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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Aus der Baugeschichte.Leipzigs.

Während wir für die Geschichte der deutschen Renaissance seit 1873 die
bahnbrechende Darstellung von W. Lübke haben, die schon zu einer Fülle von
Spezialstndien Anlaß gegeben hat,*) soll die Geschichte der deutschen Barvck-
architektur noch geschrieben werden. Ist es doch kaum zehn Jahre her, daß die
deutsche Kunstwissenschaft die drei Abstufungen derselben, die sich im Laufe des
18. Jahrhunderts nach und ans einander entwickelt haben, und die von den Fran¬
zosen in den drei. Stilarten des Louis XIV., Louis XV. und Louis XVI. jeder¬
zeit streng auseinander gehalten worden sind: die eigentliche Barvckarchitektur,
das Rococo und den Zopf, von einander scheiden gelernt hat. Albert von Zahn
gebührt das Verdienst, dnrch seine epochemachende Studie in Lützows Zeitschrift:
"Barock, Rococo und Zopf" (8. Jahrgang, 1373) ein für allemal auf diesem
Gebiete Licht und Ordnung geschaffen zu haben.

Leipzig hat uuter seinen Privatgebäuden eine Anzahl der prächtigsten
Barockbauten auszuweisen, nicht bloß in der innern Stadt, sondern vereinzelt
selbst in den Vorstädten, die nun sich ausdehnten und bald noch größere Be-
deutuug erlangen sollten, als nach dem siebenjährigen Kriege die Festungswerke
Planmüßig niedergelegt, die Gräben ausgefüllt und in Spaziergünge verwandelt
wurden. Die schönsten Beispiele sind Kochs Hof am Eingange der Katharinen-
straße, von 1735 bis 1739 von dem Kaufmann Michael Koch erbaut, die drei
Hohmaunschen Häuser am Markte (1700), auf der Petersstraße (1726)
und auf der Katharinenstrnße (1717), Schöpfungen des reichen, später zum
Grafen von Hohenthal erhobenen Bankiers Peter Hvhmann, und das imposanteste
von allen das von dem Leipziger Bürgermeister Dr. Franz Romanus 1701 er¬
bnute Eckhaus der Katharineustraße und des Brühl mit seineu mächtigen, von
Erdgeschoß bis unters Dach reichenden, drei Stockwerke einschließenden Pilastern
ü. I" Palladio.

Die Frage: Wer mögen die Baumeister dieser Häuser gewesen sein? ist
nicht leicht zu beantworten. Wie die Renaissance, so zeigt anch die Barock-
nrchitektur überall aus deutschem Boden ein andres Gesicht; hier überwiegen ita¬
lienische, da französische, dort holländische Einflüsse. Die Nächstliegende Quelle
der Leipziger Barockbauten ist nicht weit zu suchen, sie liegt offenbar in Dresden,
der Stadt, die der prachtliebende König Friedrich August I. damals, dem fran¬
zösischen Hofe nacheifernd, zu einem der glänzendsten deutschen Fürstensitze um¬
gestaltete. Mit dem Elbsandstein, der jetzt den Rochlitzer Stein verdrängte --
er wurde bis nach Strehlen ans dem Wasser, von da zu Wagen nach Leipzig
gebracht --, kam auch die reiche und schwungvolle Ornamentik der Barockbauten
aus der sächsischen Residenz nach Leipzig: die verkröpften Säulen und Pfeiler
um deu Portalen, die geschweiften Giebel und Austritte darüber mit den ge-



Vvr wenigen Wochen in zweiter, wesentlich erweiterter und bereicherter Auflage er--
schienen (Stuttgart, Ebner und seubert).
Grenzboten IV. 1332. 7U
Aus der Baugeschichte.Leipzigs.

Während wir für die Geschichte der deutschen Renaissance seit 1873 die
bahnbrechende Darstellung von W. Lübke haben, die schon zu einer Fülle von
Spezialstndien Anlaß gegeben hat,*) soll die Geschichte der deutschen Barvck-
architektur noch geschrieben werden. Ist es doch kaum zehn Jahre her, daß die
deutsche Kunstwissenschaft die drei Abstufungen derselben, die sich im Laufe des
18. Jahrhunderts nach und ans einander entwickelt haben, und die von den Fran¬
zosen in den drei. Stilarten des Louis XIV., Louis XV. und Louis XVI. jeder¬
zeit streng auseinander gehalten worden sind: die eigentliche Barvckarchitektur,
das Rococo und den Zopf, von einander scheiden gelernt hat. Albert von Zahn
gebührt das Verdienst, dnrch seine epochemachende Studie in Lützows Zeitschrift:
„Barock, Rococo und Zopf" (8. Jahrgang, 1373) ein für allemal auf diesem
Gebiete Licht und Ordnung geschaffen zu haben.

Leipzig hat uuter seinen Privatgebäuden eine Anzahl der prächtigsten
Barockbauten auszuweisen, nicht bloß in der innern Stadt, sondern vereinzelt
selbst in den Vorstädten, die nun sich ausdehnten und bald noch größere Be-
deutuug erlangen sollten, als nach dem siebenjährigen Kriege die Festungswerke
Planmüßig niedergelegt, die Gräben ausgefüllt und in Spaziergünge verwandelt
wurden. Die schönsten Beispiele sind Kochs Hof am Eingange der Katharinen-
straße, von 1735 bis 1739 von dem Kaufmann Michael Koch erbaut, die drei
Hohmaunschen Häuser am Markte (1700), auf der Petersstraße (1726)
und auf der Katharinenstrnße (1717), Schöpfungen des reichen, später zum
Grafen von Hohenthal erhobenen Bankiers Peter Hvhmann, und das imposanteste
von allen das von dem Leipziger Bürgermeister Dr. Franz Romanus 1701 er¬
bnute Eckhaus der Katharineustraße und des Brühl mit seineu mächtigen, von
Erdgeschoß bis unters Dach reichenden, drei Stockwerke einschließenden Pilastern
ü. I» Palladio.

Die Frage: Wer mögen die Baumeister dieser Häuser gewesen sein? ist
nicht leicht zu beantworten. Wie die Renaissance, so zeigt anch die Barock-
nrchitektur überall aus deutschem Boden ein andres Gesicht; hier überwiegen ita¬
lienische, da französische, dort holländische Einflüsse. Die Nächstliegende Quelle
der Leipziger Barockbauten ist nicht weit zu suchen, sie liegt offenbar in Dresden,
der Stadt, die der prachtliebende König Friedrich August I. damals, dem fran¬
zösischen Hofe nacheifernd, zu einem der glänzendsten deutschen Fürstensitze um¬
gestaltete. Mit dem Elbsandstein, der jetzt den Rochlitzer Stein verdrängte —
er wurde bis nach Strehlen ans dem Wasser, von da zu Wagen nach Leipzig
gebracht —, kam auch die reiche und schwungvolle Ornamentik der Barockbauten
aus der sächsischen Residenz nach Leipzig: die verkröpften Säulen und Pfeiler
um deu Portalen, die geschweiften Giebel und Austritte darüber mit den ge-



Vvr wenigen Wochen in zweiter, wesentlich erweiterter und bereicherter Auflage er--
schienen (Stuttgart, Ebner und seubert).
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[0557] Aus der Baugeschichte.Leipzigs. Während wir für die Geschichte der deutschen Renaissance seit 1873 die bahnbrechende Darstellung von W. Lübke haben, die schon zu einer Fülle von Spezialstndien Anlaß gegeben hat,*) soll die Geschichte der deutschen Barvck- architektur noch geschrieben werden. Ist es doch kaum zehn Jahre her, daß die deutsche Kunstwissenschaft die drei Abstufungen derselben, die sich im Laufe des 18. Jahrhunderts nach und ans einander entwickelt haben, und die von den Fran¬ zosen in den drei. Stilarten des Louis XIV., Louis XV. und Louis XVI. jeder¬ zeit streng auseinander gehalten worden sind: die eigentliche Barvckarchitektur, das Rococo und den Zopf, von einander scheiden gelernt hat. Albert von Zahn gebührt das Verdienst, dnrch seine epochemachende Studie in Lützows Zeitschrift: „Barock, Rococo und Zopf" (8. Jahrgang, 1373) ein für allemal auf diesem Gebiete Licht und Ordnung geschaffen zu haben. Leipzig hat uuter seinen Privatgebäuden eine Anzahl der prächtigsten Barockbauten auszuweisen, nicht bloß in der innern Stadt, sondern vereinzelt selbst in den Vorstädten, die nun sich ausdehnten und bald noch größere Be- deutuug erlangen sollten, als nach dem siebenjährigen Kriege die Festungswerke Planmüßig niedergelegt, die Gräben ausgefüllt und in Spaziergünge verwandelt wurden. Die schönsten Beispiele sind Kochs Hof am Eingange der Katharinen- straße, von 1735 bis 1739 von dem Kaufmann Michael Koch erbaut, die drei Hohmaunschen Häuser am Markte (1700), auf der Petersstraße (1726) und auf der Katharinenstrnße (1717), Schöpfungen des reichen, später zum Grafen von Hohenthal erhobenen Bankiers Peter Hvhmann, und das imposanteste von allen das von dem Leipziger Bürgermeister Dr. Franz Romanus 1701 er¬ bnute Eckhaus der Katharineustraße und des Brühl mit seineu mächtigen, von Erdgeschoß bis unters Dach reichenden, drei Stockwerke einschließenden Pilastern ü. I» Palladio. Die Frage: Wer mögen die Baumeister dieser Häuser gewesen sein? ist nicht leicht zu beantworten. Wie die Renaissance, so zeigt anch die Barock- nrchitektur überall aus deutschem Boden ein andres Gesicht; hier überwiegen ita¬ lienische, da französische, dort holländische Einflüsse. Die Nächstliegende Quelle der Leipziger Barockbauten ist nicht weit zu suchen, sie liegt offenbar in Dresden, der Stadt, die der prachtliebende König Friedrich August I. damals, dem fran¬ zösischen Hofe nacheifernd, zu einem der glänzendsten deutschen Fürstensitze um¬ gestaltete. Mit dem Elbsandstein, der jetzt den Rochlitzer Stein verdrängte — er wurde bis nach Strehlen ans dem Wasser, von da zu Wagen nach Leipzig gebracht —, kam auch die reiche und schwungvolle Ornamentik der Barockbauten aus der sächsischen Residenz nach Leipzig: die verkröpften Säulen und Pfeiler um deu Portalen, die geschweiften Giebel und Austritte darüber mit den ge- Vvr wenigen Wochen in zweiter, wesentlich erweiterter und bereicherter Auflage er-- schienen (Stuttgart, Ebner und seubert). Grenzboten IV. 1332. 7U

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/557>, abgerufen am 28.09.2024.