiner Seite rauh zurief: Du kommst von Sinnen,
Hedwig! Sie kann es nicht sein, dn läßt dich und uns von einem Schein
äffen!'

Aber er vernahm deutlich, wie der Mnun in ritterlicher Tracht ihn in
der Landessprache lant und fast hart fragte: Wer ist dies junge Weib, die unser
bloßer Anblick erschreckt?

Die Frau Mareantonivs, des Fischers vom Lido! entgegnete Pater Giro¬
lamo. So Ihr ein Deutscher seid, Herr, eine Landsmännin von Euch, denn
sie ist als Schiffbrüchige vor acht Jahren um unsrer Küste aus der wilden See
gerettet worden.

Die Frau des Fischers! wiederholte der ritterliche Mann, und ließ die
Hand vom Schwertgriff schwer ans die Schulter der Knienden fallen, die noch
immer Margheritas Haupt hielt und ihr fest ins bleiche Gesicht blickte, während
der Redende sich umsonst mühte, seine Angen wegzukehren. Hörtest du wohl,
Hedwig, was der Priester sagt. Mein Kind kann es bei Se. Bonifaz nicht
sein, das hier am Boden liegt.

Aber jetzt gewann der greise Pater die Fassung, der er einige Minuten
beraubt gewesen war. Haltet ein, Herr! rief er dem Fremden zu, haltet ein
mit frevelndem Schwur. So Ihr Euch Graf Friedrich von Thann nennt und
zur Zeit des Kinderkreuzzngs ein Töchterlein in Schmerzen verloren habt, so
will Gott an Euch und ihr ein großes Gnadenwerk thun.

Der Deutsche vermochte nicht zu antworten. Denn im gleichen Augenblicke,
wo er selbst so bleich ward wie die Bewußtlose, die hier vor seinen Füßen lag,
öffneten sich Margheritas Augen. Sie starrte empor wie geblendet, legte die
Hand an ihre Vrnst und stammelte dann dem Pater zu: Mein Kreuz, mein
Kreuz! Und sowie der Pfarrer mit raschem Besinnen das Krenz, das er noch
in seiner Hand gehalten, in die ihre legte, entwand sie sich dem Arm, der sie
gehalten hatte, ihr eigner linker Arm umklammerte die Füße des hohen ritter¬
lichen Mannes, der eben einen Schritt von ihr hinwegthuu wollte, ihre Rechte
aber hielt das funkelnde Kleinod zu ihm empor, während sie in schmerzlich
flehenden Lauten rief: Vergebt mir, vergeht mir, mein Vater!


Gveuzbvwi IV. 1882. 85,
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[0677] Die Fischerin von Malamocco. eine Frau oder Jungfrau in deutscher Tracht, wenig älter als Margheritn, kniete bei Pater Girolamo am Boden, hob und legte das Haupt der Ohn¬ mächtigen zärtlich in ihren Arm und wischte mit einem Weißen Tuche die Bluts¬ tropfen hinweg. Zwei ältere Mäuner senkten ihre Blicke anf Gestalt und Gesicht der Bewußtlosen herab, der eine von ihnen, dessen schlichtes Wams und breiter Ledergürtel, worin Waidmesser und kurzes Schwert prangten, Pater Girolamo zuerst in die Augen fielen, faltete halb wehmütig die Hände, während der andre, höher gewachsene, der ritterliches Gewand trug und wie im Kampfe die Hand um den Schwertliianf gelegt hatte, mit tiefem, beinahe drohendem Ernst in den Zügen Margheritas forschte. Pater Girolamo verstand nicht, was der Fremde dabei dem hilfreichen Weibe an seiner Seite rauh zurief: Du kommst von Sinnen, Hedwig! Sie kann es nicht sein, dn läßt dich und uns von einem Schein äffen!' Aber er vernahm deutlich, wie der Mnun in ritterlicher Tracht ihn in der Landessprache lant und fast hart fragte: Wer ist dies junge Weib, die unser bloßer Anblick erschreckt? Die Frau Mareantonivs, des Fischers vom Lido! entgegnete Pater Giro¬ lamo. So Ihr ein Deutscher seid, Herr, eine Landsmännin von Euch, denn sie ist als Schiffbrüchige vor acht Jahren um unsrer Küste aus der wilden See gerettet worden. Die Frau des Fischers! wiederholte der ritterliche Mann, und ließ die Hand vom Schwertgriff schwer ans die Schulter der Knienden fallen, die noch immer Margheritas Haupt hielt und ihr fest ins bleiche Gesicht blickte, während der Redende sich umsonst mühte, seine Angen wegzukehren. Hörtest du wohl, Hedwig, was der Priester sagt. Mein Kind kann es bei Se. Bonifaz nicht sein, das hier am Boden liegt. Aber jetzt gewann der greise Pater die Fassung, der er einige Minuten beraubt gewesen war. Haltet ein, Herr! rief er dem Fremden zu, haltet ein mit frevelndem Schwur. So Ihr Euch Graf Friedrich von Thann nennt und zur Zeit des Kinderkreuzzngs ein Töchterlein in Schmerzen verloren habt, so will Gott an Euch und ihr ein großes Gnadenwerk thun. Der Deutsche vermochte nicht zu antworten. Denn im gleichen Augenblicke, wo er selbst so bleich ward wie die Bewußtlose, die hier vor seinen Füßen lag, öffneten sich Margheritas Augen. Sie starrte empor wie geblendet, legte die Hand an ihre Vrnst und stammelte dann dem Pater zu: Mein Kreuz, mein Kreuz! Und sowie der Pfarrer mit raschem Besinnen das Krenz, das er noch in seiner Hand gehalten, in die ihre legte, entwand sie sich dem Arm, der sie gehalten hatte, ihr eigner linker Arm umklammerte die Füße des hohen ritter¬ lichen Mannes, der eben einen Schritt von ihr hinwegthuu wollte, ihre Rechte aber hielt das funkelnde Kleinod zu ihm empor, während sie in schmerzlich flehenden Lauten rief: Vergebt mir, vergeht mir, mein Vater! Gveuzbvwi IV. 1882. 85,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/677>, abgerufen am 29.06.2024.