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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Die Fischerin von Malamocco.

gar einen Händedruck, Ich war so von bangen: Mißtrauen gegen den Kauf¬
herrn erfüllt, daß ich mir ein Herz faßte, unberufen in deu Rat eindrang, den
Gottfried der Hirt nllmvrgeutlich mit den Kriegern und Mönchen hielt, welche sich
ihm angeschlossen hatten, und hier vor dem Mann von Siuigaglia warnte. Aber
meine Furcht traf auf Unglauben und rauhen Hohn, und nur der, welcher unser
Führer hieß, saß niedergeschlagen und stumm, ich las in seinen Angen, daß er
gleiche Sorge hegte wie ich und doch sich nicht mehr aufzulehnen wagte wider
den Willen und die schlimmen Ratschlüsse derer, die ihn lenkten. Die Fahrt
zum heiligen Lande, so heiß ersehnt und nun so nahe, stand mir jetzt als ein
Schreckbild vor Augen. In Leid und immer tieferer Reue gedachte ich des
stillen Hauses zu Friedewald und der grünen Buchengründe, in denen nun schon
die Blätter fielen. Hätte damals Hedwig ein Wort geredet, daß wir uns von
dem Haufen trennen und Heimkehren sollten, oder ein milder Priester mir kund¬
gethan, daß das Kreuzzugsgelübde uus Unmündige nicht binde, wie gern wäre
ich dem väterlichen Zürnen und der Strafe entgegengepilgert und hätte aller
Unbill des Herbstes in deu Bergen getrotzt. Selbst das Kloster hätte mich nicht mehr
geschreckt. Weil es aber Gottes Wille war, daß ich anders büßen sollte, blieb
ich bei den Scharren, die endlich nach mühseligen Zug durch das heiße, staubige
Land und die Glut der Hochsvmmertage das Meer vor sich sahen und zwischen
der Stadt und dem Hafen von Sinigaglia lagerten. Herr Pietro Vicentino
war wiederholt zu uns gekommen, er ritt ab und zu, wie es hieß, um alles
Wohl vorzubereiten. Am Tage, da wir todmatt längs der Küste gegen die
Meerstadt heranzogen, setzte er sich selbst an unsre Spitze und führte uns
nach dem bestimmten Lagerplatz. Da wogte es abermals von tausend Neu¬
gierigen, unter deuen mancher sorglich und warnend auf uns sah, wildes See¬
volk füllte die Straße, die zum Hafen hinabführte, tausend fremde Laute klangen
um uns, und jauchzend grüßten die armen Betrogenen die hohen Schiffe, aus
deren Masten schon die Banner mit dem roten Krenz standen. Sein erstes
Wort hatte der Schiffsherr eingelöst, ans dem Lagerplatz fanden wir notdürftige
Hütten zum Schirm vor der Sonne, Wasser und Wein und Lebensmittel waren
so reich in Vorrat gehalten, daß alle im Heer der pilgernden Kinder, welche
sich bis hierher geschleppt hatten, einmal wieder Hunger und Durst stillen
konnten. Wie an jenem Abend die Sonne niederging und ihren letzten Schein
auf das stille Meer und die stattlichen Galeeren Herrn Pietros warf, da leuchteten
diele halb erloschene Blicke wieder auf, die Kranken wähnten sich gesund und die
Schwachen wieder stark; die Abendandacht ward mit Inbrunst gehalten und aus
tausend jungen Kehlen drang noch einmal der Ruf: Gott will es! Gott will
es! recht freudig empor. Und in der folgenden Nacht schliefen die meisten
von uns, so gut und fest, als sie je unter ihrer Eltern Dache geschlafen hatten,
der Glaube war wieder in ihnen erwacht, daß sie berufen seien, die Heiden ans
der heiligen Stadt und von: Grabe des .Heilands zu verscheuchen. Ich konnte


Die Fischerin von Malamocco.

gar einen Händedruck, Ich war so von bangen: Mißtrauen gegen den Kauf¬
herrn erfüllt, daß ich mir ein Herz faßte, unberufen in deu Rat eindrang, den
Gottfried der Hirt nllmvrgeutlich mit den Kriegern und Mönchen hielt, welche sich
ihm angeschlossen hatten, und hier vor dem Mann von Siuigaglia warnte. Aber
meine Furcht traf auf Unglauben und rauhen Hohn, und nur der, welcher unser
Führer hieß, saß niedergeschlagen und stumm, ich las in seinen Angen, daß er
gleiche Sorge hegte wie ich und doch sich nicht mehr aufzulehnen wagte wider
den Willen und die schlimmen Ratschlüsse derer, die ihn lenkten. Die Fahrt
zum heiligen Lande, so heiß ersehnt und nun so nahe, stand mir jetzt als ein
Schreckbild vor Augen. In Leid und immer tieferer Reue gedachte ich des
stillen Hauses zu Friedewald und der grünen Buchengründe, in denen nun schon
die Blätter fielen. Hätte damals Hedwig ein Wort geredet, daß wir uns von
dem Haufen trennen und Heimkehren sollten, oder ein milder Priester mir kund¬
gethan, daß das Kreuzzugsgelübde uus Unmündige nicht binde, wie gern wäre
ich dem väterlichen Zürnen und der Strafe entgegengepilgert und hätte aller
Unbill des Herbstes in deu Bergen getrotzt. Selbst das Kloster hätte mich nicht mehr
geschreckt. Weil es aber Gottes Wille war, daß ich anders büßen sollte, blieb
ich bei den Scharren, die endlich nach mühseligen Zug durch das heiße, staubige
Land und die Glut der Hochsvmmertage das Meer vor sich sahen und zwischen
der Stadt und dem Hafen von Sinigaglia lagerten. Herr Pietro Vicentino
war wiederholt zu uns gekommen, er ritt ab und zu, wie es hieß, um alles
Wohl vorzubereiten. Am Tage, da wir todmatt längs der Küste gegen die
Meerstadt heranzogen, setzte er sich selbst an unsre Spitze und führte uns
nach dem bestimmten Lagerplatz. Da wogte es abermals von tausend Neu¬
gierigen, unter deuen mancher sorglich und warnend auf uns sah, wildes See¬
volk füllte die Straße, die zum Hafen hinabführte, tausend fremde Laute klangen
um uns, und jauchzend grüßten die armen Betrogenen die hohen Schiffe, aus
deren Masten schon die Banner mit dem roten Krenz standen. Sein erstes
Wort hatte der Schiffsherr eingelöst, ans dem Lagerplatz fanden wir notdürftige
Hütten zum Schirm vor der Sonne, Wasser und Wein und Lebensmittel waren
so reich in Vorrat gehalten, daß alle im Heer der pilgernden Kinder, welche
sich bis hierher geschleppt hatten, einmal wieder Hunger und Durst stillen
konnten. Wie an jenem Abend die Sonne niederging und ihren letzten Schein
auf das stille Meer und die stattlichen Galeeren Herrn Pietros warf, da leuchteten
diele halb erloschene Blicke wieder auf, die Kranken wähnten sich gesund und die
Schwachen wieder stark; die Abendandacht ward mit Inbrunst gehalten und aus
tausend jungen Kehlen drang noch einmal der Ruf: Gott will es! Gott will
es! recht freudig empor. Und in der folgenden Nacht schliefen die meisten
von uns, so gut und fest, als sie je unter ihrer Eltern Dache geschlafen hatten,
der Glaube war wieder in ihnen erwacht, daß sie berufen seien, die Heiden ans
der heiligen Stadt und von: Grabe des .Heilands zu verscheuchen. Ich konnte


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[0567] Die Fischerin von Malamocco. gar einen Händedruck, Ich war so von bangen: Mißtrauen gegen den Kauf¬ herrn erfüllt, daß ich mir ein Herz faßte, unberufen in deu Rat eindrang, den Gottfried der Hirt nllmvrgeutlich mit den Kriegern und Mönchen hielt, welche sich ihm angeschlossen hatten, und hier vor dem Mann von Siuigaglia warnte. Aber meine Furcht traf auf Unglauben und rauhen Hohn, und nur der, welcher unser Führer hieß, saß niedergeschlagen und stumm, ich las in seinen Angen, daß er gleiche Sorge hegte wie ich und doch sich nicht mehr aufzulehnen wagte wider den Willen und die schlimmen Ratschlüsse derer, die ihn lenkten. Die Fahrt zum heiligen Lande, so heiß ersehnt und nun so nahe, stand mir jetzt als ein Schreckbild vor Augen. In Leid und immer tieferer Reue gedachte ich des stillen Hauses zu Friedewald und der grünen Buchengründe, in denen nun schon die Blätter fielen. Hätte damals Hedwig ein Wort geredet, daß wir uns von dem Haufen trennen und Heimkehren sollten, oder ein milder Priester mir kund¬ gethan, daß das Kreuzzugsgelübde uus Unmündige nicht binde, wie gern wäre ich dem väterlichen Zürnen und der Strafe entgegengepilgert und hätte aller Unbill des Herbstes in deu Bergen getrotzt. Selbst das Kloster hätte mich nicht mehr geschreckt. Weil es aber Gottes Wille war, daß ich anders büßen sollte, blieb ich bei den Scharren, die endlich nach mühseligen Zug durch das heiße, staubige Land und die Glut der Hochsvmmertage das Meer vor sich sahen und zwischen der Stadt und dem Hafen von Sinigaglia lagerten. Herr Pietro Vicentino war wiederholt zu uns gekommen, er ritt ab und zu, wie es hieß, um alles Wohl vorzubereiten. Am Tage, da wir todmatt längs der Küste gegen die Meerstadt heranzogen, setzte er sich selbst an unsre Spitze und führte uns nach dem bestimmten Lagerplatz. Da wogte es abermals von tausend Neu¬ gierigen, unter deuen mancher sorglich und warnend auf uns sah, wildes See¬ volk füllte die Straße, die zum Hafen hinabführte, tausend fremde Laute klangen um uns, und jauchzend grüßten die armen Betrogenen die hohen Schiffe, aus deren Masten schon die Banner mit dem roten Krenz standen. Sein erstes Wort hatte der Schiffsherr eingelöst, ans dem Lagerplatz fanden wir notdürftige Hütten zum Schirm vor der Sonne, Wasser und Wein und Lebensmittel waren so reich in Vorrat gehalten, daß alle im Heer der pilgernden Kinder, welche sich bis hierher geschleppt hatten, einmal wieder Hunger und Durst stillen konnten. Wie an jenem Abend die Sonne niederging und ihren letzten Schein auf das stille Meer und die stattlichen Galeeren Herrn Pietros warf, da leuchteten diele halb erloschene Blicke wieder auf, die Kranken wähnten sich gesund und die Schwachen wieder stark; die Abendandacht ward mit Inbrunst gehalten und aus tausend jungen Kehlen drang noch einmal der Ruf: Gott will es! Gott will es! recht freudig empor. Und in der folgenden Nacht schliefen die meisten von uns, so gut und fest, als sie je unter ihrer Eltern Dache geschlafen hatten, der Glaube war wieder in ihnen erwacht, daß sie berufen seien, die Heiden ans der heiligen Stadt und von: Grabe des .Heilands zu verscheuchen. Ich konnte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/567>, abgerufen am 29.06.2024.