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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Die Fischerin von Malamocco.

stehen allstündlich in Gottes Hund, und keine nächste Stunde ist uns gewiß,
meine Tochter. Traust du dir die Kraft zu, von heut an nie wieder nach deiner
alten Heimat zu verklagen und dich für dein Leben mit dein zu bescheiden, was
du hier gesunden hast, so darf ich dir die Fahrt nach der Klosterkirche wohl
erlassen. Bist du aber gesinnt, wie es mir heute Morgen schien, so°ists meine
Pflicht, dich auf diesen Pfad zu weisen, auf dem wir vielleicht, ich sage
vielleicht, Margherita, mit Gottes Hilfe ein wenig Licht gewinnen, was wir
fernerhin thun sollen. Hier führt der nächste Weg nach dem Flecken hinüber,
hier trennen sich für heute unsre Pfade. Willst du befolgen, was ich dir rate,
so laß dich morgen um Sonnenaufgang bei Battista dem Fährmann finden.
Ich werde bereit sein, dich zum Antvninskloster zu geleiten. Erwarte nichts
mehr, Margherita, als daß uns vielleicht eine Spur wird, ob die Deinen in
Deutschland je nach dir gefragt und gesucht haben! Schlaf wohl, meine Tochter,
und wenn du wenig Schlummer finden kannst, so bitte Gott, daß er dir ein
reines Herz schaffe und erhalte!

Pater Girolamo blickte nochmals fragend auf Margherita, welche zitternd
lieben ihm stand. Unter hervvrstnrzenden Thränen rief sie lant: Ihr seid gut,
Vater Girolamo, ihr sorgt liebevoll sür mich Arme! Ich werde uicht fehlen
in der Morgenfrühe. Dann stand sie still und sah dem greifen Priester nach,
der ihr noch von fern einen mild ermutigenden Gruß zuwinkte und rüstigen
Schrittes nach Malamveeo hinübereilte. Die Luft wehte heut ein wenig kühler
als am Abend zuvor, über dem Meere im Osten ward es schon Nacht, aber dort
im Westen, wo man von dieser Stelle des Weges die goldnen Kuppeln der Samt
Mnreuskirche und den farbigen Wasserspiegel der Jnnenlagune herüberglänzen
sah, schien der Himmel wie in Purpur getaucht. Unruhig sehnsüchtig sah das
junge Weib in die zauberische Glut, welche bis über die dunklen Bergzüge im
Norden hinfloß. Das Wort Pater Girolamos, daß vielleicht ans der Heimat,
welche sie im kindischen Drange verlassen, nach ihr geforscht worden sei, hatte
sie mächtig ergriffen, und wenn sie jemals Tonlos nicht gedacht hatte, so war
es zu dieser Stunde und in der nächstfolgenden. Margherita kehrte endlich zu
ihrer Hütte an der Düne zurück, aber bis tief in die Nacht hinein saß sie auf
den Steinen unter dem Vordach und träumte von vergangenen Tagen. Wirre
Bilder der künftigen Zeit zogen dabei dnrch ihr Hirn, und mitten in allen stand
ein hoher stolzer Mann in ritterlicher Tracht, dessen blane Angen den ihren
glichen und die sie immer mit schmerzlichem Blick ans sich gerichtet sah.

In Mareantons Hütte ward auch in dieser Nacht der hölzerne Laden nicht
geschlossen, die einsame junge Fran hatte sich, Pater Girolamos Mahnung ein¬
gedenk, endlich auf das Lager gestreckt und war, so pochenden Herzens sie nach
dem Morgen verlangt hatte, doch entschlummert. Als sie wieder erwachte, war es
freilich noch längst nicht Margen, der Mond schien voll und hell, wie in ver-
wichener Nacht in das Gemach herein, und Margherita kounte. sobald sie sich


Ärcuzliotcu IV. 7!)
Die Fischerin von Malamocco.

stehen allstündlich in Gottes Hund, und keine nächste Stunde ist uns gewiß,
meine Tochter. Traust du dir die Kraft zu, von heut an nie wieder nach deiner
alten Heimat zu verklagen und dich für dein Leben mit dein zu bescheiden, was
du hier gesunden hast, so darf ich dir die Fahrt nach der Klosterkirche wohl
erlassen. Bist du aber gesinnt, wie es mir heute Morgen schien, so°ists meine
Pflicht, dich auf diesen Pfad zu weisen, auf dem wir vielleicht, ich sage
vielleicht, Margherita, mit Gottes Hilfe ein wenig Licht gewinnen, was wir
fernerhin thun sollen. Hier führt der nächste Weg nach dem Flecken hinüber,
hier trennen sich für heute unsre Pfade. Willst du befolgen, was ich dir rate,
so laß dich morgen um Sonnenaufgang bei Battista dem Fährmann finden.
Ich werde bereit sein, dich zum Antvninskloster zu geleiten. Erwarte nichts
mehr, Margherita, als daß uns vielleicht eine Spur wird, ob die Deinen in
Deutschland je nach dir gefragt und gesucht haben! Schlaf wohl, meine Tochter,
und wenn du wenig Schlummer finden kannst, so bitte Gott, daß er dir ein
reines Herz schaffe und erhalte!

Pater Girolamo blickte nochmals fragend auf Margherita, welche zitternd
lieben ihm stand. Unter hervvrstnrzenden Thränen rief sie lant: Ihr seid gut,
Vater Girolamo, ihr sorgt liebevoll sür mich Arme! Ich werde uicht fehlen
in der Morgenfrühe. Dann stand sie still und sah dem greifen Priester nach,
der ihr noch von fern einen mild ermutigenden Gruß zuwinkte und rüstigen
Schrittes nach Malamveeo hinübereilte. Die Luft wehte heut ein wenig kühler
als am Abend zuvor, über dem Meere im Osten ward es schon Nacht, aber dort
im Westen, wo man von dieser Stelle des Weges die goldnen Kuppeln der Samt
Mnreuskirche und den farbigen Wasserspiegel der Jnnenlagune herüberglänzen
sah, schien der Himmel wie in Purpur getaucht. Unruhig sehnsüchtig sah das
junge Weib in die zauberische Glut, welche bis über die dunklen Bergzüge im
Norden hinfloß. Das Wort Pater Girolamos, daß vielleicht ans der Heimat,
welche sie im kindischen Drange verlassen, nach ihr geforscht worden sei, hatte
sie mächtig ergriffen, und wenn sie jemals Tonlos nicht gedacht hatte, so war
es zu dieser Stunde und in der nächstfolgenden. Margherita kehrte endlich zu
ihrer Hütte an der Düne zurück, aber bis tief in die Nacht hinein saß sie auf
den Steinen unter dem Vordach und träumte von vergangenen Tagen. Wirre
Bilder der künftigen Zeit zogen dabei dnrch ihr Hirn, und mitten in allen stand
ein hoher stolzer Mann in ritterlicher Tracht, dessen blane Angen den ihren
glichen und die sie immer mit schmerzlichem Blick ans sich gerichtet sah.

In Mareantons Hütte ward auch in dieser Nacht der hölzerne Laden nicht
geschlossen, die einsame junge Fran hatte sich, Pater Girolamos Mahnung ein¬
gedenk, endlich auf das Lager gestreckt und war, so pochenden Herzens sie nach
dem Morgen verlangt hatte, doch entschlummert. Als sie wieder erwachte, war es
freilich noch längst nicht Margen, der Mond schien voll und hell, wie in ver-
wichener Nacht in das Gemach herein, und Margherita kounte. sobald sie sich


Ärcuzliotcu IV. 7!)
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[0629] Die Fischerin von Malamocco. stehen allstündlich in Gottes Hund, und keine nächste Stunde ist uns gewiß, meine Tochter. Traust du dir die Kraft zu, von heut an nie wieder nach deiner alten Heimat zu verklagen und dich für dein Leben mit dein zu bescheiden, was du hier gesunden hast, so darf ich dir die Fahrt nach der Klosterkirche wohl erlassen. Bist du aber gesinnt, wie es mir heute Morgen schien, so°ists meine Pflicht, dich auf diesen Pfad zu weisen, auf dem wir vielleicht, ich sage vielleicht, Margherita, mit Gottes Hilfe ein wenig Licht gewinnen, was wir fernerhin thun sollen. Hier führt der nächste Weg nach dem Flecken hinüber, hier trennen sich für heute unsre Pfade. Willst du befolgen, was ich dir rate, so laß dich morgen um Sonnenaufgang bei Battista dem Fährmann finden. Ich werde bereit sein, dich zum Antvninskloster zu geleiten. Erwarte nichts mehr, Margherita, als daß uns vielleicht eine Spur wird, ob die Deinen in Deutschland je nach dir gefragt und gesucht haben! Schlaf wohl, meine Tochter, und wenn du wenig Schlummer finden kannst, so bitte Gott, daß er dir ein reines Herz schaffe und erhalte! Pater Girolamo blickte nochmals fragend auf Margherita, welche zitternd lieben ihm stand. Unter hervvrstnrzenden Thränen rief sie lant: Ihr seid gut, Vater Girolamo, ihr sorgt liebevoll sür mich Arme! Ich werde uicht fehlen in der Morgenfrühe. Dann stand sie still und sah dem greifen Priester nach, der ihr noch von fern einen mild ermutigenden Gruß zuwinkte und rüstigen Schrittes nach Malamveeo hinübereilte. Die Luft wehte heut ein wenig kühler als am Abend zuvor, über dem Meere im Osten ward es schon Nacht, aber dort im Westen, wo man von dieser Stelle des Weges die goldnen Kuppeln der Samt Mnreuskirche und den farbigen Wasserspiegel der Jnnenlagune herüberglänzen sah, schien der Himmel wie in Purpur getaucht. Unruhig sehnsüchtig sah das junge Weib in die zauberische Glut, welche bis über die dunklen Bergzüge im Norden hinfloß. Das Wort Pater Girolamos, daß vielleicht ans der Heimat, welche sie im kindischen Drange verlassen, nach ihr geforscht worden sei, hatte sie mächtig ergriffen, und wenn sie jemals Tonlos nicht gedacht hatte, so war es zu dieser Stunde und in der nächstfolgenden. Margherita kehrte endlich zu ihrer Hütte an der Düne zurück, aber bis tief in die Nacht hinein saß sie auf den Steinen unter dem Vordach und träumte von vergangenen Tagen. Wirre Bilder der künftigen Zeit zogen dabei dnrch ihr Hirn, und mitten in allen stand ein hoher stolzer Mann in ritterlicher Tracht, dessen blane Angen den ihren glichen und die sie immer mit schmerzlichem Blick ans sich gerichtet sah. In Mareantons Hütte ward auch in dieser Nacht der hölzerne Laden nicht geschlossen, die einsame junge Fran hatte sich, Pater Girolamos Mahnung ein¬ gedenk, endlich auf das Lager gestreckt und war, so pochenden Herzens sie nach dem Morgen verlangt hatte, doch entschlummert. Als sie wieder erwachte, war es freilich noch längst nicht Margen, der Mond schien voll und hell, wie in ver- wichener Nacht in das Gemach herein, und Margherita kounte. sobald sie sich Ärcuzliotcu IV. 7!)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/629>, abgerufen am 01.07.2024.