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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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von außen aufgesetzt, sondern von innen heraus entwickelt; daher hat sie sich
anch uicht zu einem völligen obern Stockwerke erweitert. Würde mehr Platz
gebraucht, so wurde dieser meist durch Unfügen andrer, durch Gänge verbundener
Gebäude geschafft. Daher bestehen öfters die Wohnungen aus mehreren Wohn¬
häusern, welche teils mit den Langseiten, teils mit den Giebelfelder aneinander
stoßen, zuweilen sogar in einer einheitlichen Konstruktion zusammengefaßt sind.
Erst später ist man zur Hinzufügung eines Oberstocks vorgeschritten.

Auch die ostdeutsche Hausform, von Posen bis nach den Karpathen hin zu
beobachte,,, zeigt in ihrem vordem Teile an der Giebelseite eine bald offene,
bald von Wänden umgebene Vorhalle, dahinter die Flur, an welche in der
Mitte des Hauses die Wohnstube mit Herd, Backofen und Bett stößt; an der
andern Giebelseite, von der Wohnstube durch eine über die ganze Breite des
Hauses sich erstreckende Kammer getrennt, liegt der Stall. In der Anordnung
und der Verwendung des Hauses lind der Vorhalle ergiebt sich die gleiche
Grundform wie beim nordischen Hause. Henning folgert aus dem Umstände,
daß beide Formen danach wohl eine längere gemeinsame Entwicklung durch¬
gemacht haben müssen, weiter, daß die Nordländer und deren nächste Verwandte,
die Vandilier, zusammen in der Heimat des ostdeutschen Hauses sich aufgehalten
haben müssen, bevor sie sich an der Ostseeküste ausbreiteten und ihre neue
Heimat besiedelten.

Weiter nach Westen treten hauptsächlich zwei Hausformcn hervor, die
fränkisch-oberdeutsche und die sächsische. Die erstere, die verbreiterte, findet sich
am Rhein, in Mittel- und Süddentschland, die letztere nördlich davon. Nach
den Untersuchungen Meitzens zieht sich die Grenze zwischen beiden Hausfvrmen
von der Maas bei Veuloo östlich bis zur Ruhr, an der Ruhr Humus bis zur
westfälische" Greuze, auf dieser bis zum Rvthaargebirge; südlich von Olpe
geht sie auf der alten fränkisch-sächsischen Grenze bis nach Astenberg, von hier
über die alten Grenzfesten Sachsenburg und Sachseuhauseu sowie über Zierenberg
nach Münden; jenseits der Weser läuft sie nordwärts bis Hildesheim und sodann
südlich vom Lüneburger und altmärkischen Wendenlande nach der Elbe etwa in
der Gegend von Tangermünde. Weiter unes Osten wird die Greuze undeut¬
licher; es treten auch bloße Enklaven der sächsischen Hausform, besonders in
der Kolberger nud Stolper Gegend, sowie auf Rügen hervor.

Beide Hansfvrmen unterscheiden sich sehr bedeutend. Das fränkisch-ober¬
deutsche Haus ist in der Hauptsache ein Wohnhaus, das bei beschränktem Areale
in Mittel- und Süddeutschland oft Stockwerke aufgesetzt erhält, um deu nötigen
Raum zu gewinnen, während die Stallungen und Scheunen meist in besondern
Hvfgebäuden, die den hier besonders entwickelten Hof vollständig umschließen,
dagegen selten und zwar nur beschränkt und in abgeschlossenen Nebenräumen
im Hanse selbst sich befinden. Das sächsische Halts vereinigt unter einem Dache
Wohn- und Wirtschaftsraum.


von außen aufgesetzt, sondern von innen heraus entwickelt; daher hat sie sich
anch uicht zu einem völligen obern Stockwerke erweitert. Würde mehr Platz
gebraucht, so wurde dieser meist durch Unfügen andrer, durch Gänge verbundener
Gebäude geschafft. Daher bestehen öfters die Wohnungen aus mehreren Wohn¬
häusern, welche teils mit den Langseiten, teils mit den Giebelfelder aneinander
stoßen, zuweilen sogar in einer einheitlichen Konstruktion zusammengefaßt sind.
Erst später ist man zur Hinzufügung eines Oberstocks vorgeschritten.

Auch die ostdeutsche Hausform, von Posen bis nach den Karpathen hin zu
beobachte,,, zeigt in ihrem vordem Teile an der Giebelseite eine bald offene,
bald von Wänden umgebene Vorhalle, dahinter die Flur, an welche in der
Mitte des Hauses die Wohnstube mit Herd, Backofen und Bett stößt; an der
andern Giebelseite, von der Wohnstube durch eine über die ganze Breite des
Hauses sich erstreckende Kammer getrennt, liegt der Stall. In der Anordnung
und der Verwendung des Hauses lind der Vorhalle ergiebt sich die gleiche
Grundform wie beim nordischen Hause. Henning folgert aus dem Umstände,
daß beide Formen danach wohl eine längere gemeinsame Entwicklung durch¬
gemacht haben müssen, weiter, daß die Nordländer und deren nächste Verwandte,
die Vandilier, zusammen in der Heimat des ostdeutschen Hauses sich aufgehalten
haben müssen, bevor sie sich an der Ostseeküste ausbreiteten und ihre neue
Heimat besiedelten.

Weiter nach Westen treten hauptsächlich zwei Hausformcn hervor, die
fränkisch-oberdeutsche und die sächsische. Die erstere, die verbreiterte, findet sich
am Rhein, in Mittel- und Süddentschland, die letztere nördlich davon. Nach
den Untersuchungen Meitzens zieht sich die Grenze zwischen beiden Hausfvrmen
von der Maas bei Veuloo östlich bis zur Ruhr, an der Ruhr Humus bis zur
westfälische« Greuze, auf dieser bis zum Rvthaargebirge; südlich von Olpe
geht sie auf der alten fränkisch-sächsischen Grenze bis nach Astenberg, von hier
über die alten Grenzfesten Sachsenburg und Sachseuhauseu sowie über Zierenberg
nach Münden; jenseits der Weser läuft sie nordwärts bis Hildesheim und sodann
südlich vom Lüneburger und altmärkischen Wendenlande nach der Elbe etwa in
der Gegend von Tangermünde. Weiter unes Osten wird die Greuze undeut¬
licher; es treten auch bloße Enklaven der sächsischen Hausform, besonders in
der Kolberger nud Stolper Gegend, sowie auf Rügen hervor.

Beide Hansfvrmen unterscheiden sich sehr bedeutend. Das fränkisch-ober¬
deutsche Haus ist in der Hauptsache ein Wohnhaus, das bei beschränktem Areale
in Mittel- und Süddeutschland oft Stockwerke aufgesetzt erhält, um deu nötigen
Raum zu gewinnen, während die Stallungen und Scheunen meist in besondern
Hvfgebäuden, die den hier besonders entwickelten Hof vollständig umschließen,
dagegen selten und zwar nur beschränkt und in abgeschlossenen Nebenräumen
im Hanse selbst sich befinden. Das sächsische Halts vereinigt unter einem Dache
Wohn- und Wirtschaftsraum.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/647>, abgerufen am 01.07.2024.