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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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sprach ohne Umschweife: Ich bin mit deinem Weibe gekommen, Tonio, weil ich ihr
einen geistlichen Rat zu geben habe. Dn weißt, daß sie mir heute gebeichtet
hat, ich aber mußte erst bedenken, was ich ihr für den Frieden ihrer Seele auf¬
erlegen sollte. Nun habe ich ihr eben geraten, und so du einwilligst, gebiete ich
ihr, morgen früh in der Antoniuskirche auf der Giudecca die Messe zu hören
und darnach einen Rosenkranz zu beten.

Ich wüßte nicht, Pater Girolamo, daß ich mein Weib jemals am Beten
gehindert, versetzte Tonio empfindlich. Ihm war zu gleicher Zeit der angstvoll
erwartende Ausdruck in Margheritas Gesicht und der höhnische, der Vater Marevs
Mund umspielte, aufgefallen. Margherita soll auch nach der Giudecca wall¬
fahrten, wenn Ihr das für gut haltet, und ich wünsche nichts, als daß sie zurück¬
kehrt wie von Euch! Gute Nacht, Margherita, ich werde dich kaum mehr finden,
wenn ich bei Morgengrauen von der See komme, und es wird spät am Tage
werden, bis du daheim bist. Ich danke Euch, hochwürdiger Herr, daß Ihr meinem
Weibe nicht eine längere Wallfahrt auferlegt habt.

Wozu sollte er auch! schrie der alte Marco auf. Zu dem neuen Kloster
und den Wunderbrüdern drüben fahren ja, wie ich mir habe erzählen lassen,
Prinzessinnen und Edeldamen aus fernen Landen; wenn Ghika ihre Sünden dort
bereuen kann, wirds ihr besonders Wohlgefallen und wohlthun!

Ein strafender Blick Pater Girolamos schloß dein polternden Fischer den
Mund. Margherita hatte zu Boden geblickt, um ihr Erglühen nicht sichtbar
werden zu lassen. Marcantvn sah wohl, wie sich ihre Wangen färbten, und
suchte mit einem bittenden Lächeln den Hohn des Alten zu sühnen. Er reichte
ihr, schon nach seiner Arbeit zurückblickend, nochmals die Hand, während Pater
Girolamo das Zeichen des Kreuzes über den Alten und seine Söhne machte
und zu Tonio sagte: Du hast recht gethan, mein Sohn, dein Weib an der
kurzen Fahrt nicht zu hindern, ich hoffe, sie soll dir und ihr zum Heil ge¬
reichen.

Und wieder lauschte Margherita gespannt auf, im kurzen Wort des Priesters
war ein Klang, der sie wundersam und ahnungsvoll berührte. Sie hielt Tonlos
Hand in der ihren, es war ihr nie so schwer geworden, von ihrem Mann zu
gehen, als in diesem Augenblick. Selbst als Tonio wieder nach Axt und Schlägel
griff und Pater Girolamo sie hinwegwinkte, folgte sie nur zögernd, mit wankenden
Tritten. Sie sah Tonlos Kopf auf den Rand des Bootes gebeugt, um dein die
Männer arbeiteten, sie konnte vom Uferpfad aus nur sein schwarzes Lockenhnar,
nicht sein Auge, seine Züge mehr wahrnehmen. Sie nahm einen kurzen Anlauf, den
Pater einzuholen, war plötzlich neben ihm und stand hochatinend wiederum still:
Vielleicht sollte ich nicht nach der Giudeecn gehen. Wenn ich Tonio jetzt zum
letztenmale gesehen hätte, wie vor acht Jahren meinen Vater!

Sie verstummte, aber ihre Bewegung und der angstvolle Blick, der aus
den blauen Allgen fiel, sagten dem Pfarrer genug. Mild erwiederte er: Wir


sprach ohne Umschweife: Ich bin mit deinem Weibe gekommen, Tonio, weil ich ihr
einen geistlichen Rat zu geben habe. Dn weißt, daß sie mir heute gebeichtet
hat, ich aber mußte erst bedenken, was ich ihr für den Frieden ihrer Seele auf¬
erlegen sollte. Nun habe ich ihr eben geraten, und so du einwilligst, gebiete ich
ihr, morgen früh in der Antoniuskirche auf der Giudecca die Messe zu hören
und darnach einen Rosenkranz zu beten.

Ich wüßte nicht, Pater Girolamo, daß ich mein Weib jemals am Beten
gehindert, versetzte Tonio empfindlich. Ihm war zu gleicher Zeit der angstvoll
erwartende Ausdruck in Margheritas Gesicht und der höhnische, der Vater Marevs
Mund umspielte, aufgefallen. Margherita soll auch nach der Giudecca wall¬
fahrten, wenn Ihr das für gut haltet, und ich wünsche nichts, als daß sie zurück¬
kehrt wie von Euch! Gute Nacht, Margherita, ich werde dich kaum mehr finden,
wenn ich bei Morgengrauen von der See komme, und es wird spät am Tage
werden, bis du daheim bist. Ich danke Euch, hochwürdiger Herr, daß Ihr meinem
Weibe nicht eine längere Wallfahrt auferlegt habt.

Wozu sollte er auch! schrie der alte Marco auf. Zu dem neuen Kloster
und den Wunderbrüdern drüben fahren ja, wie ich mir habe erzählen lassen,
Prinzessinnen und Edeldamen aus fernen Landen; wenn Ghika ihre Sünden dort
bereuen kann, wirds ihr besonders Wohlgefallen und wohlthun!

Ein strafender Blick Pater Girolamos schloß dein polternden Fischer den
Mund. Margherita hatte zu Boden geblickt, um ihr Erglühen nicht sichtbar
werden zu lassen. Marcantvn sah wohl, wie sich ihre Wangen färbten, und
suchte mit einem bittenden Lächeln den Hohn des Alten zu sühnen. Er reichte
ihr, schon nach seiner Arbeit zurückblickend, nochmals die Hand, während Pater
Girolamo das Zeichen des Kreuzes über den Alten und seine Söhne machte
und zu Tonio sagte: Du hast recht gethan, mein Sohn, dein Weib an der
kurzen Fahrt nicht zu hindern, ich hoffe, sie soll dir und ihr zum Heil ge¬
reichen.

Und wieder lauschte Margherita gespannt auf, im kurzen Wort des Priesters
war ein Klang, der sie wundersam und ahnungsvoll berührte. Sie hielt Tonlos
Hand in der ihren, es war ihr nie so schwer geworden, von ihrem Mann zu
gehen, als in diesem Augenblick. Selbst als Tonio wieder nach Axt und Schlägel
griff und Pater Girolamo sie hinwegwinkte, folgte sie nur zögernd, mit wankenden
Tritten. Sie sah Tonlos Kopf auf den Rand des Bootes gebeugt, um dein die
Männer arbeiteten, sie konnte vom Uferpfad aus nur sein schwarzes Lockenhnar,
nicht sein Auge, seine Züge mehr wahrnehmen. Sie nahm einen kurzen Anlauf, den
Pater einzuholen, war plötzlich neben ihm und stand hochatinend wiederum still:
Vielleicht sollte ich nicht nach der Giudeecn gehen. Wenn ich Tonio jetzt zum
letztenmale gesehen hätte, wie vor acht Jahren meinen Vater!

Sie verstummte, aber ihre Bewegung und der angstvolle Blick, der aus
den blauen Allgen fiel, sagten dem Pfarrer genug. Mild erwiederte er: Wir


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[0628] sprach ohne Umschweife: Ich bin mit deinem Weibe gekommen, Tonio, weil ich ihr einen geistlichen Rat zu geben habe. Dn weißt, daß sie mir heute gebeichtet hat, ich aber mußte erst bedenken, was ich ihr für den Frieden ihrer Seele auf¬ erlegen sollte. Nun habe ich ihr eben geraten, und so du einwilligst, gebiete ich ihr, morgen früh in der Antoniuskirche auf der Giudecca die Messe zu hören und darnach einen Rosenkranz zu beten. Ich wüßte nicht, Pater Girolamo, daß ich mein Weib jemals am Beten gehindert, versetzte Tonio empfindlich. Ihm war zu gleicher Zeit der angstvoll erwartende Ausdruck in Margheritas Gesicht und der höhnische, der Vater Marevs Mund umspielte, aufgefallen. Margherita soll auch nach der Giudecca wall¬ fahrten, wenn Ihr das für gut haltet, und ich wünsche nichts, als daß sie zurück¬ kehrt wie von Euch! Gute Nacht, Margherita, ich werde dich kaum mehr finden, wenn ich bei Morgengrauen von der See komme, und es wird spät am Tage werden, bis du daheim bist. Ich danke Euch, hochwürdiger Herr, daß Ihr meinem Weibe nicht eine längere Wallfahrt auferlegt habt. Wozu sollte er auch! schrie der alte Marco auf. Zu dem neuen Kloster und den Wunderbrüdern drüben fahren ja, wie ich mir habe erzählen lassen, Prinzessinnen und Edeldamen aus fernen Landen; wenn Ghika ihre Sünden dort bereuen kann, wirds ihr besonders Wohlgefallen und wohlthun! Ein strafender Blick Pater Girolamos schloß dein polternden Fischer den Mund. Margherita hatte zu Boden geblickt, um ihr Erglühen nicht sichtbar werden zu lassen. Marcantvn sah wohl, wie sich ihre Wangen färbten, und suchte mit einem bittenden Lächeln den Hohn des Alten zu sühnen. Er reichte ihr, schon nach seiner Arbeit zurückblickend, nochmals die Hand, während Pater Girolamo das Zeichen des Kreuzes über den Alten und seine Söhne machte und zu Tonio sagte: Du hast recht gethan, mein Sohn, dein Weib an der kurzen Fahrt nicht zu hindern, ich hoffe, sie soll dir und ihr zum Heil ge¬ reichen. Und wieder lauschte Margherita gespannt auf, im kurzen Wort des Priesters war ein Klang, der sie wundersam und ahnungsvoll berührte. Sie hielt Tonlos Hand in der ihren, es war ihr nie so schwer geworden, von ihrem Mann zu gehen, als in diesem Augenblick. Selbst als Tonio wieder nach Axt und Schlägel griff und Pater Girolamo sie hinwegwinkte, folgte sie nur zögernd, mit wankenden Tritten. Sie sah Tonlos Kopf auf den Rand des Bootes gebeugt, um dein die Männer arbeiteten, sie konnte vom Uferpfad aus nur sein schwarzes Lockenhnar, nicht sein Auge, seine Züge mehr wahrnehmen. Sie nahm einen kurzen Anlauf, den Pater einzuholen, war plötzlich neben ihm und stand hochatinend wiederum still: Vielleicht sollte ich nicht nach der Giudeecn gehen. Wenn ich Tonio jetzt zum letztenmale gesehen hätte, wie vor acht Jahren meinen Vater! Sie verstummte, aber ihre Bewegung und der angstvolle Blick, der aus den blauen Allgen fiel, sagten dem Pfarrer genug. Mild erwiederte er: Wir

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/628>, abgerufen am 01.07.2024.