Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Aus der Laugeschichte Leipzigs.

gekommen, und der Ausdruck "neugothisch," mit dem man sie vielfach im vorigen
Jahrhundert bezeichnete, ist für Leipzig vollkommen zutreffend. Die Hoheit Giebel
an den Fassaden wurden bis ans Ende des 17. Jahrhunderts beibehalten.
Häufig wurden kleine Giebel, bloße Ziergiebel, an den der Straße zugekehrten
Langseiten der Hänser zu zweien oder dreien vor das Dach gesetzt. An die
Stelle des Spitzbogens trat an den Thüren überall der Rundbogen, an den
Fenstern horizontaler Abschluß. Ungemein beliebt waren die Erker, die sich bis
tief ins 18. Jahrhundert hinein fortpflanzen und erst in der Zopfzeit verschwinden.
Die sogenannten Überhänge, die übereinander vorspringenden Stockwerke, wurden
ni der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wenn nicht ganz verboten, so doch
beschränkt. Im Leipziger Stadtbuche von 1559 findet sich die merkwürdige
baupolizeiliche Vorschrift: "Den Zimmerleuten ist angezeigt worden, daß sie an
keinem neuen Gebun, das sie richten, ohne des Rats Vvrbewnßt Überhäng
machen sollen, bei des Rats ernster Straf. Wolf Hase, Zimmermann, soll
den obersten Überhang an dem Gebäude, so er Georgen Schmieder zur gülden
Gaus ^auf der Hainstraße^ gerichtet, wieder abthun, auch auf Erforderuug sich
wieder einstellen und die Strafe, so ihm auferlegt werden wird, geben, daß er
wider beschehen Verbot den Überhang gemacht hat." Was das Baumaterial
betrifft, so kennt anch die Renaissance in Leipzig nur verputzte Vacksteinbauten;
Fenster- und Thüreiufassungeu, Säulen und Pilaster, Simse und Friese wurden
in der Regel aus dem schon erwähnten roten Stein gearbeitet. Die Roch-
litzer Steinmetzen sind es gewesen, die an der Leipziger Renaissance das beste
gethan haben. Die Fensterumrahmungen mit ihren Hohlkehlen und Nundstäben,
die Thüreiufassungeu mit ihren mannichfach verzierten Bogen, ihren Nischen und
Sitzsteinen, die Simse und Lisenen, durch welche die abgetreppten Giebel senk¬
recht und wagerecht gegliedert, die "- und v-förmigen Voluten, von denen die
einzelnen Stufen eingefaßt, die Kugeln und Granaten, die Becher und Blumen,
von denen sie flcmkirt wurden, sie sind es ja, die diesen Bauwerken ihren Haupt-
reiz verleihen. Übrigens hat es anch nicht an bunten Fassaden gefehlt. Das
berühmte Stüdtebuch von Braun und Hohenberg vom Jahre 1572 beschreibt
Leipzig als eine Stadt "mit großen steinen Häusern, so alle einwendig mit
Brettern belastet, auswendig aber mit gar kunstreichen und lustigen Gemälds
gebauet und ausgeputzet," und auf einem Kupferstich vom Jahre 1593, der die
Hinrichtung von vier Rädelsführern des Leipziger Calvinistennufrnhrs auf dein
Marktplatze darstellt, zeigt das zweite Haus links vom Salzgäßchen unter jeder
Fensterreihe der oberen Stockwerke einen gemalten Fries.

Von erhaltenen Gebäuden gehören der geschilderten Periode an: Auerbachs
Hof, 1530 und die folgenden Jahre von Dr. Heinrich Strömer von Auerbach
gebaut, das alte Amthaus an der Ecke des Thomaskirchhofs und der Kloster¬
gasse (1534), der Thomasthnrm (1537), das Eckhaus der Katharinenstraße
und des Vrühls mit seinem übereck gestellten Nnstieaerker (1549), die Pleißen-


Aus der Laugeschichte Leipzigs.

gekommen, und der Ausdruck „neugothisch," mit dem man sie vielfach im vorigen
Jahrhundert bezeichnete, ist für Leipzig vollkommen zutreffend. Die Hoheit Giebel
an den Fassaden wurden bis ans Ende des 17. Jahrhunderts beibehalten.
Häufig wurden kleine Giebel, bloße Ziergiebel, an den der Straße zugekehrten
Langseiten der Hänser zu zweien oder dreien vor das Dach gesetzt. An die
Stelle des Spitzbogens trat an den Thüren überall der Rundbogen, an den
Fenstern horizontaler Abschluß. Ungemein beliebt waren die Erker, die sich bis
tief ins 18. Jahrhundert hinein fortpflanzen und erst in der Zopfzeit verschwinden.
Die sogenannten Überhänge, die übereinander vorspringenden Stockwerke, wurden
ni der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wenn nicht ganz verboten, so doch
beschränkt. Im Leipziger Stadtbuche von 1559 findet sich die merkwürdige
baupolizeiliche Vorschrift: „Den Zimmerleuten ist angezeigt worden, daß sie an
keinem neuen Gebun, das sie richten, ohne des Rats Vvrbewnßt Überhäng
machen sollen, bei des Rats ernster Straf. Wolf Hase, Zimmermann, soll
den obersten Überhang an dem Gebäude, so er Georgen Schmieder zur gülden
Gaus ^auf der Hainstraße^ gerichtet, wieder abthun, auch auf Erforderuug sich
wieder einstellen und die Strafe, so ihm auferlegt werden wird, geben, daß er
wider beschehen Verbot den Überhang gemacht hat." Was das Baumaterial
betrifft, so kennt anch die Renaissance in Leipzig nur verputzte Vacksteinbauten;
Fenster- und Thüreiufassungeu, Säulen und Pilaster, Simse und Friese wurden
in der Regel aus dem schon erwähnten roten Stein gearbeitet. Die Roch-
litzer Steinmetzen sind es gewesen, die an der Leipziger Renaissance das beste
gethan haben. Die Fensterumrahmungen mit ihren Hohlkehlen und Nundstäben,
die Thüreiufassungeu mit ihren mannichfach verzierten Bogen, ihren Nischen und
Sitzsteinen, die Simse und Lisenen, durch welche die abgetreppten Giebel senk¬
recht und wagerecht gegliedert, die »- und v-förmigen Voluten, von denen die
einzelnen Stufen eingefaßt, die Kugeln und Granaten, die Becher und Blumen,
von denen sie flcmkirt wurden, sie sind es ja, die diesen Bauwerken ihren Haupt-
reiz verleihen. Übrigens hat es anch nicht an bunten Fassaden gefehlt. Das
berühmte Stüdtebuch von Braun und Hohenberg vom Jahre 1572 beschreibt
Leipzig als eine Stadt „mit großen steinen Häusern, so alle einwendig mit
Brettern belastet, auswendig aber mit gar kunstreichen und lustigen Gemälds
gebauet und ausgeputzet," und auf einem Kupferstich vom Jahre 1593, der die
Hinrichtung von vier Rädelsführern des Leipziger Calvinistennufrnhrs auf dein
Marktplatze darstellt, zeigt das zweite Haus links vom Salzgäßchen unter jeder
Fensterreihe der oberen Stockwerke einen gemalten Fries.

Von erhaltenen Gebäuden gehören der geschilderten Periode an: Auerbachs
Hof, 1530 und die folgenden Jahre von Dr. Heinrich Strömer von Auerbach
gebaut, das alte Amthaus an der Ecke des Thomaskirchhofs und der Kloster¬
gasse (1534), der Thomasthnrm (1537), das Eckhaus der Katharinenstraße
und des Vrühls mit seinem übereck gestellten Nnstieaerker (1549), die Pleißen-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0550" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/194528"/>
          <fw type="header" place="top"> Aus der Laugeschichte Leipzigs.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1984" prev="#ID_1983"> gekommen, und der Ausdruck &#x201E;neugothisch," mit dem man sie vielfach im vorigen<lb/>
Jahrhundert bezeichnete, ist für Leipzig vollkommen zutreffend. Die Hoheit Giebel<lb/>
an den Fassaden wurden bis ans Ende des 17. Jahrhunderts beibehalten.<lb/>
Häufig wurden kleine Giebel, bloße Ziergiebel, an den der Straße zugekehrten<lb/>
Langseiten der Hänser zu zweien oder dreien vor das Dach gesetzt. An die<lb/>
Stelle des Spitzbogens trat an den Thüren überall der Rundbogen, an den<lb/>
Fenstern horizontaler Abschluß. Ungemein beliebt waren die Erker, die sich bis<lb/>
tief ins 18. Jahrhundert hinein fortpflanzen und erst in der Zopfzeit verschwinden.<lb/>
Die sogenannten Überhänge, die übereinander vorspringenden Stockwerke, wurden<lb/>
ni der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wenn nicht ganz verboten, so doch<lb/>
beschränkt. Im Leipziger Stadtbuche von 1559 findet sich die merkwürdige<lb/>
baupolizeiliche Vorschrift: &#x201E;Den Zimmerleuten ist angezeigt worden, daß sie an<lb/>
keinem neuen Gebun, das sie richten, ohne des Rats Vvrbewnßt Überhäng<lb/>
machen sollen, bei des Rats ernster Straf. Wolf Hase, Zimmermann, soll<lb/>
den obersten Überhang an dem Gebäude, so er Georgen Schmieder zur gülden<lb/>
Gaus ^auf der Hainstraße^ gerichtet, wieder abthun, auch auf Erforderuug sich<lb/>
wieder einstellen und die Strafe, so ihm auferlegt werden wird, geben, daß er<lb/>
wider beschehen Verbot den Überhang gemacht hat." Was das Baumaterial<lb/>
betrifft, so kennt anch die Renaissance in Leipzig nur verputzte Vacksteinbauten;<lb/>
Fenster- und Thüreiufassungeu, Säulen und Pilaster, Simse und Friese wurden<lb/>
in der Regel aus dem schon erwähnten roten Stein gearbeitet. Die Roch-<lb/>
litzer Steinmetzen sind es gewesen, die an der Leipziger Renaissance das beste<lb/>
gethan haben. Die Fensterumrahmungen mit ihren Hohlkehlen und Nundstäben,<lb/>
die Thüreiufassungeu mit ihren mannichfach verzierten Bogen, ihren Nischen und<lb/>
Sitzsteinen, die Simse und Lisenen, durch welche die abgetreppten Giebel senk¬<lb/>
recht und wagerecht gegliedert, die »- und v-förmigen Voluten, von denen die<lb/>
einzelnen Stufen eingefaßt, die Kugeln und Granaten, die Becher und Blumen,<lb/>
von denen sie flcmkirt wurden, sie sind es ja, die diesen Bauwerken ihren Haupt-<lb/>
reiz verleihen. Übrigens hat es anch nicht an bunten Fassaden gefehlt. Das<lb/>
berühmte Stüdtebuch von Braun und Hohenberg vom Jahre 1572 beschreibt<lb/>
Leipzig als eine Stadt &#x201E;mit großen steinen Häusern, so alle einwendig mit<lb/>
Brettern belastet, auswendig aber mit gar kunstreichen und lustigen Gemälds<lb/>
gebauet und ausgeputzet," und auf einem Kupferstich vom Jahre 1593, der die<lb/>
Hinrichtung von vier Rädelsführern des Leipziger Calvinistennufrnhrs auf dein<lb/>
Marktplatze darstellt, zeigt das zweite Haus links vom Salzgäßchen unter jeder<lb/>
Fensterreihe der oberen Stockwerke einen gemalten Fries.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1985" next="#ID_1986"> Von erhaltenen Gebäuden gehören der geschilderten Periode an: Auerbachs<lb/>
Hof, 1530 und die folgenden Jahre von Dr. Heinrich Strömer von Auerbach<lb/>
gebaut, das alte Amthaus an der Ecke des Thomaskirchhofs und der Kloster¬<lb/>
gasse (1534), der Thomasthnrm (1537), das Eckhaus der Katharinenstraße<lb/>
und des Vrühls mit seinem übereck gestellten Nnstieaerker (1549), die Pleißen-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0550] Aus der Laugeschichte Leipzigs. gekommen, und der Ausdruck „neugothisch," mit dem man sie vielfach im vorigen Jahrhundert bezeichnete, ist für Leipzig vollkommen zutreffend. Die Hoheit Giebel an den Fassaden wurden bis ans Ende des 17. Jahrhunderts beibehalten. Häufig wurden kleine Giebel, bloße Ziergiebel, an den der Straße zugekehrten Langseiten der Hänser zu zweien oder dreien vor das Dach gesetzt. An die Stelle des Spitzbogens trat an den Thüren überall der Rundbogen, an den Fenstern horizontaler Abschluß. Ungemein beliebt waren die Erker, die sich bis tief ins 18. Jahrhundert hinein fortpflanzen und erst in der Zopfzeit verschwinden. Die sogenannten Überhänge, die übereinander vorspringenden Stockwerke, wurden ni der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wenn nicht ganz verboten, so doch beschränkt. Im Leipziger Stadtbuche von 1559 findet sich die merkwürdige baupolizeiliche Vorschrift: „Den Zimmerleuten ist angezeigt worden, daß sie an keinem neuen Gebun, das sie richten, ohne des Rats Vvrbewnßt Überhäng machen sollen, bei des Rats ernster Straf. Wolf Hase, Zimmermann, soll den obersten Überhang an dem Gebäude, so er Georgen Schmieder zur gülden Gaus ^auf der Hainstraße^ gerichtet, wieder abthun, auch auf Erforderuug sich wieder einstellen und die Strafe, so ihm auferlegt werden wird, geben, daß er wider beschehen Verbot den Überhang gemacht hat." Was das Baumaterial betrifft, so kennt anch die Renaissance in Leipzig nur verputzte Vacksteinbauten; Fenster- und Thüreiufassungeu, Säulen und Pilaster, Simse und Friese wurden in der Regel aus dem schon erwähnten roten Stein gearbeitet. Die Roch- litzer Steinmetzen sind es gewesen, die an der Leipziger Renaissance das beste gethan haben. Die Fensterumrahmungen mit ihren Hohlkehlen und Nundstäben, die Thüreiufassungeu mit ihren mannichfach verzierten Bogen, ihren Nischen und Sitzsteinen, die Simse und Lisenen, durch welche die abgetreppten Giebel senk¬ recht und wagerecht gegliedert, die »- und v-förmigen Voluten, von denen die einzelnen Stufen eingefaßt, die Kugeln und Granaten, die Becher und Blumen, von denen sie flcmkirt wurden, sie sind es ja, die diesen Bauwerken ihren Haupt- reiz verleihen. Übrigens hat es anch nicht an bunten Fassaden gefehlt. Das berühmte Stüdtebuch von Braun und Hohenberg vom Jahre 1572 beschreibt Leipzig als eine Stadt „mit großen steinen Häusern, so alle einwendig mit Brettern belastet, auswendig aber mit gar kunstreichen und lustigen Gemälds gebauet und ausgeputzet," und auf einem Kupferstich vom Jahre 1593, der die Hinrichtung von vier Rädelsführern des Leipziger Calvinistennufrnhrs auf dein Marktplatze darstellt, zeigt das zweite Haus links vom Salzgäßchen unter jeder Fensterreihe der oberen Stockwerke einen gemalten Fries. Von erhaltenen Gebäuden gehören der geschilderten Periode an: Auerbachs Hof, 1530 und die folgenden Jahre von Dr. Heinrich Strömer von Auerbach gebaut, das alte Amthaus an der Ecke des Thomaskirchhofs und der Kloster¬ gasse (1534), der Thomasthnrm (1537), das Eckhaus der Katharinenstraße und des Vrühls mit seinem übereck gestellten Nnstieaerker (1549), die Pleißen-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/550
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/550>, abgerufen am 28.09.2024.