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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Aus der Baugeschichte Leipzigs.

vollends alibrechen, mehrere neue Basteien erbauen, und 1549 wurde der Neubau
der Pleißenburg in Angriff genommen. Die Leitung des Baues wurde Lotter
übertragen.

Von diesen Festungswerken sind heute wenigstens uoch die Henkersbastei
und Teile der Pleißenburg nebst der davor liegenden Bastei erhalten. Auf der
.Henkersbastei, die ursprünglich nach dem zerstörten Henkersthnrm genannt, später
in Moritzbastei umgetauft wurde, steht seit dein Anfange unsers Jahrhunderts
die erste Bürgerschule. Mau sieht noch die alte Zwingermauer mit dem kur¬
fürstlichen Wappen, wenn man vom Museum aus den hinter der Bürgerschule
vorbeiführenden Promenndenweg einschlägt. Von der ehemaligem Beschaffenheit
der Pleißenburg ist heule nur schwer uoch eine Vorstellung zu gewinnen; sie
ist im Laufe der Zeit durch allerhand auf- und angeflickte Neubauten bis zur
Unkenntlichkeit vernustnltet worden. Ani ehesten verschafft man sich noch im
Hofe ein Bild von der ursprünglichen Anlage. Im wesentlichen setzte sich die
Pleißenburg ans drei Hauptgebäuden zusammen, die in ihrer Grundform ein
gleichschenkliges, rechtwinkliges Dreieck bildeten. Die Hypotenuse, der innern
Stadt zugekehrt, bestand aus eiueiu mächtigen vierstöckigen Mittelgebäude, dem
sogenannten "Trvtzer," und zwei einstöckigen Seitengebäuden. Die beiden Katheten,
von gleicher Höhe wie die Seitenflügel des "Trvtzers," vereinigen sich an der
Spitze in dem gewaltigen, kreisrunden Thurme, vor welchem uoch eine Bastei
liegt, während hinter ihm ein Vorbau mit einer dnrch einen Erker abgestumpften
Kante in den Hof vorspringt. Am besten ist die eine Kathete, der südliche
Flügel erhalten. Ans dein westlichen wurde 1848 das jetzige Kunstakademie¬
gebäude errichtet, auf die Bastei setzte mau 1838 eine Kaserne, die, aus einem
westlichen und einem südlichen Flügel bestehend, den untern Teil des Thurmes
und ein beträchtliches Stück der dahinter liegenden Schtvßfliigel verdeckt; 1871
wurde die Läuge beider Kaserueuflügel verdoppelt und endlich 1875 mich der
Mittelbau des "Trotzers" bis auf das gewaltige Erdgeschoß abgetragen und
über dem ganzen Trvtzer hin ein Kasernenbau ausgeführt. Auch der Thurm
hat im Laufe des 17. nud 18. Jahrhunderts mnnnichfachc Umbauten erfahren,
den bedeutendsten, als 1787---1790 der obere, schmälere Teil desselben zu einer
Sternwarte hergerichtet wurde.

Nachdem fast ein Jahrzehnt an den Nerteidigungswerken der Stadt ge¬
arbeitet worden war, begann man in den fiiilfziger Jahren, nach dem Passauer
Vertrage und nach dem Augsburger Religionsfrieden, mich wieder an Werke
des Friedens zu denken. Damals, 1555--155", entstanden die städtischen Bauten,
deren Ausführung Lotter leitete.

Was den Nikolaithnrin betrifft, so befremdet auf deu ersten Blick der Aus¬
druck, den Lotter selbst davon braucht, wenn er sagt, er habe "uns den zweien
Thürmen an Se. Nielaskirchen ein Stück Thurms in die Höhe ballen lassen."
Der Ausdruck entspricht aber doch wohl der Sache. Die Fassade der Nikolai-


Aus der Baugeschichte Leipzigs.

vollends alibrechen, mehrere neue Basteien erbauen, und 1549 wurde der Neubau
der Pleißenburg in Angriff genommen. Die Leitung des Baues wurde Lotter
übertragen.

Von diesen Festungswerken sind heute wenigstens uoch die Henkersbastei
und Teile der Pleißenburg nebst der davor liegenden Bastei erhalten. Auf der
.Henkersbastei, die ursprünglich nach dem zerstörten Henkersthnrm genannt, später
in Moritzbastei umgetauft wurde, steht seit dein Anfange unsers Jahrhunderts
die erste Bürgerschule. Mau sieht noch die alte Zwingermauer mit dem kur¬
fürstlichen Wappen, wenn man vom Museum aus den hinter der Bürgerschule
vorbeiführenden Promenndenweg einschlägt. Von der ehemaligem Beschaffenheit
der Pleißenburg ist heule nur schwer uoch eine Vorstellung zu gewinnen; sie
ist im Laufe der Zeit durch allerhand auf- und angeflickte Neubauten bis zur
Unkenntlichkeit vernustnltet worden. Ani ehesten verschafft man sich noch im
Hofe ein Bild von der ursprünglichen Anlage. Im wesentlichen setzte sich die
Pleißenburg ans drei Hauptgebäuden zusammen, die in ihrer Grundform ein
gleichschenkliges, rechtwinkliges Dreieck bildeten. Die Hypotenuse, der innern
Stadt zugekehrt, bestand aus eiueiu mächtigen vierstöckigen Mittelgebäude, dem
sogenannten „Trvtzer," und zwei einstöckigen Seitengebäuden. Die beiden Katheten,
von gleicher Höhe wie die Seitenflügel des „Trvtzers," vereinigen sich an der
Spitze in dem gewaltigen, kreisrunden Thurme, vor welchem uoch eine Bastei
liegt, während hinter ihm ein Vorbau mit einer dnrch einen Erker abgestumpften
Kante in den Hof vorspringt. Am besten ist die eine Kathete, der südliche
Flügel erhalten. Ans dein westlichen wurde 1848 das jetzige Kunstakademie¬
gebäude errichtet, auf die Bastei setzte mau 1838 eine Kaserne, die, aus einem
westlichen und einem südlichen Flügel bestehend, den untern Teil des Thurmes
und ein beträchtliches Stück der dahinter liegenden Schtvßfliigel verdeckt; 1871
wurde die Läuge beider Kaserueuflügel verdoppelt und endlich 1875 mich der
Mittelbau des „Trotzers" bis auf das gewaltige Erdgeschoß abgetragen und
über dem ganzen Trvtzer hin ein Kasernenbau ausgeführt. Auch der Thurm
hat im Laufe des 17. nud 18. Jahrhunderts mnnnichfachc Umbauten erfahren,
den bedeutendsten, als 1787—-1790 der obere, schmälere Teil desselben zu einer
Sternwarte hergerichtet wurde.

Nachdem fast ein Jahrzehnt an den Nerteidigungswerken der Stadt ge¬
arbeitet worden war, begann man in den fiiilfziger Jahren, nach dem Passauer
Vertrage und nach dem Augsburger Religionsfrieden, mich wieder an Werke
des Friedens zu denken. Damals, 1555—155», entstanden die städtischen Bauten,
deren Ausführung Lotter leitete.

Was den Nikolaithnrin betrifft, so befremdet auf deu ersten Blick der Aus¬
druck, den Lotter selbst davon braucht, wenn er sagt, er habe „uns den zweien
Thürmen an Se. Nielaskirchen ein Stück Thurms in die Höhe ballen lassen."
Der Ausdruck entspricht aber doch wohl der Sache. Die Fassade der Nikolai-


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[0553] Aus der Baugeschichte Leipzigs. vollends alibrechen, mehrere neue Basteien erbauen, und 1549 wurde der Neubau der Pleißenburg in Angriff genommen. Die Leitung des Baues wurde Lotter übertragen. Von diesen Festungswerken sind heute wenigstens uoch die Henkersbastei und Teile der Pleißenburg nebst der davor liegenden Bastei erhalten. Auf der .Henkersbastei, die ursprünglich nach dem zerstörten Henkersthnrm genannt, später in Moritzbastei umgetauft wurde, steht seit dein Anfange unsers Jahrhunderts die erste Bürgerschule. Mau sieht noch die alte Zwingermauer mit dem kur¬ fürstlichen Wappen, wenn man vom Museum aus den hinter der Bürgerschule vorbeiführenden Promenndenweg einschlägt. Von der ehemaligem Beschaffenheit der Pleißenburg ist heule nur schwer uoch eine Vorstellung zu gewinnen; sie ist im Laufe der Zeit durch allerhand auf- und angeflickte Neubauten bis zur Unkenntlichkeit vernustnltet worden. Ani ehesten verschafft man sich noch im Hofe ein Bild von der ursprünglichen Anlage. Im wesentlichen setzte sich die Pleißenburg ans drei Hauptgebäuden zusammen, die in ihrer Grundform ein gleichschenkliges, rechtwinkliges Dreieck bildeten. Die Hypotenuse, der innern Stadt zugekehrt, bestand aus eiueiu mächtigen vierstöckigen Mittelgebäude, dem sogenannten „Trvtzer," und zwei einstöckigen Seitengebäuden. Die beiden Katheten, von gleicher Höhe wie die Seitenflügel des „Trvtzers," vereinigen sich an der Spitze in dem gewaltigen, kreisrunden Thurme, vor welchem uoch eine Bastei liegt, während hinter ihm ein Vorbau mit einer dnrch einen Erker abgestumpften Kante in den Hof vorspringt. Am besten ist die eine Kathete, der südliche Flügel erhalten. Ans dein westlichen wurde 1848 das jetzige Kunstakademie¬ gebäude errichtet, auf die Bastei setzte mau 1838 eine Kaserne, die, aus einem westlichen und einem südlichen Flügel bestehend, den untern Teil des Thurmes und ein beträchtliches Stück der dahinter liegenden Schtvßfliigel verdeckt; 1871 wurde die Läuge beider Kaserueuflügel verdoppelt und endlich 1875 mich der Mittelbau des „Trotzers" bis auf das gewaltige Erdgeschoß abgetragen und über dem ganzen Trvtzer hin ein Kasernenbau ausgeführt. Auch der Thurm hat im Laufe des 17. nud 18. Jahrhunderts mnnnichfachc Umbauten erfahren, den bedeutendsten, als 1787—-1790 der obere, schmälere Teil desselben zu einer Sternwarte hergerichtet wurde. Nachdem fast ein Jahrzehnt an den Nerteidigungswerken der Stadt ge¬ arbeitet worden war, begann man in den fiiilfziger Jahren, nach dem Passauer Vertrage und nach dem Augsburger Religionsfrieden, mich wieder an Werke des Friedens zu denken. Damals, 1555—155», entstanden die städtischen Bauten, deren Ausführung Lotter leitete. Was den Nikolaithnrin betrifft, so befremdet auf deu ersten Blick der Aus¬ druck, den Lotter selbst davon braucht, wenn er sagt, er habe „uns den zweien Thürmen an Se. Nielaskirchen ein Stück Thurms in die Höhe ballen lassen." Der Ausdruck entspricht aber doch wohl der Sache. Die Fassade der Nikolai-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/553>, abgerufen am 29.06.2024.