Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.Die Verstaatlichung der Armenlasten. ziffer derselben würde sich mehr ausgleichen. In den übervölkerten bäuerlichen Die großen Städte aber wiederum blieben vor dem Zuzüge zu großer Wir sehen also, daß mit der Verstaatlichung der Armenlasten eine neue Aber auch das Loos der Armen und Hilfsbedürftigen würde sich günstiger Gronzbvtni IV. 1882.74
Die Verstaatlichung der Armenlasten. ziffer derselben würde sich mehr ausgleichen. In den übervölkerten bäuerlichen Die großen Städte aber wiederum blieben vor dem Zuzüge zu großer Wir sehen also, daß mit der Verstaatlichung der Armenlasten eine neue Aber auch das Loos der Armen und Hilfsbedürftigen würde sich günstiger Gronzbvtni IV. 1882.74
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Die Verstaatlichung der Armenlasten.
ziffer derselben würde sich mehr ausgleichen. In den übervölkerten bäuerlichen
Kommunen ist nämlich selbstverständlich der Bvdenpreis ein viel höherer als in
den dünn bevölkerten. Kann nun der Arbeiter überall einen Streifen Landes
erwerben, so wird er natürlich da kaufen, wo es am billigsten ist, also in den
letztern. Damit würde die Bevölkerungsziffer dieser letztern schnell steigen, die
der erstern stehen bleiben oder wenigstens nur langsam zunehmen.
Die großen Städte aber wiederum blieben vor dem Zuzüge zu großer
Arbeitermassen, von denen in ihnen ein Teil oft wegen nicht hinreichend lohnender
und nicht passender Arbeit in eil? gefährliches Proletariat sich umwandelt, be¬
wahrt, denn eine große Quote der Arbeiter, die jetzt ihre Heimat verläßt, wäre
nun an dieselbe gefesselt durch Aussicht auf die Erfüllung des Wunsches, eine
Scholle erwerben und auf eignem Grund und Boden ihr Heim gründen zu
können — eines Wunsches, der wohl fast in der Brust jedes Menschen wohnt.
Daß damit auch der Auswanderung nach den gegenwärtig so ersehnten Gefilden
überseeischer, chimärischer Paradiese ein Halt zugerufen werden würde, ist wohl
nicht zu bezweifeln.
Wir sehen also, daß mit der Verstaatlichung der Armenlasten eine neue
Ära des Gedeihens und Aufblühens für unser Vaterland anbrechen würde. Noch
günstiger freilich würde sich alles gestalten, wenn dazu noch die Übernahme der
Schullasten auf den Staat käme; es wären dann vielleicht die Vorbedingungen
geschaffen, um eine Gemeindeordnung für das platte Land ins Leben zu rufen,
ohne zugleich die einzelne Kommune zu hart und zu ungerecht zu treffen.
Aber auch das Loos der Armen und Hilfsbedürftigen würde sich günstiger
gestalten; denn einerseits kann der Staat besser für sie sorgen als die einzelne
Gemeinde, die schließlich trotz allen Mitgefühles mit den Notleidenden doch bei
der augenblicklichen Lage in der Armenpflege nur eine Last erblicken muß, die
sie zu tragen gezwungen ist, andrerseits würde, wenn dieser Zwang beseitigt
wäre, die Privatwohlthätigkeit weit mehr als jetzt dem einzelnen Armen zu Gute
kommen. Freiwillig geben ja die Deutschen gern und viel, während auch der
loyalste unsrer Mitbürger, wenn es heißt: Du mußt! eines unbehaglichen Ge¬
fühles sich nicht erwehren kann.
Gronzbvtni IV. 1882.74
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