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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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im bürgerlichen Hause vorüber war, "uff Rathaus tanzen." An diese Verwendung
des Saales erinnert "och das kleine, sünlengetragene Orchester an der einen
Schmalseite; dort saßen die Stadtpseifer und Knnstgeiger und spielten zum Tanze ans.

Die Perle unter den Nennissaneebauten Leipzigs rührt nicht von Lvtter
her: das Fürstenhaus auf der grimmischen Straße, ein Privathaus, das sich
1575 der Leipziger Ratsherr or. Georg Noth erbaute, seit 1648 im Besitz
der Universität. Den Namen Fürstenhaus hat es erst am Ende des 17. Jahr¬
hunderts erhalten, nachdem wiederholt answürtige Prinzen, die sich studirens
halber in Leipzig aufhielten, darin gewohnt hatten. Im Vergleich zum Rat¬
hause zeigt das Fürstenhaus bei aller Einfachheit unläugbar eine größere Fein¬
heit der Behandlung, und was dem Gebäude den größten Reiz verleiht, das
sind die beiden runden Erkerthürme, von denen die Fassade flankirt wird, an Reich¬
tum und fein erwvgeuer Gliederung der Ornamentik wahre Prachtstücke der Stein¬
metzarbeit. Die Wappen und Porträts an den Brüstnngeu der Fenster, die
mannichfach verzierten Pfeilerchen zwischen den Fenstern, über ihnen die Cartonchen
mit den Inschriften -- alles fügt sich zum schönsten Ganzen zusammen. Der
Verfertiger dieser Erker war der Leipziger Steinmetz Paul Widemann; die An¬
fangsbuchstaben seines Namens sind, sein Steinmetzzeichen umgebend, an dem an
der Nniversitätsstraße befindlichen Erker noch deutlich zu sehen.

Lotters Leben fand einen traurigen, fast tragischen Abschluß. 1567, während
er noch mit dem Thurmbau der Pleißenburg beschäftigt war, drängte Kurfürst
August den alten Mann dazu, noch deu Bau eines großen Jagdschlosses ans
dem Schelleuberg im Erzgebirge zu übernehmen, welches zur Erinnerung an die
eben vom Kurfürsten siegreich beendigten Grumbachischen Händel errichtet werden
sollte. Lotter weigerte sich anfangs, weil er sich selber sagte, daß er der Durch¬
führung dieser Aufgabe nicht mehr gewachsen sein würde, ließ sich aber schlie߬
lich überreden, um sich die Gnade seines Fürsten zu bewahren Die Folge war:
er verscherzte sich diese Gnade. Er leitete den Ban der Augustusburg vier Jahr
laug, von 1568 bis 1572, und hat ihn, kann man sagen, eigentlich vollendet.
Während des Baues aber kam es zwischen ihm und dem Kurfürsten, dein das
Werk zu langsame Fortschritte machte und schließlich auch zu viel Geld kostete,
Mu Zwiespalt, und am letzten Ende wurde die Leitung Lvtter abgenommen und
einem italienischen Festungsbaumeister, der kurz zuvor in kursächsische Dienste
getreten war, später in brandenburgische Dienste ging, Roch von Linar, über¬
tragen. Aber nicht nur daß ihn: diese Demütigung bereitet wurde, er hatte sogar
einen Theil seines Vermögens bei dein Bau zugesetzt, der ihm nie zurückerstattet
wurde, und da er gleichzeitig durch verunglückte bergmännische Unternehmungen
bei dem Städtchen Geber im Erzgebirge große Verluste erlitten hatte, so hat er,
der ehemals reiche und angesehene Leipziger Bürger- und Baumeister, die letzten
Jahre seines Lebens in gedrückten Verhältnissen in Geyer zugebracht, wo er 1580
als 82 jähriger starb.


im bürgerlichen Hause vorüber war, „uff Rathaus tanzen." An diese Verwendung
des Saales erinnert »och das kleine, sünlengetragene Orchester an der einen
Schmalseite; dort saßen die Stadtpseifer und Knnstgeiger und spielten zum Tanze ans.

Die Perle unter den Nennissaneebauten Leipzigs rührt nicht von Lvtter
her: das Fürstenhaus auf der grimmischen Straße, ein Privathaus, das sich
1575 der Leipziger Ratsherr or. Georg Noth erbaute, seit 1648 im Besitz
der Universität. Den Namen Fürstenhaus hat es erst am Ende des 17. Jahr¬
hunderts erhalten, nachdem wiederholt answürtige Prinzen, die sich studirens
halber in Leipzig aufhielten, darin gewohnt hatten. Im Vergleich zum Rat¬
hause zeigt das Fürstenhaus bei aller Einfachheit unläugbar eine größere Fein¬
heit der Behandlung, und was dem Gebäude den größten Reiz verleiht, das
sind die beiden runden Erkerthürme, von denen die Fassade flankirt wird, an Reich¬
tum und fein erwvgeuer Gliederung der Ornamentik wahre Prachtstücke der Stein¬
metzarbeit. Die Wappen und Porträts an den Brüstnngeu der Fenster, die
mannichfach verzierten Pfeilerchen zwischen den Fenstern, über ihnen die Cartonchen
mit den Inschriften — alles fügt sich zum schönsten Ganzen zusammen. Der
Verfertiger dieser Erker war der Leipziger Steinmetz Paul Widemann; die An¬
fangsbuchstaben seines Namens sind, sein Steinmetzzeichen umgebend, an dem an
der Nniversitätsstraße befindlichen Erker noch deutlich zu sehen.

Lotters Leben fand einen traurigen, fast tragischen Abschluß. 1567, während
er noch mit dem Thurmbau der Pleißenburg beschäftigt war, drängte Kurfürst
August den alten Mann dazu, noch deu Bau eines großen Jagdschlosses ans
dem Schelleuberg im Erzgebirge zu übernehmen, welches zur Erinnerung an die
eben vom Kurfürsten siegreich beendigten Grumbachischen Händel errichtet werden
sollte. Lotter weigerte sich anfangs, weil er sich selber sagte, daß er der Durch¬
führung dieser Aufgabe nicht mehr gewachsen sein würde, ließ sich aber schlie߬
lich überreden, um sich die Gnade seines Fürsten zu bewahren Die Folge war:
er verscherzte sich diese Gnade. Er leitete den Ban der Augustusburg vier Jahr
laug, von 1568 bis 1572, und hat ihn, kann man sagen, eigentlich vollendet.
Während des Baues aber kam es zwischen ihm und dem Kurfürsten, dein das
Werk zu langsame Fortschritte machte und schließlich auch zu viel Geld kostete,
Mu Zwiespalt, und am letzten Ende wurde die Leitung Lvtter abgenommen und
einem italienischen Festungsbaumeister, der kurz zuvor in kursächsische Dienste
getreten war, später in brandenburgische Dienste ging, Roch von Linar, über¬
tragen. Aber nicht nur daß ihn: diese Demütigung bereitet wurde, er hatte sogar
einen Theil seines Vermögens bei dein Bau zugesetzt, der ihm nie zurückerstattet
wurde, und da er gleichzeitig durch verunglückte bergmännische Unternehmungen
bei dem Städtchen Geber im Erzgebirge große Verluste erlitten hatte, so hat er,
der ehemals reiche und angesehene Leipziger Bürger- und Baumeister, die letzten
Jahre seines Lebens in gedrückten Verhältnissen in Geyer zugebracht, wo er 1580
als 82 jähriger starb.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/555>, abgerufen am 28.09.2024.