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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Das deutsche Hans.

Abstammung mit den griechischen und römischen Hausformen zu denken. Was
die arische Haussorm betrifft, so folgert Henning aus einem im Auszuge mit¬
geteilten Hymnus des Atharvnveda, daß das besungene arische Hans sowohl
Wohngemächer wie Wirtschnftsränme umfaßt habe, deren Aufzählung um die
Form des ostdeutschen Hauses erinnere: vorn am Giebel eine Vorhalle, zum
Teil zu einer Vorratskammer ausgebildet, dahinter der Herdrnum, der gemein¬
same Aufenthalt aller Bewohner, im Innersten das Frauengemach. Ebenso lag
im Auaktenhause der homerischen Zeit hinter dem Megnron die Frauenabteilung,
und in der nordischen Halle am hintersten Teile des Saales ein besondrer für
die Frauen abgetrennter Raum Unter dem hohen Dache befand fich vielleicht
ein Boden, auf welchem das Korn aufbewahrt wurde. Diese Ähnlichkeiten der arischen
mit den deutschen, griechischen und römischen Hansfvrmen weisen deutlich auf den
gemeinsamen Ursprung hin, wogegen die Abweichungen vornehmlich in deu volks¬
tümlichen und örtlichen Verhältnissen begründet sind.

Nun machen die Abweichungen von der Urform meist gerade das charak¬
teristische der Hansfvrmen eines Volkes oder Landes ans, nnr sie sind es,
welche der Form das besondre, universell eigentümliche Gepräge vor andern
Formen geben. Folglich kann es nnr richtig gehandelt sein, wenn man, un¬
geachtet der gemeinsamen Abstammung, für die wesentlichen charakteristischen Ab¬
weichungen einen eignen Entstehungsgrund annimmt, sie als eigentümliche Formen
behandelt, und so auch für die deutschen Bnuernhnnser bei ihren so hervor¬
tretenden Abweichungen nutereiunnder wie gegenüber andern Formen besondre
Entstehung annimmt. Man wird dann mit Henning zu dem Schlüsse gelangen,
daß unser Bcuiernhans eine rein deutsche, aber freilich auch die einzige architek¬
tonische Schöpfung Deutschlands ist, welche rein auf nationalem Gründe wurzelt.

Die nordische.Hausform -- um mit dieser der ursprünglichen Gestalt wohl
am nächsten liegenden zu beginnen -- zeigt in Norwegen, in ihren einfachsten
Beispielen, einen im Innern ungeteilten Raum von fast quadratischer Gestalt,
vor welchem sich zum Schutze gegen Wind und Wetter noch eine Vorhalle an
der Breitseite befindet. In der Mitte des Hanfes ist der Herd errichtet; das
darüber im Dach angebrachte Rauchloch, dnrch eine Klappe verschließbar, läßt
zugleich das Licht ins Innere eindringen. Diese Form ist in einzelnen Land¬
strichen mehr oder weniger verändert worden, z. V. dadurch, daß die Vorhalle
ebenfalls mit Wciuden versehen und ein Teil derselben als Vorratskammer ab¬
getrennt wurde; in einige" Stifte" (Gudbrnndsdalen, Akershus) ist die Vorhalle
a" der Langseite augelegt wordeu. In: Jnnern erscheint hie und da vou dem
qnndratischen Raum el"e nicht selten selbst wieder geteilte Kammer abgesondert.
Eine schon im 11. Jahrhundert vorkommende Erweiterung bestand ferner darin,
daß über der Kammer oder über der Vorhalle ein stockhoher, thurmartiger
Aufsatz, zu welchem vou außen eine Treppe emporführte, die sogenannte Ramloft-
ftube, Opstugn, Varfrostube angebracht wurde. Diese Ramloftstube ist nicht


Das deutsche Hans.

Abstammung mit den griechischen und römischen Hausformen zu denken. Was
die arische Haussorm betrifft, so folgert Henning aus einem im Auszuge mit¬
geteilten Hymnus des Atharvnveda, daß das besungene arische Hans sowohl
Wohngemächer wie Wirtschnftsränme umfaßt habe, deren Aufzählung um die
Form des ostdeutschen Hauses erinnere: vorn am Giebel eine Vorhalle, zum
Teil zu einer Vorratskammer ausgebildet, dahinter der Herdrnum, der gemein¬
same Aufenthalt aller Bewohner, im Innersten das Frauengemach. Ebenso lag
im Auaktenhause der homerischen Zeit hinter dem Megnron die Frauenabteilung,
und in der nordischen Halle am hintersten Teile des Saales ein besondrer für
die Frauen abgetrennter Raum Unter dem hohen Dache befand fich vielleicht
ein Boden, auf welchem das Korn aufbewahrt wurde. Diese Ähnlichkeiten der arischen
mit den deutschen, griechischen und römischen Hansfvrmen weisen deutlich auf den
gemeinsamen Ursprung hin, wogegen die Abweichungen vornehmlich in deu volks¬
tümlichen und örtlichen Verhältnissen begründet sind.

Nun machen die Abweichungen von der Urform meist gerade das charak¬
teristische der Hansfvrmen eines Volkes oder Landes ans, nnr sie sind es,
welche der Form das besondre, universell eigentümliche Gepräge vor andern
Formen geben. Folglich kann es nnr richtig gehandelt sein, wenn man, un¬
geachtet der gemeinsamen Abstammung, für die wesentlichen charakteristischen Ab¬
weichungen einen eignen Entstehungsgrund annimmt, sie als eigentümliche Formen
behandelt, und so auch für die deutschen Bnuernhnnser bei ihren so hervor¬
tretenden Abweichungen nutereiunnder wie gegenüber andern Formen besondre
Entstehung annimmt. Man wird dann mit Henning zu dem Schlüsse gelangen,
daß unser Bcuiernhans eine rein deutsche, aber freilich auch die einzige architek¬
tonische Schöpfung Deutschlands ist, welche rein auf nationalem Gründe wurzelt.

Die nordische.Hausform — um mit dieser der ursprünglichen Gestalt wohl
am nächsten liegenden zu beginnen — zeigt in Norwegen, in ihren einfachsten
Beispielen, einen im Innern ungeteilten Raum von fast quadratischer Gestalt,
vor welchem sich zum Schutze gegen Wind und Wetter noch eine Vorhalle an
der Breitseite befindet. In der Mitte des Hanfes ist der Herd errichtet; das
darüber im Dach angebrachte Rauchloch, dnrch eine Klappe verschließbar, läßt
zugleich das Licht ins Innere eindringen. Diese Form ist in einzelnen Land¬
strichen mehr oder weniger verändert worden, z. V. dadurch, daß die Vorhalle
ebenfalls mit Wciuden versehen und ein Teil derselben als Vorratskammer ab¬
getrennt wurde; in einige» Stifte» (Gudbrnndsdalen, Akershus) ist die Vorhalle
a» der Langseite augelegt wordeu. In: Jnnern erscheint hie und da vou dem
qnndratischen Raum el»e nicht selten selbst wieder geteilte Kammer abgesondert.
Eine schon im 11. Jahrhundert vorkommende Erweiterung bestand ferner darin,
daß über der Kammer oder über der Vorhalle ein stockhoher, thurmartiger
Aufsatz, zu welchem vou außen eine Treppe emporführte, die sogenannte Ramloft-
ftube, Opstugn, Varfrostube angebracht wurde. Diese Ramloftstube ist nicht


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[0646] Das deutsche Hans. Abstammung mit den griechischen und römischen Hausformen zu denken. Was die arische Haussorm betrifft, so folgert Henning aus einem im Auszuge mit¬ geteilten Hymnus des Atharvnveda, daß das besungene arische Hans sowohl Wohngemächer wie Wirtschnftsränme umfaßt habe, deren Aufzählung um die Form des ostdeutschen Hauses erinnere: vorn am Giebel eine Vorhalle, zum Teil zu einer Vorratskammer ausgebildet, dahinter der Herdrnum, der gemein¬ same Aufenthalt aller Bewohner, im Innersten das Frauengemach. Ebenso lag im Auaktenhause der homerischen Zeit hinter dem Megnron die Frauenabteilung, und in der nordischen Halle am hintersten Teile des Saales ein besondrer für die Frauen abgetrennter Raum Unter dem hohen Dache befand fich vielleicht ein Boden, auf welchem das Korn aufbewahrt wurde. Diese Ähnlichkeiten der arischen mit den deutschen, griechischen und römischen Hansfvrmen weisen deutlich auf den gemeinsamen Ursprung hin, wogegen die Abweichungen vornehmlich in deu volks¬ tümlichen und örtlichen Verhältnissen begründet sind. Nun machen die Abweichungen von der Urform meist gerade das charak¬ teristische der Hansfvrmen eines Volkes oder Landes ans, nnr sie sind es, welche der Form das besondre, universell eigentümliche Gepräge vor andern Formen geben. Folglich kann es nnr richtig gehandelt sein, wenn man, un¬ geachtet der gemeinsamen Abstammung, für die wesentlichen charakteristischen Ab¬ weichungen einen eignen Entstehungsgrund annimmt, sie als eigentümliche Formen behandelt, und so auch für die deutschen Bnuernhnnser bei ihren so hervor¬ tretenden Abweichungen nutereiunnder wie gegenüber andern Formen besondre Entstehung annimmt. Man wird dann mit Henning zu dem Schlüsse gelangen, daß unser Bcuiernhans eine rein deutsche, aber freilich auch die einzige architek¬ tonische Schöpfung Deutschlands ist, welche rein auf nationalem Gründe wurzelt. Die nordische.Hausform — um mit dieser der ursprünglichen Gestalt wohl am nächsten liegenden zu beginnen — zeigt in Norwegen, in ihren einfachsten Beispielen, einen im Innern ungeteilten Raum von fast quadratischer Gestalt, vor welchem sich zum Schutze gegen Wind und Wetter noch eine Vorhalle an der Breitseite befindet. In der Mitte des Hanfes ist der Herd errichtet; das darüber im Dach angebrachte Rauchloch, dnrch eine Klappe verschließbar, läßt zugleich das Licht ins Innere eindringen. Diese Form ist in einzelnen Land¬ strichen mehr oder weniger verändert worden, z. V. dadurch, daß die Vorhalle ebenfalls mit Wciuden versehen und ein Teil derselben als Vorratskammer ab¬ getrennt wurde; in einige» Stifte» (Gudbrnndsdalen, Akershus) ist die Vorhalle a» der Langseite augelegt wordeu. In: Jnnern erscheint hie und da vou dem qnndratischen Raum el»e nicht selten selbst wieder geteilte Kammer abgesondert. Eine schon im 11. Jahrhundert vorkommende Erweiterung bestand ferner darin, daß über der Kammer oder über der Vorhalle ein stockhoher, thurmartiger Aufsatz, zu welchem vou außen eine Treppe emporführte, die sogenannte Ramloft- ftube, Opstugn, Varfrostube angebracht wurde. Diese Ramloftstube ist nicht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/646>, abgerufen am 01.07.2024.