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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Die Fischerin von Malainocco.

hätten wir noch erwarten mögen, er könnte ein Gebet an reichen Fischscgen in
dieser Nacht für uns sprechen! Sie fühlte und wußte gut genug, daß Toni"
nur darum so kurzen Abschied nahm, weil er neuen Zwist scheute und sie vor
den harten Reden des Alten bewahren wollte. Mit einem innigen Dankblick
sah sie ihrem Manne nach und nahm sich vor, ihn bei den Booten noch aus¬
zusuchen, ehe er zum Fischfang auffuhr. Jetzt aber vermochte sie die Erwartung,
mit welcher Pater Girolamos Kommen sie erfüllt hatte, nicht länger zu meistern
und eilte an ihrer Hütte vorüber bis beinahe zu der Stelle des Weges, wo sie
vorhin den heimkehrenden Gatten begrüßt hatte. Pater Girvlnmv, dem von
fern die Gruppe am Strand nicht entgangen war und der um des jungen
Weibes allein ansichtig ward, rief ihr entgegen:

Guten Abend und Gottes Segen über dich, Margherita. Sah ich nicht,
daß dein Mann daheim war?

Er ging mit seinem Vater und deu Brüdern, das Boot vorzurichten, mit
dem sie diese Nacht Netze auslegen wollen, versetzte Margherita, ein wenig be¬
treten, daß die erste Frage des greisen Priesters Tvniv galt. Pater Girolamos
Stimme war mild wie immer, sein Gesicht aber sehr ernst und von einem Aus¬
druck, den die junge Frau selbst am heutigen Morgen nicht wahrgenommen.

Ich hätte gern Tonio gesprochen, fuhr Pater Girolamo fort, indem er
neben Margherita ging und sie ein paarmal wie prüfend anschaute. Ich kam,
ihn zu bitten, daß er dir morgen in aller Frühe erlauben möge, die Gebete,
die ich dir vorschreiben will, vor dem Altar in der neuen Klosterkirche der Mi-
noritenbrüder auf der Giudeeca zu verrichten. Es wird vielleicht zum guten
und in allen Fällen heilsam für dich sein, meine Tochter, ich hoffe, dein Mann
soll nichts einzuwenden haben.

Margheritas Herz schlug ungestüm, ein plötzlicher Schauer durchrieselte
ihr Blut, sie wußte nicht, warum die einfachen Worte des Priesters sie so
mächtig ergriffen. Wie der Wvgenschaum, der dort am Ufer im Strahl der
Abendsonne zerstiebte, schwand in einem Augenblick alle Fassung, welche sie heute
erst gewonnen, jeder fromme Vorsatz, den sie um Tonlos willen gefaßt hatte.
Eine unbestimmte Hoffnung blitzte auf, die wilde, schmerzliche Sehnsucht kam
wieder, über sie, welche sie in der verflossenen Nacht und manche Nacht zuvor
von ihrem Lager emporgetrieben hatte. Pater Girolamo las in den Zügen der
jungen Frau, was plötzlich in ihr vorging, obschon sie ihm mit keinem Laut
antwortete, nur die Hand aufs Herz preßte und ihn mit fieberisch glänzenden
Augen ansah. Er ward noch ernster als zuvor und mahnte: Erwarte nichts
Unerhörtes, hege keine thörichten Hoffnungen, Margherita! Ich weiß nichts
andres, nicht mehr, als was ich diesen Morgen wußte, da du aus meiner Thür
gingst. Mir ist nur der Gedanke gekommen, daß es für deinen Frieden, für
dich und Tvuio vielleicht gut sein könnte, wenn du deine Gebete in der Lärche
des Antoniusklosters verrichtest. Ich werde dich begleiten, und die Gnade Gottes


Die Fischerin von Malainocco.

hätten wir noch erwarten mögen, er könnte ein Gebet an reichen Fischscgen in
dieser Nacht für uns sprechen! Sie fühlte und wußte gut genug, daß Toni»
nur darum so kurzen Abschied nahm, weil er neuen Zwist scheute und sie vor
den harten Reden des Alten bewahren wollte. Mit einem innigen Dankblick
sah sie ihrem Manne nach und nahm sich vor, ihn bei den Booten noch aus¬
zusuchen, ehe er zum Fischfang auffuhr. Jetzt aber vermochte sie die Erwartung,
mit welcher Pater Girolamos Kommen sie erfüllt hatte, nicht länger zu meistern
und eilte an ihrer Hütte vorüber bis beinahe zu der Stelle des Weges, wo sie
vorhin den heimkehrenden Gatten begrüßt hatte. Pater Girvlnmv, dem von
fern die Gruppe am Strand nicht entgangen war und der um des jungen
Weibes allein ansichtig ward, rief ihr entgegen:

Guten Abend und Gottes Segen über dich, Margherita. Sah ich nicht,
daß dein Mann daheim war?

Er ging mit seinem Vater und deu Brüdern, das Boot vorzurichten, mit
dem sie diese Nacht Netze auslegen wollen, versetzte Margherita, ein wenig be¬
treten, daß die erste Frage des greisen Priesters Tvniv galt. Pater Girolamos
Stimme war mild wie immer, sein Gesicht aber sehr ernst und von einem Aus¬
druck, den die junge Frau selbst am heutigen Morgen nicht wahrgenommen.

Ich hätte gern Tonio gesprochen, fuhr Pater Girolamo fort, indem er
neben Margherita ging und sie ein paarmal wie prüfend anschaute. Ich kam,
ihn zu bitten, daß er dir morgen in aller Frühe erlauben möge, die Gebete,
die ich dir vorschreiben will, vor dem Altar in der neuen Klosterkirche der Mi-
noritenbrüder auf der Giudeeca zu verrichten. Es wird vielleicht zum guten
und in allen Fällen heilsam für dich sein, meine Tochter, ich hoffe, dein Mann
soll nichts einzuwenden haben.

Margheritas Herz schlug ungestüm, ein plötzlicher Schauer durchrieselte
ihr Blut, sie wußte nicht, warum die einfachen Worte des Priesters sie so
mächtig ergriffen. Wie der Wvgenschaum, der dort am Ufer im Strahl der
Abendsonne zerstiebte, schwand in einem Augenblick alle Fassung, welche sie heute
erst gewonnen, jeder fromme Vorsatz, den sie um Tonlos willen gefaßt hatte.
Eine unbestimmte Hoffnung blitzte auf, die wilde, schmerzliche Sehnsucht kam
wieder, über sie, welche sie in der verflossenen Nacht und manche Nacht zuvor
von ihrem Lager emporgetrieben hatte. Pater Girolamo las in den Zügen der
jungen Frau, was plötzlich in ihr vorging, obschon sie ihm mit keinem Laut
antwortete, nur die Hand aufs Herz preßte und ihn mit fieberisch glänzenden
Augen ansah. Er ward noch ernster als zuvor und mahnte: Erwarte nichts
Unerhörtes, hege keine thörichten Hoffnungen, Margherita! Ich weiß nichts
andres, nicht mehr, als was ich diesen Morgen wußte, da du aus meiner Thür
gingst. Mir ist nur der Gedanke gekommen, daß es für deinen Frieden, für
dich und Tvuio vielleicht gut sein könnte, wenn du deine Gebete in der Lärche
des Antoniusklosters verrichtest. Ich werde dich begleiten, und die Gnade Gottes


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[0626] Die Fischerin von Malainocco. hätten wir noch erwarten mögen, er könnte ein Gebet an reichen Fischscgen in dieser Nacht für uns sprechen! Sie fühlte und wußte gut genug, daß Toni» nur darum so kurzen Abschied nahm, weil er neuen Zwist scheute und sie vor den harten Reden des Alten bewahren wollte. Mit einem innigen Dankblick sah sie ihrem Manne nach und nahm sich vor, ihn bei den Booten noch aus¬ zusuchen, ehe er zum Fischfang auffuhr. Jetzt aber vermochte sie die Erwartung, mit welcher Pater Girolamos Kommen sie erfüllt hatte, nicht länger zu meistern und eilte an ihrer Hütte vorüber bis beinahe zu der Stelle des Weges, wo sie vorhin den heimkehrenden Gatten begrüßt hatte. Pater Girvlnmv, dem von fern die Gruppe am Strand nicht entgangen war und der um des jungen Weibes allein ansichtig ward, rief ihr entgegen: Guten Abend und Gottes Segen über dich, Margherita. Sah ich nicht, daß dein Mann daheim war? Er ging mit seinem Vater und deu Brüdern, das Boot vorzurichten, mit dem sie diese Nacht Netze auslegen wollen, versetzte Margherita, ein wenig be¬ treten, daß die erste Frage des greisen Priesters Tvniv galt. Pater Girolamos Stimme war mild wie immer, sein Gesicht aber sehr ernst und von einem Aus¬ druck, den die junge Frau selbst am heutigen Morgen nicht wahrgenommen. Ich hätte gern Tonio gesprochen, fuhr Pater Girolamo fort, indem er neben Margherita ging und sie ein paarmal wie prüfend anschaute. Ich kam, ihn zu bitten, daß er dir morgen in aller Frühe erlauben möge, die Gebete, die ich dir vorschreiben will, vor dem Altar in der neuen Klosterkirche der Mi- noritenbrüder auf der Giudeeca zu verrichten. Es wird vielleicht zum guten und in allen Fällen heilsam für dich sein, meine Tochter, ich hoffe, dein Mann soll nichts einzuwenden haben. Margheritas Herz schlug ungestüm, ein plötzlicher Schauer durchrieselte ihr Blut, sie wußte nicht, warum die einfachen Worte des Priesters sie so mächtig ergriffen. Wie der Wvgenschaum, der dort am Ufer im Strahl der Abendsonne zerstiebte, schwand in einem Augenblick alle Fassung, welche sie heute erst gewonnen, jeder fromme Vorsatz, den sie um Tonlos willen gefaßt hatte. Eine unbestimmte Hoffnung blitzte auf, die wilde, schmerzliche Sehnsucht kam wieder, über sie, welche sie in der verflossenen Nacht und manche Nacht zuvor von ihrem Lager emporgetrieben hatte. Pater Girolamo las in den Zügen der jungen Frau, was plötzlich in ihr vorging, obschon sie ihm mit keinem Laut antwortete, nur die Hand aufs Herz preßte und ihn mit fieberisch glänzenden Augen ansah. Er ward noch ernster als zuvor und mahnte: Erwarte nichts Unerhörtes, hege keine thörichten Hoffnungen, Margherita! Ich weiß nichts andres, nicht mehr, als was ich diesen Morgen wußte, da du aus meiner Thür gingst. Mir ist nur der Gedanke gekommen, daß es für deinen Frieden, für dich und Tvuio vielleicht gut sein könnte, wenn du deine Gebete in der Lärche des Antoniusklosters verrichtest. Ich werde dich begleiten, und die Gnade Gottes

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/626>, abgerufen am 01.07.2024.