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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Aus der Baugeschichte Leipzigs.

lagerten mythologischen und allegorischen Figuren, die Köpfe und Büsten, die
Muscheln und Cartonchen, die Blumen- und Fruchtschnüre, Insbesondre sind
z. V. die hübsche" Baldachine über den Fenstern in Kochs Hof, die quasten¬
geschmückten Lambrequins, welche in Hvhmanns Hof auf der Petersstraße unter
allen Fensterreihen herniederhängen, die üppigen, blumengefüllten Vasen über
den Portalen und Giebeln Beispiele jener Übertragung einer festlich heitern
Innendekoration auf die Außenseite des Hauses, welche die merkwürdigste Eigen¬
tümlichkeit des an Wundern so reichen Dresdner Zwiugerbaues bildet. Auch wenn
wir nicht wüßten, wie vielfach damals Dresdner Bildhauer, wie Pierre Condray,
Bnlthasnr Permoser, Paul Hermann, Leipziger Wohnhäuser und Gärten mit
Skulpturen geschmückt haben, nicht wüßten, daß der neue Altar der Thomas-
kirche, zu dem der König das Material geschenkt hatte, von lauter Dresdner
Gewerken ausgeführt worden ist, könnte über die künstlerische Abhängigkeit Leip¬
zigs von Dresden in jener Zeit kein Zweifel fein- Einige der Leipziger Barock¬
häuser hat der damalige Stadtbaumeister Leipzigs, der Obervvgt Johann Gott¬
fried Schmiedlein gebaut. Gerade das bedeutendste aber von allen, das Romanusfche
Haus, war das Werk des Dresdner Baumeisters Fuchs. "Man wollte ihn
heißt es anf einer gestochenen Abbildung des Hauses aus dem letzten Viertel
des vorigen Jahrhunderts -- ohne vorhero gemachten Riß oder Meisterstück,
wie es bei den Handwerken gebräuchlich, nicht in die Innung nehmen, er ließ
sich aber darauf uicht ein, wollte weder Riß noch Modell verfertigen, sondern
machte sich anheischig, ein Meisterstück in und/urs, darzustellen, brachte es auch
durch seine hohen Gönner zustande, und bauete dieses Haus, wodurch er alle
seine kvllegialischeu Feinde stumm machte."

Weit wichtiger aber als die dekorative Pracht und Mannichfaltigkeit ist die
völlige Umgestaltung der Raumverhültuisfe, welche die Barvcknrchitektnr in das
bürgerliche Wohnhaus brachte. Die gedrückten Stockwerke, die niedrigen Fenster
und Thüren, mit denen man noch fast das ganze 17. Jahrhundert hindurch sich
behülfen hatte, werden durch höhere, stattlichere Räume verdrängt. Für diese
Erscheinung ist die Quelle in größerer Ferne zu suchen: hier liegen die Ein¬
wirkungen der Holländischen Bauweise, von dem wohlhabenden holländischen
Bürgerhause ist diese Umgestaltung ausgegangen. Das Grundbuch der deutschen
Baumeister am Anfange des 18. Jahrhunderts war Nikolaus Gvldmanns "An¬
weisung zur Civilbankunst," die der Braunschweiger Architekt Leonhard Christoph
Sturm ans Goldmcmns Nachlaß herausgegeben hatte. Sie erschien zuerst 1696
in Wolfenbüttel "bei Caspar Vismarcks fel. nnchgelasseuer Wittib." Goldmann
aber, 162Z in Breslau geboren, hatte in Leyden gelehrt und war .1665 dort
gestorben. Für die Leipziger Baugeschichte von besonderm Interesse ist der Um¬
stand, daß Sturm zu zweien der reichsten Leipziger Rats- und Handelsherren,
den Gebrüdern Böse, in freundschaftlichen Beziehungen stand. Für Caspar Böse
legte er Eude der achtziger Jahre vor dein grimmischen Thore den Pracht-


Aus der Baugeschichte Leipzigs.

lagerten mythologischen und allegorischen Figuren, die Köpfe und Büsten, die
Muscheln und Cartonchen, die Blumen- und Fruchtschnüre, Insbesondre sind
z. V. die hübsche» Baldachine über den Fenstern in Kochs Hof, die quasten¬
geschmückten Lambrequins, welche in Hvhmanns Hof auf der Petersstraße unter
allen Fensterreihen herniederhängen, die üppigen, blumengefüllten Vasen über
den Portalen und Giebeln Beispiele jener Übertragung einer festlich heitern
Innendekoration auf die Außenseite des Hauses, welche die merkwürdigste Eigen¬
tümlichkeit des an Wundern so reichen Dresdner Zwiugerbaues bildet. Auch wenn
wir nicht wüßten, wie vielfach damals Dresdner Bildhauer, wie Pierre Condray,
Bnlthasnr Permoser, Paul Hermann, Leipziger Wohnhäuser und Gärten mit
Skulpturen geschmückt haben, nicht wüßten, daß der neue Altar der Thomas-
kirche, zu dem der König das Material geschenkt hatte, von lauter Dresdner
Gewerken ausgeführt worden ist, könnte über die künstlerische Abhängigkeit Leip¬
zigs von Dresden in jener Zeit kein Zweifel fein- Einige der Leipziger Barock¬
häuser hat der damalige Stadtbaumeister Leipzigs, der Obervvgt Johann Gott¬
fried Schmiedlein gebaut. Gerade das bedeutendste aber von allen, das Romanusfche
Haus, war das Werk des Dresdner Baumeisters Fuchs. „Man wollte ihn
heißt es anf einer gestochenen Abbildung des Hauses aus dem letzten Viertel
des vorigen Jahrhunderts — ohne vorhero gemachten Riß oder Meisterstück,
wie es bei den Handwerken gebräuchlich, nicht in die Innung nehmen, er ließ
sich aber darauf uicht ein, wollte weder Riß noch Modell verfertigen, sondern
machte sich anheischig, ein Meisterstück in und/urs, darzustellen, brachte es auch
durch seine hohen Gönner zustande, und bauete dieses Haus, wodurch er alle
seine kvllegialischeu Feinde stumm machte."

Weit wichtiger aber als die dekorative Pracht und Mannichfaltigkeit ist die
völlige Umgestaltung der Raumverhültuisfe, welche die Barvcknrchitektnr in das
bürgerliche Wohnhaus brachte. Die gedrückten Stockwerke, die niedrigen Fenster
und Thüren, mit denen man noch fast das ganze 17. Jahrhundert hindurch sich
behülfen hatte, werden durch höhere, stattlichere Räume verdrängt. Für diese
Erscheinung ist die Quelle in größerer Ferne zu suchen: hier liegen die Ein¬
wirkungen der Holländischen Bauweise, von dem wohlhabenden holländischen
Bürgerhause ist diese Umgestaltung ausgegangen. Das Grundbuch der deutschen
Baumeister am Anfange des 18. Jahrhunderts war Nikolaus Gvldmanns „An¬
weisung zur Civilbankunst," die der Braunschweiger Architekt Leonhard Christoph
Sturm ans Goldmcmns Nachlaß herausgegeben hatte. Sie erschien zuerst 1696
in Wolfenbüttel „bei Caspar Vismarcks fel. nnchgelasseuer Wittib." Goldmann
aber, 162Z in Breslau geboren, hatte in Leyden gelehrt und war .1665 dort
gestorben. Für die Leipziger Baugeschichte von besonderm Interesse ist der Um¬
stand, daß Sturm zu zweien der reichsten Leipziger Rats- und Handelsherren,
den Gebrüdern Böse, in freundschaftlichen Beziehungen stand. Für Caspar Böse
legte er Eude der achtziger Jahre vor dein grimmischen Thore den Pracht-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/558>, abgerufen am 29.06.2024.