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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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erbauet, auf deu zweien Thürmen an S. Niklaskircheu zu eiuer Wache ein
Stück Thurms in die Höhe aufbauen lassen, mit Wohnung, daß sich ein Wächter
zu behelfen, und noch bei dem Rannischen Thor eine gemeine steinerne Bad-
stuben innerhalb der Stadt gebaut, und dieselbe lassen geweihen, daß solch
Geweih kein Treufeu oder Feuchtigkeit von sich gegeben; dergleichen andere
Stadt umbher dermaßen gebauet, daß znvorn nit gerieft, und hab nach meinem
Vermögen also gemeiner Stadt mit solchen Gebäuden zu Notdurft helfen zieren.
Und über das alles, so hat Kurfürst Augustus die Zeit seiner Regierung mir
auferlegt, daß ich das großmiichtige Haus und Schloß die Augustusburg, so
zuvor der Schelleuberg genennt worden, einreißen und wieder aufbnueu solle,
und ob ich mich meines hohen obliegenden Alters halber des in Untertänig¬
keit entschuldiget, und daß es in meinem Vermöge" uit wäre, so hab ich doch
damit uit können verschont bleiben und dnsselb, außerhalb der Werkleut, ohne
einigen Beistand mit großer, untrüglicher Mühe und Bestellung in vier Jahren,
welches sich der minder Zahl im einundsiebeuzigisten geendet, vorbracht und
das zu bewohnen gar ausgebant. Darob ich in meinem Alter, als ich scchs-
undsiebenzigk Jahr alt worden, gar uuvermöglich wordeu und gleichwohl das
Bürgermeisteramt anno dreiundsiebenzigk wieder annehmen und verwalten
müssen. Das zeig ich uit umb Ruhms willen an, sondern daß solches nach
meinem Tod meinen Kindern umb ihres Vaters willen zu Ehren und gutem
gereichen möchte. Das hab ich also in diesen Knopf, neben andern Schriften
und Gedächtnissen, verwahrlich bringen wollen. Das geschehen ist deu 14.
Septembris des suufzeheuhundertnnddreinndsiebeuzigsleu Jahrs ?e. Jeronimus
Lotter der Älter, Bürgermeister "er.

Von den Bauwerken, die Lotter hier aufzählt, sind zwei nicht mehr vor¬
handen, das Getreidemagazin und das Stadibad. Das erstere, 1545 erbaut,
lag am Ostende des Brühl. Es hat nur 155 Jahre gestanden; im Jahre 1700
wurde es abgetragen und an seine Stelle das Zucht- und Waisenhaus zu
Se. Georg erbaut, das nnn mich schon wieder beseitigt ist und der Kreditanstalt
Platz gemacht hat. Die Bnderei, 1555 -1558 entstanden, bildete die Ecke der
großen Fleischergasse mich dein Ranstädter Thore zu; die Badeeinrichtung hat
bis 1785 bestände"?, das Haus selbst hat 1827 einem Neubau weichen müssen.

Die Thätigkeit Lotters an den Leipziger Festungsbauten beginnt 1549 und
laßt sich von da an durch zwei Jahrzehnte verfolgen. Die alten Mauern und
Thürme, darunter der mächtige Henkersthurm, um Ausgange der heutigen Uni¬
versitätsstraße, hatten 1547 im schmalkaldischen Kriege bei der Belagerung
Leipzigs durch Kurfürst Johann Friedrich stark gelitten; die noch seit Markgraf
Dietrichs Zeiten flehende Pleißenburg war teilweise geradezu in einen Haufen
zusammengeschossen worden. Daher nahm 1548 der nunmehrige Kurfürst Moritz,
der schon im Jahre vor der Belagerung mit einer Erneuerung und Erweiterung
der FestuugsU'erke begonnen hatte, diese Pläne wieder auf, ließ das alte Schloß


erbauet, auf deu zweien Thürmen an S. Niklaskircheu zu eiuer Wache ein
Stück Thurms in die Höhe aufbauen lassen, mit Wohnung, daß sich ein Wächter
zu behelfen, und noch bei dem Rannischen Thor eine gemeine steinerne Bad-
stuben innerhalb der Stadt gebaut, und dieselbe lassen geweihen, daß solch
Geweih kein Treufeu oder Feuchtigkeit von sich gegeben; dergleichen andere
Stadt umbher dermaßen gebauet, daß znvorn nit gerieft, und hab nach meinem
Vermögen also gemeiner Stadt mit solchen Gebäuden zu Notdurft helfen zieren.
Und über das alles, so hat Kurfürst Augustus die Zeit seiner Regierung mir
auferlegt, daß ich das großmiichtige Haus und Schloß die Augustusburg, so
zuvor der Schelleuberg genennt worden, einreißen und wieder aufbnueu solle,
und ob ich mich meines hohen obliegenden Alters halber des in Untertänig¬
keit entschuldiget, und daß es in meinem Vermöge« uit wäre, so hab ich doch
damit uit können verschont bleiben und dnsselb, außerhalb der Werkleut, ohne
einigen Beistand mit großer, untrüglicher Mühe und Bestellung in vier Jahren,
welches sich der minder Zahl im einundsiebeuzigisten geendet, vorbracht und
das zu bewohnen gar ausgebant. Darob ich in meinem Alter, als ich scchs-
undsiebenzigk Jahr alt worden, gar uuvermöglich wordeu und gleichwohl das
Bürgermeisteramt anno dreiundsiebenzigk wieder annehmen und verwalten
müssen. Das zeig ich uit umb Ruhms willen an, sondern daß solches nach
meinem Tod meinen Kindern umb ihres Vaters willen zu Ehren und gutem
gereichen möchte. Das hab ich also in diesen Knopf, neben andern Schriften
und Gedächtnissen, verwahrlich bringen wollen. Das geschehen ist deu 14.
Septembris des suufzeheuhundertnnddreinndsiebeuzigsleu Jahrs ?e. Jeronimus
Lotter der Älter, Bürgermeister «er.

Von den Bauwerken, die Lotter hier aufzählt, sind zwei nicht mehr vor¬
handen, das Getreidemagazin und das Stadibad. Das erstere, 1545 erbaut,
lag am Ostende des Brühl. Es hat nur 155 Jahre gestanden; im Jahre 1700
wurde es abgetragen und an seine Stelle das Zucht- und Waisenhaus zu
Se. Georg erbaut, das nnn mich schon wieder beseitigt ist und der Kreditanstalt
Platz gemacht hat. Die Bnderei, 1555 -1558 entstanden, bildete die Ecke der
großen Fleischergasse mich dein Ranstädter Thore zu; die Badeeinrichtung hat
bis 1785 bestände«?, das Haus selbst hat 1827 einem Neubau weichen müssen.

Die Thätigkeit Lotters an den Leipziger Festungsbauten beginnt 1549 und
laßt sich von da an durch zwei Jahrzehnte verfolgen. Die alten Mauern und
Thürme, darunter der mächtige Henkersthurm, um Ausgange der heutigen Uni¬
versitätsstraße, hatten 1547 im schmalkaldischen Kriege bei der Belagerung
Leipzigs durch Kurfürst Johann Friedrich stark gelitten; die noch seit Markgraf
Dietrichs Zeiten flehende Pleißenburg war teilweise geradezu in einen Haufen
zusammengeschossen worden. Daher nahm 1548 der nunmehrige Kurfürst Moritz,
der schon im Jahre vor der Belagerung mit einer Erneuerung und Erweiterung
der FestuugsU'erke begonnen hatte, diese Pläne wieder auf, ließ das alte Schloß


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/552>, abgerufen am 29.06.2024.