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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Die Fischerin von Malamoeco.

UM seinen Hals und schmiegte ihr bleiches Gesicht so innig an das braune
bärtige Antlitz ihres Mannes, daß Tonio glückselig den Arm um sie legte und
sie für deu Rest des Heimweges mehr hob und trug als neben ihr ging. Mit
einem Kuß setzte er die junge Frau vor der Thür ihrer Hütte nieder, seine
Augen leuchteten wie die eines frohen Knaben, als er hochatmend sagte: Das
heiß ich eine gute Stunde, Margherita, und eine bessere, als ich je verdient!
Ich will Pater Girolamo morgen den schönsten Fisch bringen und dem heiligen
Jsidorv auf seinen Namenstag eine rote Kerze geloben! Mit einem scharfen
Blick hatte Touio soeben wahrgenommen, daß sein Weib viel geweint haben
mußte, aber daß zugleich ein Schimmer von Frende über seine Heimkehr auf
ihren Zügen lag. Mit einem frohen Ausruf drückte er noch einmal die an¬
mutige Gestalt Margheritas an sich, sie wand sich leise aus seinem Arm und
bat ihn, uur kurze Zeit im schattigen Gemach zu rasten, bis sie das Mahl
vollends bereitet haben würde. Verwundert, doch gehorsam, warf sich Tonio
drinnen auf eine der hölzernen Bänke - in Margheritas Stimme war heute
ein Laut, den er seit Wochen nicht vernommen und den er doch so gut, so
gut kannte! Der Fischer fühlte sich in der That ein wenig erschöpft von der
Fahrt und dem raschen Gange, wie von der Glut des Sommertages, er barg
sein Gesicht in den Händen und lag ganz still, aber zu schlummern vermochte
er vor froher Erregung nicht. Eine Viertelstunde und noch eine rann hin, auf
einmal spürte der Träumer, daß es Heller in dem verdunkelten Raume ward
und daß Margheritas weiche Hand leicht über sein schwarzlockiges Haar strich.
Sie hatte das Schilfgeflecht von dem Fenster weggezogen, draußen stand die
Sonne jetzt im West, der helle Tagesschein, aber kein Sonnenstrahl drang mehr
herein. Rasch erhob sich Tonio von seiner Bank und machte neben sich Platz
für Margherita, die auftrug, was sie bereitet hatte. Einträchtig verzehrten die
jungen Eheleute die gebratenen Fische und die frischgebackenen Maisknchen, die
vor ihnen standen, mit Wohlgefallen nahm Tonio wahr, daß seine Frau
heute wiederum aß und sich mit ruhigem Anteil von der ungeheuern Zahl
fremder Schiffe berichten ließ, die er heute wieder im großen Hafen der Stadt
gesehen. So plauderten sie harmlos und heiter mit einander, während jedes
von beiden Gedanken in der Seele barg, die nicht auf die Lippen treten wollten.
Am Ende war es Tonio, der aufstand und Margherita vorschlug, hinab bis
zu den Marmorblöcken am Strand zu gehen, wo sie oft gesessen und wo ein
kühlerer Hauch vom Wasser her wehe. Die junge Frau nickte stumm, sie folgte
ihm nicht eben zögernd, aber doch langsam, ihr wars, als ob Tonio eine Frage
ein sie richten werde. Und sie wußte, daß sie ihm heute, wenn er frage, die
Wahrheit nicht schien, nicht einmal schweigen könne, wie bisher so oft.

Nun saßen sie einander gegenüber ans den Steinen, und die Flut netzte
mit leis im Sand verrinnender Welle ihre Füße. Die Luft, die sie atmeten,
war noch immer heiß, und das Meer schimmerte im Lichte des Sommerabends


Die Fischerin von Malamoeco.

UM seinen Hals und schmiegte ihr bleiches Gesicht so innig an das braune
bärtige Antlitz ihres Mannes, daß Tonio glückselig den Arm um sie legte und
sie für deu Rest des Heimweges mehr hob und trug als neben ihr ging. Mit
einem Kuß setzte er die junge Frau vor der Thür ihrer Hütte nieder, seine
Augen leuchteten wie die eines frohen Knaben, als er hochatmend sagte: Das
heiß ich eine gute Stunde, Margherita, und eine bessere, als ich je verdient!
Ich will Pater Girolamo morgen den schönsten Fisch bringen und dem heiligen
Jsidorv auf seinen Namenstag eine rote Kerze geloben! Mit einem scharfen
Blick hatte Touio soeben wahrgenommen, daß sein Weib viel geweint haben
mußte, aber daß zugleich ein Schimmer von Frende über seine Heimkehr auf
ihren Zügen lag. Mit einem frohen Ausruf drückte er noch einmal die an¬
mutige Gestalt Margheritas an sich, sie wand sich leise aus seinem Arm und
bat ihn, uur kurze Zeit im schattigen Gemach zu rasten, bis sie das Mahl
vollends bereitet haben würde. Verwundert, doch gehorsam, warf sich Tonio
drinnen auf eine der hölzernen Bänke - in Margheritas Stimme war heute
ein Laut, den er seit Wochen nicht vernommen und den er doch so gut, so
gut kannte! Der Fischer fühlte sich in der That ein wenig erschöpft von der
Fahrt und dem raschen Gange, wie von der Glut des Sommertages, er barg
sein Gesicht in den Händen und lag ganz still, aber zu schlummern vermochte
er vor froher Erregung nicht. Eine Viertelstunde und noch eine rann hin, auf
einmal spürte der Träumer, daß es Heller in dem verdunkelten Raume ward
und daß Margheritas weiche Hand leicht über sein schwarzlockiges Haar strich.
Sie hatte das Schilfgeflecht von dem Fenster weggezogen, draußen stand die
Sonne jetzt im West, der helle Tagesschein, aber kein Sonnenstrahl drang mehr
herein. Rasch erhob sich Tonio von seiner Bank und machte neben sich Platz
für Margherita, die auftrug, was sie bereitet hatte. Einträchtig verzehrten die
jungen Eheleute die gebratenen Fische und die frischgebackenen Maisknchen, die
vor ihnen standen, mit Wohlgefallen nahm Tonio wahr, daß seine Frau
heute wiederum aß und sich mit ruhigem Anteil von der ungeheuern Zahl
fremder Schiffe berichten ließ, die er heute wieder im großen Hafen der Stadt
gesehen. So plauderten sie harmlos und heiter mit einander, während jedes
von beiden Gedanken in der Seele barg, die nicht auf die Lippen treten wollten.
Am Ende war es Tonio, der aufstand und Margherita vorschlug, hinab bis
zu den Marmorblöcken am Strand zu gehen, wo sie oft gesessen und wo ein
kühlerer Hauch vom Wasser her wehe. Die junge Frau nickte stumm, sie folgte
ihm nicht eben zögernd, aber doch langsam, ihr wars, als ob Tonio eine Frage
ein sie richten werde. Und sie wußte, daß sie ihm heute, wenn er frage, die
Wahrheit nicht schien, nicht einmal schweigen könne, wie bisher so oft.

Nun saßen sie einander gegenüber ans den Steinen, und die Flut netzte
mit leis im Sand verrinnender Welle ihre Füße. Die Luft, die sie atmeten,
war noch immer heiß, und das Meer schimmerte im Lichte des Sommerabends


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[0623] Die Fischerin von Malamoeco. UM seinen Hals und schmiegte ihr bleiches Gesicht so innig an das braune bärtige Antlitz ihres Mannes, daß Tonio glückselig den Arm um sie legte und sie für deu Rest des Heimweges mehr hob und trug als neben ihr ging. Mit einem Kuß setzte er die junge Frau vor der Thür ihrer Hütte nieder, seine Augen leuchteten wie die eines frohen Knaben, als er hochatmend sagte: Das heiß ich eine gute Stunde, Margherita, und eine bessere, als ich je verdient! Ich will Pater Girolamo morgen den schönsten Fisch bringen und dem heiligen Jsidorv auf seinen Namenstag eine rote Kerze geloben! Mit einem scharfen Blick hatte Touio soeben wahrgenommen, daß sein Weib viel geweint haben mußte, aber daß zugleich ein Schimmer von Frende über seine Heimkehr auf ihren Zügen lag. Mit einem frohen Ausruf drückte er noch einmal die an¬ mutige Gestalt Margheritas an sich, sie wand sich leise aus seinem Arm und bat ihn, uur kurze Zeit im schattigen Gemach zu rasten, bis sie das Mahl vollends bereitet haben würde. Verwundert, doch gehorsam, warf sich Tonio drinnen auf eine der hölzernen Bänke - in Margheritas Stimme war heute ein Laut, den er seit Wochen nicht vernommen und den er doch so gut, so gut kannte! Der Fischer fühlte sich in der That ein wenig erschöpft von der Fahrt und dem raschen Gange, wie von der Glut des Sommertages, er barg sein Gesicht in den Händen und lag ganz still, aber zu schlummern vermochte er vor froher Erregung nicht. Eine Viertelstunde und noch eine rann hin, auf einmal spürte der Träumer, daß es Heller in dem verdunkelten Raume ward und daß Margheritas weiche Hand leicht über sein schwarzlockiges Haar strich. Sie hatte das Schilfgeflecht von dem Fenster weggezogen, draußen stand die Sonne jetzt im West, der helle Tagesschein, aber kein Sonnenstrahl drang mehr herein. Rasch erhob sich Tonio von seiner Bank und machte neben sich Platz für Margherita, die auftrug, was sie bereitet hatte. Einträchtig verzehrten die jungen Eheleute die gebratenen Fische und die frischgebackenen Maisknchen, die vor ihnen standen, mit Wohlgefallen nahm Tonio wahr, daß seine Frau heute wiederum aß und sich mit ruhigem Anteil von der ungeheuern Zahl fremder Schiffe berichten ließ, die er heute wieder im großen Hafen der Stadt gesehen. So plauderten sie harmlos und heiter mit einander, während jedes von beiden Gedanken in der Seele barg, die nicht auf die Lippen treten wollten. Am Ende war es Tonio, der aufstand und Margherita vorschlug, hinab bis zu den Marmorblöcken am Strand zu gehen, wo sie oft gesessen und wo ein kühlerer Hauch vom Wasser her wehe. Die junge Frau nickte stumm, sie folgte ihm nicht eben zögernd, aber doch langsam, ihr wars, als ob Tonio eine Frage ein sie richten werde. Und sie wußte, daß sie ihm heute, wenn er frage, die Wahrheit nicht schien, nicht einmal schweigen könne, wie bisher so oft. Nun saßen sie einander gegenüber ans den Steinen, und die Flut netzte mit leis im Sand verrinnender Welle ihre Füße. Die Luft, die sie atmeten, war noch immer heiß, und das Meer schimmerte im Lichte des Sommerabends

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/623>, abgerufen am 01.07.2024.