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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Aus der Baugeschichte Leipzigs.

bürg (1549--1569), die alte Wange und der Nikolaithurm (1655), das Rat¬
haus (1556), das Polizeigebäude am Naschmarkte mit dem Burgkeller (1572), das
Fürstenhaus (1575), die Pfarrhäuser an der Thomnskirche (1582), die Johannis-
kirche (1584) u. a. Auch das Krauurhaus ist augenscheinlich im 16, Jahrhundert
entstanden, wenngleich das Jahr seiner Erbauung sich nicht geuau augeben läßt.

Im Zusammenhange mit den wichtigsten dieser Bauten tritt uns zum ersten-
male in der Baugeschichte Leipzigs die greifbare Persönlichkeit eines Baumeisters
entgegen, dessen Namen selbst die allgemeine Geschichte der Baukunst in ihren
Blättern zu verzeichnen gewürdigt hat: Hieronymus Lotter. Er stammte aus
Nürnberg, der Stadt, die im Laufe des 16. Jahrhunderts zahlreiche Kaufleute,
Handwerker und Künstler an Leipzig abgegeben hat, und war 1498 geboren.
Sein Vater war Kaufmann in Nürnberg, siedelte aber, als Hieronymus noch
ein Knabe war, nach Annaberg über, kam also dort zu einer Zeit an, wo der
Van der erwähnten Annaberger Kirche in vollem Gange war, und von dort
aus gelangte der junge Lotter um 1522 nach Leipzig. Hier erhielt er 1533
das Bürgerrecht, kam bald zu Wohlstand und Ansehen, erwarb mannichfachen
Grundbesitz und wurde 1549 in den Rat, 1555 zum erstenmale zum Bürger¬
meister gewählt.

Wir dürfen uns Lotter nicht als einen Baumeister von Profession vorstellen.
Er war Kaufmann, daneben aber, wie der Leipziger Chronist Zncharias Schneider
ganz richtig schreibt, "ein in der Architektur und Baukunst wvlsterfahrener und
geübter Mann." Über feine Thätigkeit als Baumeister besitzen wir einen höchst
merkwürdigen, von ihm selbst herrührenden Bericht. Als sich im Jahre 1573
eine Ausbesserung am Rathausturme notwendig machte, ließ Lotter, der in diesem
Jahre zum siebenten und letztenmnle das Bürgermeisteramt verwaltete, eine
Urkunde über seine damals von ihm als abgeschlossen betrachtete Bauthätigkeit
im Thurmknopfe niederlegen. In diefem Schriftstück erzählt er:

Es hat mich Kurfürst Moritz die Zeit seiner Regierung zu einem Bau¬
meister alhie zu Leipzig! über das Schloß Pleißenburg gemacht. Do hab ich
mit meiner eignen Hand als ein verordneter Baumeister den ersten Stein
in Gründen gelegt, und das ohn einigen Beistand, außerhalb der Werlleut
gnr auferbauet. Darnach hab ich die Henkersbasteien gleichergestalt anch aus
dem Grnnde bis in die Höhe aufgebauet und an der Festung vor allen Thoren
viel Mauerwerks vorbracht, das alte Rathaus lassen einreißen und zum
Teil die alten Gründe und etzlich Mauerwerk zu Hülf genommen und aus
habenden Befehl eines Erbnrn Rats solch Rathaus, wie es itzt stehet, in
neun Monat, daß solches wieder zu bewohnen geWest, gar auferbauet, daß also
mir zwei Jahr aneinander das Bürgermeisteramt zu verwalten auferlegt
worden ist. Zudem so hab ich zu Beförderung gemeiner Stadt ein alt einge¬
fallen steinern Gebäude, im Brühl gelegen, die Gründe und das alte Mauer¬
werk zu Hülfe genommen lind ein stattlich Kornhaus, wie vor Augen stehet,


Aus der Baugeschichte Leipzigs.

bürg (1549—1569), die alte Wange und der Nikolaithurm (1655), das Rat¬
haus (1556), das Polizeigebäude am Naschmarkte mit dem Burgkeller (1572), das
Fürstenhaus (1575), die Pfarrhäuser an der Thomnskirche (1582), die Johannis-
kirche (1584) u. a. Auch das Krauurhaus ist augenscheinlich im 16, Jahrhundert
entstanden, wenngleich das Jahr seiner Erbauung sich nicht geuau augeben läßt.

Im Zusammenhange mit den wichtigsten dieser Bauten tritt uns zum ersten-
male in der Baugeschichte Leipzigs die greifbare Persönlichkeit eines Baumeisters
entgegen, dessen Namen selbst die allgemeine Geschichte der Baukunst in ihren
Blättern zu verzeichnen gewürdigt hat: Hieronymus Lotter. Er stammte aus
Nürnberg, der Stadt, die im Laufe des 16. Jahrhunderts zahlreiche Kaufleute,
Handwerker und Künstler an Leipzig abgegeben hat, und war 1498 geboren.
Sein Vater war Kaufmann in Nürnberg, siedelte aber, als Hieronymus noch
ein Knabe war, nach Annaberg über, kam also dort zu einer Zeit an, wo der
Van der erwähnten Annaberger Kirche in vollem Gange war, und von dort
aus gelangte der junge Lotter um 1522 nach Leipzig. Hier erhielt er 1533
das Bürgerrecht, kam bald zu Wohlstand und Ansehen, erwarb mannichfachen
Grundbesitz und wurde 1549 in den Rat, 1555 zum erstenmale zum Bürger¬
meister gewählt.

Wir dürfen uns Lotter nicht als einen Baumeister von Profession vorstellen.
Er war Kaufmann, daneben aber, wie der Leipziger Chronist Zncharias Schneider
ganz richtig schreibt, „ein in der Architektur und Baukunst wvlsterfahrener und
geübter Mann." Über feine Thätigkeit als Baumeister besitzen wir einen höchst
merkwürdigen, von ihm selbst herrührenden Bericht. Als sich im Jahre 1573
eine Ausbesserung am Rathausturme notwendig machte, ließ Lotter, der in diesem
Jahre zum siebenten und letztenmnle das Bürgermeisteramt verwaltete, eine
Urkunde über seine damals von ihm als abgeschlossen betrachtete Bauthätigkeit
im Thurmknopfe niederlegen. In diefem Schriftstück erzählt er:

Es hat mich Kurfürst Moritz die Zeit seiner Regierung zu einem Bau¬
meister alhie zu Leipzig! über das Schloß Pleißenburg gemacht. Do hab ich
mit meiner eignen Hand als ein verordneter Baumeister den ersten Stein
in Gründen gelegt, und das ohn einigen Beistand, außerhalb der Werlleut
gnr auferbauet. Darnach hab ich die Henkersbasteien gleichergestalt anch aus
dem Grnnde bis in die Höhe aufgebauet und an der Festung vor allen Thoren
viel Mauerwerks vorbracht, das alte Rathaus lassen einreißen und zum
Teil die alten Gründe und etzlich Mauerwerk zu Hülf genommen und aus
habenden Befehl eines Erbnrn Rats solch Rathaus, wie es itzt stehet, in
neun Monat, daß solches wieder zu bewohnen geWest, gar auferbauet, daß also
mir zwei Jahr aneinander das Bürgermeisteramt zu verwalten auferlegt
worden ist. Zudem so hab ich zu Beförderung gemeiner Stadt ein alt einge¬
fallen steinern Gebäude, im Brühl gelegen, die Gründe und das alte Mauer¬
werk zu Hülfe genommen lind ein stattlich Kornhaus, wie vor Augen stehet,


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[0551] Aus der Baugeschichte Leipzigs. bürg (1549—1569), die alte Wange und der Nikolaithurm (1655), das Rat¬ haus (1556), das Polizeigebäude am Naschmarkte mit dem Burgkeller (1572), das Fürstenhaus (1575), die Pfarrhäuser an der Thomnskirche (1582), die Johannis- kirche (1584) u. a. Auch das Krauurhaus ist augenscheinlich im 16, Jahrhundert entstanden, wenngleich das Jahr seiner Erbauung sich nicht geuau augeben läßt. Im Zusammenhange mit den wichtigsten dieser Bauten tritt uns zum ersten- male in der Baugeschichte Leipzigs die greifbare Persönlichkeit eines Baumeisters entgegen, dessen Namen selbst die allgemeine Geschichte der Baukunst in ihren Blättern zu verzeichnen gewürdigt hat: Hieronymus Lotter. Er stammte aus Nürnberg, der Stadt, die im Laufe des 16. Jahrhunderts zahlreiche Kaufleute, Handwerker und Künstler an Leipzig abgegeben hat, und war 1498 geboren. Sein Vater war Kaufmann in Nürnberg, siedelte aber, als Hieronymus noch ein Knabe war, nach Annaberg über, kam also dort zu einer Zeit an, wo der Van der erwähnten Annaberger Kirche in vollem Gange war, und von dort aus gelangte der junge Lotter um 1522 nach Leipzig. Hier erhielt er 1533 das Bürgerrecht, kam bald zu Wohlstand und Ansehen, erwarb mannichfachen Grundbesitz und wurde 1549 in den Rat, 1555 zum erstenmale zum Bürger¬ meister gewählt. Wir dürfen uns Lotter nicht als einen Baumeister von Profession vorstellen. Er war Kaufmann, daneben aber, wie der Leipziger Chronist Zncharias Schneider ganz richtig schreibt, „ein in der Architektur und Baukunst wvlsterfahrener und geübter Mann." Über feine Thätigkeit als Baumeister besitzen wir einen höchst merkwürdigen, von ihm selbst herrührenden Bericht. Als sich im Jahre 1573 eine Ausbesserung am Rathausturme notwendig machte, ließ Lotter, der in diesem Jahre zum siebenten und letztenmnle das Bürgermeisteramt verwaltete, eine Urkunde über seine damals von ihm als abgeschlossen betrachtete Bauthätigkeit im Thurmknopfe niederlegen. In diefem Schriftstück erzählt er: Es hat mich Kurfürst Moritz die Zeit seiner Regierung zu einem Bau¬ meister alhie zu Leipzig! über das Schloß Pleißenburg gemacht. Do hab ich mit meiner eignen Hand als ein verordneter Baumeister den ersten Stein in Gründen gelegt, und das ohn einigen Beistand, außerhalb der Werlleut gnr auferbauet. Darnach hab ich die Henkersbasteien gleichergestalt anch aus dem Grnnde bis in die Höhe aufgebauet und an der Festung vor allen Thoren viel Mauerwerks vorbracht, das alte Rathaus lassen einreißen und zum Teil die alten Gründe und etzlich Mauerwerk zu Hülf genommen und aus habenden Befehl eines Erbnrn Rats solch Rathaus, wie es itzt stehet, in neun Monat, daß solches wieder zu bewohnen geWest, gar auferbauet, daß also mir zwei Jahr aneinander das Bürgermeisteramt zu verwalten auferlegt worden ist. Zudem so hab ich zu Beförderung gemeiner Stadt ein alt einge¬ fallen steinern Gebäude, im Brühl gelegen, die Gründe und das alte Mauer¬ werk zu Hülfe genommen lind ein stattlich Kornhaus, wie vor Augen stehet,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/551>, abgerufen am 29.06.2024.