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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Bie? Fischeritt vou Malcimocco.

Was wir thun, Tvnio. Du sollst nicht um meinetwillen Vater und Bruder
verlassen!

Aber ich werde es gern um deinetwillen thun, wenn du um meinetwillen
deiner Toten minder sehnsüchtig gedenken willst! rief der junge Mann mit dem
Ausdruck leidenschaftlicher Bitte in allen Zügen. Und jetzt dachte Margherita,
sie dürft nicht länger schweigen lind müsse ihm gestehen, was sie diesen Morgen
Pater Girolamo vertraut hatte. Aber während Tonio sie noch bittend anschaute
und ehe sie zu reden vermochte, wurden beide in ihrem Alleinsein gestört. Zuerst
vernahm Tvnio Geräusch und rauhes Gelächter, und als er sich umwandte, sah
er Vater Marco und zwei seiner Brüder vor seiner Hütte stehen und nach ihm
und Margherita mit so spöttischen Geberden Hinblicken, daß es ihn Mühe kostete,
ein Zürnen niederzukämpfen und den Abeudgruß freundlich entgegenzurufeu.
Dann erblickte Margherita, als sie den lachenden Mienen ihrer Schwäger aus¬
wich, auf demselben Pfade, auf dein vorhin Tonio heimgekehrt war, eine be¬
kannte Gestalt -- Pater Girolamo. Der Pfarrer von Malamvccv pflegte sich
zwar manchen Abend längs des Ufers zu ergehen, doch ihn heute wiederzusehen
hatte die junge Fran uicht gemeint. Wie sie ihn sah, durchzuckte sie ein Ge¬
fühl, halb Furcht, halb Erwartung, daß er nur ihretwillen seine Schritte hierher
richte. Wäre sie noch mit Tvnio allein gewesen! Aber eben traten der alte
Marco und die Brüder herzu, und Tonio, dem das leise Erbeben Margheritas
nicht entging, sagte verdrossen: Kommt Ihr schon, mich zu rufen? Wir dürfen
erst bei Mondschein auf der Höhe von San Niccolo die Netze auswerfen und
haben noch mauche Stunde bis dahin.

Aber an Boot und Netzen ist mancherlei zu thun, mein Junge, entgegnete
der Alte. Dn mußt ein andermal mit Ghika kosen und jetzt mit uns kommen;
wenn du matt bist vom Tage, geschieht dir Recht, warum hast du dem Weib
nicht nach Venedig hinübergeschickt? Komm, komm, Tvniv, Margherita bleibt
überdies nicht allein, sie erhält geistlichen Trost, soviel sie immer begehrt, denn
dort wandelt Pater Girolamo heran!

Der junge Fischer empfand, daß es mit der guten Stunde, deren er sich
eben erfreut hatte, vorbei sei, er schickte sich an, den Drängenden zu folgen, als
Margherita seine Hand faßte und ihm zuflüsterte: Bleibe noch hier, Tonio, bis
wir gehört haben, was der Pfarrer von uns will.

Was soll er wollen? fragte Tvniv verwundert. Deine Beichte hat er ja
diesen Morgen wohl zu Ende gehört, und seinen Segen im Vorübergehen kam:
er dir für mich mitgeben. Er kommt wohl auch bis zur Hütte des Vaters,
wo wir das große Boot ausbessern. Ruh wohl, Margherita, es wird spät in
der Nacht werden, ehe wir heimkehren.

Er drängte seinen Vater und die Brüder von der Uferstelle hinweg, an
der Margherita zurückblieb, und schritt eilig mit ihnen den Strnudpfad hinab.
Die junge Frau hörte, wie der alte Marco vor sich Hinmurrtc: Den Pater


Bie? Fischeritt vou Malcimocco.

Was wir thun, Tvnio. Du sollst nicht um meinetwillen Vater und Bruder
verlassen!

Aber ich werde es gern um deinetwillen thun, wenn du um meinetwillen
deiner Toten minder sehnsüchtig gedenken willst! rief der junge Mann mit dem
Ausdruck leidenschaftlicher Bitte in allen Zügen. Und jetzt dachte Margherita,
sie dürft nicht länger schweigen lind müsse ihm gestehen, was sie diesen Morgen
Pater Girolamo vertraut hatte. Aber während Tonio sie noch bittend anschaute
und ehe sie zu reden vermochte, wurden beide in ihrem Alleinsein gestört. Zuerst
vernahm Tvnio Geräusch und rauhes Gelächter, und als er sich umwandte, sah
er Vater Marco und zwei seiner Brüder vor seiner Hütte stehen und nach ihm
und Margherita mit so spöttischen Geberden Hinblicken, daß es ihn Mühe kostete,
ein Zürnen niederzukämpfen und den Abeudgruß freundlich entgegenzurufeu.
Dann erblickte Margherita, als sie den lachenden Mienen ihrer Schwäger aus¬
wich, auf demselben Pfade, auf dein vorhin Tonio heimgekehrt war, eine be¬
kannte Gestalt — Pater Girolamo. Der Pfarrer von Malamvccv pflegte sich
zwar manchen Abend längs des Ufers zu ergehen, doch ihn heute wiederzusehen
hatte die junge Fran uicht gemeint. Wie sie ihn sah, durchzuckte sie ein Ge¬
fühl, halb Furcht, halb Erwartung, daß er nur ihretwillen seine Schritte hierher
richte. Wäre sie noch mit Tvnio allein gewesen! Aber eben traten der alte
Marco und die Brüder herzu, und Tonio, dem das leise Erbeben Margheritas
nicht entging, sagte verdrossen: Kommt Ihr schon, mich zu rufen? Wir dürfen
erst bei Mondschein auf der Höhe von San Niccolo die Netze auswerfen und
haben noch mauche Stunde bis dahin.

Aber an Boot und Netzen ist mancherlei zu thun, mein Junge, entgegnete
der Alte. Dn mußt ein andermal mit Ghika kosen und jetzt mit uns kommen;
wenn du matt bist vom Tage, geschieht dir Recht, warum hast du dem Weib
nicht nach Venedig hinübergeschickt? Komm, komm, Tvniv, Margherita bleibt
überdies nicht allein, sie erhält geistlichen Trost, soviel sie immer begehrt, denn
dort wandelt Pater Girolamo heran!

Der junge Fischer empfand, daß es mit der guten Stunde, deren er sich
eben erfreut hatte, vorbei sei, er schickte sich an, den Drängenden zu folgen, als
Margherita seine Hand faßte und ihm zuflüsterte: Bleibe noch hier, Tonio, bis
wir gehört haben, was der Pfarrer von uns will.

Was soll er wollen? fragte Tvniv verwundert. Deine Beichte hat er ja
diesen Morgen wohl zu Ende gehört, und seinen Segen im Vorübergehen kam:
er dir für mich mitgeben. Er kommt wohl auch bis zur Hütte des Vaters,
wo wir das große Boot ausbessern. Ruh wohl, Margherita, es wird spät in
der Nacht werden, ehe wir heimkehren.

Er drängte seinen Vater und die Brüder von der Uferstelle hinweg, an
der Margherita zurückblieb, und schritt eilig mit ihnen den Strnudpfad hinab.
Die junge Frau hörte, wie der alte Marco vor sich Hinmurrtc: Den Pater


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[0625] Bie? Fischeritt vou Malcimocco. Was wir thun, Tvnio. Du sollst nicht um meinetwillen Vater und Bruder verlassen! Aber ich werde es gern um deinetwillen thun, wenn du um meinetwillen deiner Toten minder sehnsüchtig gedenken willst! rief der junge Mann mit dem Ausdruck leidenschaftlicher Bitte in allen Zügen. Und jetzt dachte Margherita, sie dürft nicht länger schweigen lind müsse ihm gestehen, was sie diesen Morgen Pater Girolamo vertraut hatte. Aber während Tonio sie noch bittend anschaute und ehe sie zu reden vermochte, wurden beide in ihrem Alleinsein gestört. Zuerst vernahm Tvnio Geräusch und rauhes Gelächter, und als er sich umwandte, sah er Vater Marco und zwei seiner Brüder vor seiner Hütte stehen und nach ihm und Margherita mit so spöttischen Geberden Hinblicken, daß es ihn Mühe kostete, ein Zürnen niederzukämpfen und den Abeudgruß freundlich entgegenzurufeu. Dann erblickte Margherita, als sie den lachenden Mienen ihrer Schwäger aus¬ wich, auf demselben Pfade, auf dein vorhin Tonio heimgekehrt war, eine be¬ kannte Gestalt — Pater Girolamo. Der Pfarrer von Malamvccv pflegte sich zwar manchen Abend längs des Ufers zu ergehen, doch ihn heute wiederzusehen hatte die junge Fran uicht gemeint. Wie sie ihn sah, durchzuckte sie ein Ge¬ fühl, halb Furcht, halb Erwartung, daß er nur ihretwillen seine Schritte hierher richte. Wäre sie noch mit Tvnio allein gewesen! Aber eben traten der alte Marco und die Brüder herzu, und Tonio, dem das leise Erbeben Margheritas nicht entging, sagte verdrossen: Kommt Ihr schon, mich zu rufen? Wir dürfen erst bei Mondschein auf der Höhe von San Niccolo die Netze auswerfen und haben noch mauche Stunde bis dahin. Aber an Boot und Netzen ist mancherlei zu thun, mein Junge, entgegnete der Alte. Dn mußt ein andermal mit Ghika kosen und jetzt mit uns kommen; wenn du matt bist vom Tage, geschieht dir Recht, warum hast du dem Weib nicht nach Venedig hinübergeschickt? Komm, komm, Tvniv, Margherita bleibt überdies nicht allein, sie erhält geistlichen Trost, soviel sie immer begehrt, denn dort wandelt Pater Girolamo heran! Der junge Fischer empfand, daß es mit der guten Stunde, deren er sich eben erfreut hatte, vorbei sei, er schickte sich an, den Drängenden zu folgen, als Margherita seine Hand faßte und ihm zuflüsterte: Bleibe noch hier, Tonio, bis wir gehört haben, was der Pfarrer von uns will. Was soll er wollen? fragte Tvniv verwundert. Deine Beichte hat er ja diesen Morgen wohl zu Ende gehört, und seinen Segen im Vorübergehen kam: er dir für mich mitgeben. Er kommt wohl auch bis zur Hütte des Vaters, wo wir das große Boot ausbessern. Ruh wohl, Margherita, es wird spät in der Nacht werden, ehe wir heimkehren. Er drängte seinen Vater und die Brüder von der Uferstelle hinweg, an der Margherita zurückblieb, und schritt eilig mit ihnen den Strnudpfad hinab. Die junge Frau hörte, wie der alte Marco vor sich Hinmurrtc: Den Pater

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/625>, abgerufen am 01.07.2024.