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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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lVeihnachtsbräuche in der Reformationszeit.

soviel ihrer während des Jahres zum Reigen gegangen, werden von den Burschen
zusammengeholt, anstatt der Pferde vor einen Pflug gespannt und mit einem
Flötenblüser, der anf dem Pflug sitzend seine Weisen erschallen läßt, nach einem
Fluß oder einem Teiche geführt. Wozu das geschieht, sehe ich nicht recht ein,
ich müßte denn annehmen, daß sie hierdurch sühnen wollen, daß sie an Fest¬
tagen gegen die kirchliche Vorschrift von ihrem leichtfertigen Thun nicht abge¬
standen sind."

Im folgenden beschreibt der Verfasser dann die Austreibung des Todes
am Sonntag Lätare, die Feier des Osterfestes und die Kirchweihfeste, "zu denen
die jungeu Bursche aus den Nachbarorten scharenweise, nicht die Kirche, aber
den Tanzplatz aufzusuchen, mit Waffen und Musik herzukommen, wie zur
Feldschlacht, die sie denn much öfters vorfinden oder auch in Szene setzen, um
daun mit blutigen Köpfen wieder heimzukehren." An den drei großen Bitt¬
tagen versammeln sich die Glieder der Kirchensprengel in den Kirchen, "dort
singen sie nicht zusammen und die gleiche Melodie, sondern die einzelnen Ab¬
teilungen (oru<Zk8) singen jede ihre besondre; Jungfrauen und Jünglinge sind
prächtig gekleidet, alle haben das Haupt mit Laubkränzen geschmückt und tragen
Stäbe von Weidenholz. Die Geistlichen stehen dabei und achten sorgfältig auf
den Gesang der einzelnen Abteilungen, und derjenigen, deren Gesang ihnen lieb¬
licher als der der andern dünkt, erkennen sie nach alter Sitte einige Schalen
Wein zu." Nur kurz werden die Gebräuche am Pfingstfest und die Vorgänge
am Se. Urbanstag berührt.

"In der Nacht zum Johannestag -- heißt es dann weiter -- werden fast in
allen Orten Deutschlands Feuerstöße hergerichtet, bei welchen Jung und Alt
sich versammelt. Alles singt und tanzt und beobachtet viele abergläubische Ge¬
bräuche; bekränzt mit Beifuß und Eisenkraut, halten sie in der Hand Blumen,
die wegen ihrer Ähnlichkeit mit einem Sporn Rittersporen genannt werden,
und blicken nur durch diese das Feuer um; dadurch meinen sie das Auge fürs
ganze Jahr vor Krankheit zu bewahren. Wer fortgehen will, wirft seinen
Kranz mit den Worten ins Feuer: Weg damit, all mein Unglück mag damit
verbrennen! In derselben Zeit werden eine Art Töpfe aus Thon verfertigt,
so vielfach durchlöchert, daß die Teile kaum zusammenhalten, die kaufen die
Mädchen, überziehen sie mit purpurrotem Blättern, setzen ein Licht hinein und
hängen sie als Laterne vom Dache des Hauses herunter. Gleichzeitig bringen
die Bursche ganze Fichten in die Ortschaften herein, hauen die untern Äste
ab und schmücken die obern mit glitzernden Glasstücken, Blumenguirlanden und
schimmernden Goldblättchen aus, den in der Erde befestigten Baum lassen sie
so während des ganzen Sommers stehen.*)



*) I°un<z tswxoris u-äoloscontos xs-M tot"s xlnus ilikorunt, quiZ-rum iQkvrioi'iblls ramis
u.bsovtis, suxsi'ivros sxooulis, vitris, sortis drkotöolisimz Zx^mUviuitidus sxamiint, "rdorom
lVeihnachtsbräuche in der Reformationszeit.

soviel ihrer während des Jahres zum Reigen gegangen, werden von den Burschen
zusammengeholt, anstatt der Pferde vor einen Pflug gespannt und mit einem
Flötenblüser, der anf dem Pflug sitzend seine Weisen erschallen läßt, nach einem
Fluß oder einem Teiche geführt. Wozu das geschieht, sehe ich nicht recht ein,
ich müßte denn annehmen, daß sie hierdurch sühnen wollen, daß sie an Fest¬
tagen gegen die kirchliche Vorschrift von ihrem leichtfertigen Thun nicht abge¬
standen sind."

Im folgenden beschreibt der Verfasser dann die Austreibung des Todes
am Sonntag Lätare, die Feier des Osterfestes und die Kirchweihfeste, „zu denen
die jungeu Bursche aus den Nachbarorten scharenweise, nicht die Kirche, aber
den Tanzplatz aufzusuchen, mit Waffen und Musik herzukommen, wie zur
Feldschlacht, die sie denn much öfters vorfinden oder auch in Szene setzen, um
daun mit blutigen Köpfen wieder heimzukehren." An den drei großen Bitt¬
tagen versammeln sich die Glieder der Kirchensprengel in den Kirchen, „dort
singen sie nicht zusammen und die gleiche Melodie, sondern die einzelnen Ab¬
teilungen (oru<Zk8) singen jede ihre besondre; Jungfrauen und Jünglinge sind
prächtig gekleidet, alle haben das Haupt mit Laubkränzen geschmückt und tragen
Stäbe von Weidenholz. Die Geistlichen stehen dabei und achten sorgfältig auf
den Gesang der einzelnen Abteilungen, und derjenigen, deren Gesang ihnen lieb¬
licher als der der andern dünkt, erkennen sie nach alter Sitte einige Schalen
Wein zu." Nur kurz werden die Gebräuche am Pfingstfest und die Vorgänge
am Se. Urbanstag berührt.

„In der Nacht zum Johannestag — heißt es dann weiter — werden fast in
allen Orten Deutschlands Feuerstöße hergerichtet, bei welchen Jung und Alt
sich versammelt. Alles singt und tanzt und beobachtet viele abergläubische Ge¬
bräuche; bekränzt mit Beifuß und Eisenkraut, halten sie in der Hand Blumen,
die wegen ihrer Ähnlichkeit mit einem Sporn Rittersporen genannt werden,
und blicken nur durch diese das Feuer um; dadurch meinen sie das Auge fürs
ganze Jahr vor Krankheit zu bewahren. Wer fortgehen will, wirft seinen
Kranz mit den Worten ins Feuer: Weg damit, all mein Unglück mag damit
verbrennen! In derselben Zeit werden eine Art Töpfe aus Thon verfertigt,
so vielfach durchlöchert, daß die Teile kaum zusammenhalten, die kaufen die
Mädchen, überziehen sie mit purpurrotem Blättern, setzen ein Licht hinein und
hängen sie als Laterne vom Dache des Hauses herunter. Gleichzeitig bringen
die Bursche ganze Fichten in die Ortschaften herein, hauen die untern Äste
ab und schmücken die obern mit glitzernden Glasstücken, Blumenguirlanden und
schimmernden Goldblättchen aus, den in der Erde befestigten Baum lassen sie
so während des ganzen Sommers stehen.*)



*) I°un<z tswxoris u-äoloscontos xs-M tot»s xlnus ilikorunt, quiZ-rum iQkvrioi'iblls ramis
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[0667] lVeihnachtsbräuche in der Reformationszeit. soviel ihrer während des Jahres zum Reigen gegangen, werden von den Burschen zusammengeholt, anstatt der Pferde vor einen Pflug gespannt und mit einem Flötenblüser, der anf dem Pflug sitzend seine Weisen erschallen läßt, nach einem Fluß oder einem Teiche geführt. Wozu das geschieht, sehe ich nicht recht ein, ich müßte denn annehmen, daß sie hierdurch sühnen wollen, daß sie an Fest¬ tagen gegen die kirchliche Vorschrift von ihrem leichtfertigen Thun nicht abge¬ standen sind." Im folgenden beschreibt der Verfasser dann die Austreibung des Todes am Sonntag Lätare, die Feier des Osterfestes und die Kirchweihfeste, „zu denen die jungeu Bursche aus den Nachbarorten scharenweise, nicht die Kirche, aber den Tanzplatz aufzusuchen, mit Waffen und Musik herzukommen, wie zur Feldschlacht, die sie denn much öfters vorfinden oder auch in Szene setzen, um daun mit blutigen Köpfen wieder heimzukehren." An den drei großen Bitt¬ tagen versammeln sich die Glieder der Kirchensprengel in den Kirchen, „dort singen sie nicht zusammen und die gleiche Melodie, sondern die einzelnen Ab¬ teilungen (oru<Zk8) singen jede ihre besondre; Jungfrauen und Jünglinge sind prächtig gekleidet, alle haben das Haupt mit Laubkränzen geschmückt und tragen Stäbe von Weidenholz. Die Geistlichen stehen dabei und achten sorgfältig auf den Gesang der einzelnen Abteilungen, und derjenigen, deren Gesang ihnen lieb¬ licher als der der andern dünkt, erkennen sie nach alter Sitte einige Schalen Wein zu." Nur kurz werden die Gebräuche am Pfingstfest und die Vorgänge am Se. Urbanstag berührt. „In der Nacht zum Johannestag — heißt es dann weiter — werden fast in allen Orten Deutschlands Feuerstöße hergerichtet, bei welchen Jung und Alt sich versammelt. Alles singt und tanzt und beobachtet viele abergläubische Ge¬ bräuche; bekränzt mit Beifuß und Eisenkraut, halten sie in der Hand Blumen, die wegen ihrer Ähnlichkeit mit einem Sporn Rittersporen genannt werden, und blicken nur durch diese das Feuer um; dadurch meinen sie das Auge fürs ganze Jahr vor Krankheit zu bewahren. Wer fortgehen will, wirft seinen Kranz mit den Worten ins Feuer: Weg damit, all mein Unglück mag damit verbrennen! In derselben Zeit werden eine Art Töpfe aus Thon verfertigt, so vielfach durchlöchert, daß die Teile kaum zusammenhalten, die kaufen die Mädchen, überziehen sie mit purpurrotem Blättern, setzen ein Licht hinein und hängen sie als Laterne vom Dache des Hauses herunter. Gleichzeitig bringen die Bursche ganze Fichten in die Ortschaften herein, hauen die untern Äste ab und schmücken die obern mit glitzernden Glasstücken, Blumenguirlanden und schimmernden Goldblättchen aus, den in der Erde befestigten Baum lassen sie so während des ganzen Sommers stehen.*) *) I°un<z tswxoris u-äoloscontos xs-M tot»s xlnus ilikorunt, quiZ-rum iQkvrioi'iblls ramis u.bsovtis, suxsi'ivros sxooulis, vitris, sortis drkotöolisimz Zx^mUviuitidus sxamiint, »rdorom

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/667>, abgerufen am 29.06.2024.