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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Die Fischoriu vou 1Ilala>ttocco.

Mechtild gekannt? Und vor allem: erkennst du den unseligen Mann dort auf
dem Steinlager als den großen Schiffsherrn von Siuigaglin, der Euer Ver¬
derben vollendet hat?

Nein, mein Vater! versetzte Margherita. Der Mann, den ich vor acht
Jahren gesehen, war so völlig ein andrer, daß ich vorhin hätte schwören wollen,
dieser sei nicht Herr Pietro Vincentino. Nur als er zu der Frau ans Rothen-
burg sprach, da wars plötzlich, als vernehme ich einen Klang, den ich einst
gehört habe. Da gemahnte minds an die furchtbare Stunde, in der Herr Pietro
seinen Schiffsleuten zuherrschte, mit den Galeeren um jeden Preis in See
zu gehen und wir unter schwülem Sturm und rollenden Donner den Hafen
von Siuigaglia verließen. Mir graut davor, die Stimme wieder zu hören,
und ich bitte Euch, Pater Girolamo, daß wir still davon gehen, wenn es
sein kaun.

Es kann aber nicht sein, entgegnete der Pater. Wir sind hier, um zu
erfahren, ob jener dich kennt und ob ihm dein Name wieder ins Ohr geklungen
ist, seit die Reue sein Herz erfaßt hat. Wenn er von nichts weiß, so müssen
wir ans andre Weise versuchen, dir Frieden zu gewinnen -- zuerst wollen wir
ih.l hören!

Der Minoritenbruder, welcher soeben die deutsche Frau hinausgeleitet hatte,
schien uicht zurückzukehren. Pater Girolamo schritt entschlossen auf deu Büßer
los, der noch immer wie entrückt, sein Gesicht in den Händen geborgen, auf
der Kante der Steinbank lag. Er rüttelte ihn heftig an der Schulter und
sprach ihn laut an: Höre mich, Pietro Vincentino, wenn du zu hören vermagst.
Unter den Hunderten oder taufenden, deren Thorheit dich vor Jahren zur Tod¬
sünde verleitet hat, war auch ein deutsches Fräulein- in zartem Alter, die zwölf¬
jährige Tochter des Grafen von Thann im Buchenlande. So du dich ihrer
erinnerst, merk auf und gieb mir ein Zeichen, daß du mich verstanden!

Wohl, Wohl, ich habe Euch gehört, Pater! murmelte dumpf und wie un¬
willig der Angesprvchne, und wieder flog sein Blick über den Pfarrer von
Malamocco und über Margherita hinweg in weite Fernen, und die nahe Mauer
schien ihn nicht aufzuhalten. Eine deutsche Grafentochter? fuhr er fort, es
waren zwei oder drei in dem kindischen Pilgerheere, das ans meinem Grund
an: Hafen von Sinigaglia lagerte. In Emir Ibrahims Frauengemächern zu
Tarablos mögt Ihr eine oder die andre von ihnen wieder suchen.

Und ein kurzes, und wie es Margherita vorkam, höhnisches Lachen stahl
sich zwischen die jammernden Lante, in denen er sprach. Abwehrend streckte
er seine Hände und den magern rechten Arm, von dem der Knttenärmel weit
zurückfiel, gegen den greisen Priester: Wozu wollt Ihr mich quälen, Pater?
Die Lebenden fürchte ich mehr als die Toten -- einer und der andre, der ent¬
kommen und heimgekehrt ist, hat hier vor nur gestanden und mir geflucht. Und
die Toten werden drüben wider mich rufen, und hier muß ich sie Tag und


Die Fischoriu vou 1Ilala>ttocco.

Mechtild gekannt? Und vor allem: erkennst du den unseligen Mann dort auf
dem Steinlager als den großen Schiffsherrn von Siuigaglin, der Euer Ver¬
derben vollendet hat?

Nein, mein Vater! versetzte Margherita. Der Mann, den ich vor acht
Jahren gesehen, war so völlig ein andrer, daß ich vorhin hätte schwören wollen,
dieser sei nicht Herr Pietro Vincentino. Nur als er zu der Frau ans Rothen-
burg sprach, da wars plötzlich, als vernehme ich einen Klang, den ich einst
gehört habe. Da gemahnte minds an die furchtbare Stunde, in der Herr Pietro
seinen Schiffsleuten zuherrschte, mit den Galeeren um jeden Preis in See
zu gehen und wir unter schwülem Sturm und rollenden Donner den Hafen
von Siuigaglia verließen. Mir graut davor, die Stimme wieder zu hören,
und ich bitte Euch, Pater Girolamo, daß wir still davon gehen, wenn es
sein kaun.

Es kann aber nicht sein, entgegnete der Pater. Wir sind hier, um zu
erfahren, ob jener dich kennt und ob ihm dein Name wieder ins Ohr geklungen
ist, seit die Reue sein Herz erfaßt hat. Wenn er von nichts weiß, so müssen
wir ans andre Weise versuchen, dir Frieden zu gewinnen — zuerst wollen wir
ih.l hören!

Der Minoritenbruder, welcher soeben die deutsche Frau hinausgeleitet hatte,
schien uicht zurückzukehren. Pater Girolamo schritt entschlossen auf deu Büßer
los, der noch immer wie entrückt, sein Gesicht in den Händen geborgen, auf
der Kante der Steinbank lag. Er rüttelte ihn heftig an der Schulter und
sprach ihn laut an: Höre mich, Pietro Vincentino, wenn du zu hören vermagst.
Unter den Hunderten oder taufenden, deren Thorheit dich vor Jahren zur Tod¬
sünde verleitet hat, war auch ein deutsches Fräulein- in zartem Alter, die zwölf¬
jährige Tochter des Grafen von Thann im Buchenlande. So du dich ihrer
erinnerst, merk auf und gieb mir ein Zeichen, daß du mich verstanden!

Wohl, Wohl, ich habe Euch gehört, Pater! murmelte dumpf und wie un¬
willig der Angesprvchne, und wieder flog sein Blick über den Pfarrer von
Malamocco und über Margherita hinweg in weite Fernen, und die nahe Mauer
schien ihn nicht aufzuhalten. Eine deutsche Grafentochter? fuhr er fort, es
waren zwei oder drei in dem kindischen Pilgerheere, das ans meinem Grund
an: Hafen von Sinigaglia lagerte. In Emir Ibrahims Frauengemächern zu
Tarablos mögt Ihr eine oder die andre von ihnen wieder suchen.

Und ein kurzes, und wie es Margherita vorkam, höhnisches Lachen stahl
sich zwischen die jammernden Lante, in denen er sprach. Abwehrend streckte
er seine Hände und den magern rechten Arm, von dem der Knttenärmel weit
zurückfiel, gegen den greisen Priester: Wozu wollt Ihr mich quälen, Pater?
Die Lebenden fürchte ich mehr als die Toten — einer und der andre, der ent¬
kommen und heimgekehrt ist, hat hier vor nur gestanden und mir geflucht. Und
die Toten werden drüben wider mich rufen, und hier muß ich sie Tag und


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[0674] Die Fischoriu vou 1Ilala>ttocco. Mechtild gekannt? Und vor allem: erkennst du den unseligen Mann dort auf dem Steinlager als den großen Schiffsherrn von Siuigaglin, der Euer Ver¬ derben vollendet hat? Nein, mein Vater! versetzte Margherita. Der Mann, den ich vor acht Jahren gesehen, war so völlig ein andrer, daß ich vorhin hätte schwören wollen, dieser sei nicht Herr Pietro Vincentino. Nur als er zu der Frau ans Rothen- burg sprach, da wars plötzlich, als vernehme ich einen Klang, den ich einst gehört habe. Da gemahnte minds an die furchtbare Stunde, in der Herr Pietro seinen Schiffsleuten zuherrschte, mit den Galeeren um jeden Preis in See zu gehen und wir unter schwülem Sturm und rollenden Donner den Hafen von Siuigaglia verließen. Mir graut davor, die Stimme wieder zu hören, und ich bitte Euch, Pater Girolamo, daß wir still davon gehen, wenn es sein kaun. Es kann aber nicht sein, entgegnete der Pater. Wir sind hier, um zu erfahren, ob jener dich kennt und ob ihm dein Name wieder ins Ohr geklungen ist, seit die Reue sein Herz erfaßt hat. Wenn er von nichts weiß, so müssen wir ans andre Weise versuchen, dir Frieden zu gewinnen — zuerst wollen wir ih.l hören! Der Minoritenbruder, welcher soeben die deutsche Frau hinausgeleitet hatte, schien uicht zurückzukehren. Pater Girolamo schritt entschlossen auf deu Büßer los, der noch immer wie entrückt, sein Gesicht in den Händen geborgen, auf der Kante der Steinbank lag. Er rüttelte ihn heftig an der Schulter und sprach ihn laut an: Höre mich, Pietro Vincentino, wenn du zu hören vermagst. Unter den Hunderten oder taufenden, deren Thorheit dich vor Jahren zur Tod¬ sünde verleitet hat, war auch ein deutsches Fräulein- in zartem Alter, die zwölf¬ jährige Tochter des Grafen von Thann im Buchenlande. So du dich ihrer erinnerst, merk auf und gieb mir ein Zeichen, daß du mich verstanden! Wohl, Wohl, ich habe Euch gehört, Pater! murmelte dumpf und wie un¬ willig der Angesprvchne, und wieder flog sein Blick über den Pfarrer von Malamocco und über Margherita hinweg in weite Fernen, und die nahe Mauer schien ihn nicht aufzuhalten. Eine deutsche Grafentochter? fuhr er fort, es waren zwei oder drei in dem kindischen Pilgerheere, das ans meinem Grund an: Hafen von Sinigaglia lagerte. In Emir Ibrahims Frauengemächern zu Tarablos mögt Ihr eine oder die andre von ihnen wieder suchen. Und ein kurzes, und wie es Margherita vorkam, höhnisches Lachen stahl sich zwischen die jammernden Lante, in denen er sprach. Abwehrend streckte er seine Hände und den magern rechten Arm, von dem der Knttenärmel weit zurückfiel, gegen den greisen Priester: Wozu wollt Ihr mich quälen, Pater? Die Lebenden fürchte ich mehr als die Toten — einer und der andre, der ent¬ kommen und heimgekehrt ist, hat hier vor nur gestanden und mir geflucht. Und die Toten werden drüben wider mich rufen, und hier muß ich sie Tag und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/674>, abgerufen am 28.09.2024.