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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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ist; dann aber liegen die Äcker auch nur selten so um deu Wirtschaftshof herum,
daß ihre Bestellung leicht und billig zu bewirken ist. Viel öfter sehen wir, wie
ausgedehnte Flächen, die zu weit vom Gehöfte entfernt sind, als Außenschläge
bewirtschaftet werden müssen und als solche eine ihrer Beschaffenheit nicht ent¬
sprechende, oftmals sogar -- wie eine genaue Berechnung erweisen würde --
eine nur scheinbare Rente geben. Für den Besitzer wäre es ein Glück, wenn
er solche Äcker, die in Wirklichkeit nur eine wirtschaftliche Last sind, verkaufen,
mit dem Erlöse sein Betriebskapital verstärken und die übrigen Äcker energischer
ausnutzen könnte. Aber bei den augenblicklichen Verhältnisse!! liegt in der Ab¬
zweigung auch nur weniger Morgen von dein Gutsareal eine nicht zu unter-
schätzende Gefahr für den Besitzer. Die abgezweigte Parzelle bleibt nach wie
vor in kommunaler Hinsicht ein integrirender Teil seines Gutsbezirks, und wehe
ihm, wenn diese abgezweigte Parzelle in die Hände eines spekulativen Kopfes
gelangt, der darauf so und so viel Kälber aufsetzt und dieselben an so und so
viel Familien vermietet! Alle durch die Einwohner dieser Kälber entstehenden
Armenlasten muß der Gutsbesitzer zum überwiegenden Teile tragen, denn diese
Einwohner sind ja jetzt Mitglieder seines Gemeindeverbandes, und bei der Auf¬
bringung der Armen- und andrer Gemeindeabgaben nach Maßgabe der Personal-
uud Renlstenern, von denen der Gutsbesitzer öfters nenn Zehntel oder noch mehr
zu tragen hat, treffen ihn anch neun Zehntel der Armenlasten, die die Kathen-
einwvhner veranlassen.

Daß unter diesen Umständen eine Abzweigung von Gutsareal nur in ganz
seltnen Fällen stattfinden kann, ist selbstverständlich, und daher kommt es, daß
oft weite Landstriche, die Platz genug für ein kleines Bauerndorf oder wenigstens
für eine Kolonie grundbesttzender Arbeiter darböten, so ungenügend ausgenutzt
daliegen.

Ähnliche Verhältnisse verhindern auch in manchen Bauerndörfern die Grund¬
eigentümer, unbequem liegende Äcker abzuzweigen; lieber behalten sie das für
ihre Arbeitskraft zu große wirtschaftliche Gebiet und bewirtschaften es in exten¬
sivster, ja man könnte sagen in einer geradezu vorsündflutlichen Weise.

Die Verstaatlichung der Armenlnsten würde natürlich für Güter wie für
Bauerndörfer alle Bedenken und Gefahren beseitigen, welche heute einer Ver¬
äußerung von Grund- und Bodenparzellen wehren, und allmählich würden hie
und da neue Ansiedlungen entstehen, die ehemals nahezu wertlose Bodenstriche
in stark produzirende Äcker verwandeln würden. Was also die Staatsregierung
vor einigen Jahren durch Parzellirmig von Domänen zu erreichen suchte: die
Stärkung und Vermehrung des Klcingrundbesitzes, das würde sich durch Ver¬
wirklichung der Bismarckschen Pläne ganz von selbst organisch aus der neuen
Situation herausbilden.

Für die Bauerndörfer würde übrigens die besprochene Gesetzesreform noch
einen andern nicht zu unterschätzenden Vorteil mit sich führen: die Bevölkerungs-


ist; dann aber liegen die Äcker auch nur selten so um deu Wirtschaftshof herum,
daß ihre Bestellung leicht und billig zu bewirken ist. Viel öfter sehen wir, wie
ausgedehnte Flächen, die zu weit vom Gehöfte entfernt sind, als Außenschläge
bewirtschaftet werden müssen und als solche eine ihrer Beschaffenheit nicht ent¬
sprechende, oftmals sogar — wie eine genaue Berechnung erweisen würde —
eine nur scheinbare Rente geben. Für den Besitzer wäre es ein Glück, wenn
er solche Äcker, die in Wirklichkeit nur eine wirtschaftliche Last sind, verkaufen,
mit dem Erlöse sein Betriebskapital verstärken und die übrigen Äcker energischer
ausnutzen könnte. Aber bei den augenblicklichen Verhältnisse!! liegt in der Ab¬
zweigung auch nur weniger Morgen von dein Gutsareal eine nicht zu unter-
schätzende Gefahr für den Besitzer. Die abgezweigte Parzelle bleibt nach wie
vor in kommunaler Hinsicht ein integrirender Teil seines Gutsbezirks, und wehe
ihm, wenn diese abgezweigte Parzelle in die Hände eines spekulativen Kopfes
gelangt, der darauf so und so viel Kälber aufsetzt und dieselben an so und so
viel Familien vermietet! Alle durch die Einwohner dieser Kälber entstehenden
Armenlasten muß der Gutsbesitzer zum überwiegenden Teile tragen, denn diese
Einwohner sind ja jetzt Mitglieder seines Gemeindeverbandes, und bei der Auf¬
bringung der Armen- und andrer Gemeindeabgaben nach Maßgabe der Personal-
uud Renlstenern, von denen der Gutsbesitzer öfters nenn Zehntel oder noch mehr
zu tragen hat, treffen ihn anch neun Zehntel der Armenlasten, die die Kathen-
einwvhner veranlassen.

Daß unter diesen Umständen eine Abzweigung von Gutsareal nur in ganz
seltnen Fällen stattfinden kann, ist selbstverständlich, und daher kommt es, daß
oft weite Landstriche, die Platz genug für ein kleines Bauerndorf oder wenigstens
für eine Kolonie grundbesttzender Arbeiter darböten, so ungenügend ausgenutzt
daliegen.

Ähnliche Verhältnisse verhindern auch in manchen Bauerndörfern die Grund¬
eigentümer, unbequem liegende Äcker abzuzweigen; lieber behalten sie das für
ihre Arbeitskraft zu große wirtschaftliche Gebiet und bewirtschaften es in exten¬
sivster, ja man könnte sagen in einer geradezu vorsündflutlichen Weise.

Die Verstaatlichung der Armenlnsten würde natürlich für Güter wie für
Bauerndörfer alle Bedenken und Gefahren beseitigen, welche heute einer Ver¬
äußerung von Grund- und Bodenparzellen wehren, und allmählich würden hie
und da neue Ansiedlungen entstehen, die ehemals nahezu wertlose Bodenstriche
in stark produzirende Äcker verwandeln würden. Was also die Staatsregierung
vor einigen Jahren durch Parzellirmig von Domänen zu erreichen suchte: die
Stärkung und Vermehrung des Klcingrundbesitzes, das würde sich durch Ver¬
wirklichung der Bismarckschen Pläne ganz von selbst organisch aus der neuen
Situation herausbilden.

Für die Bauerndörfer würde übrigens die besprochene Gesetzesreform noch
einen andern nicht zu unterschätzenden Vorteil mit sich führen: die Bevölkerungs-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/588>, abgerufen am 29.06.2024.