Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Aus der Ballgeschichte Leipzigs.

des 15. Jahrhunderts ein neuer Faktor in die Baltthätigkeit Leipzigs mit ein¬
gegriffen: die 1409 unter Markgraf Friedrich dem streitbaren gestiftete Universität.
Die Stiftungsurkunde schenkte der Universität zwei Kvllegienhäuser, die nach dem
fürstlichen Geber den Namen Fürstenkollegien erhielten. Das große Fürsten¬
kollegium, 1429 vollendet, stand um der Stelle der heutigen Buchhändlerbörse.
Das kleine Fürslenkollegium, ursprünglich ans der Petersstrnße gelegen, wurde
1456 gegen ein Gebände an der Ecke der Ritterstraße und des Eselsplntzes ver¬
tauscht, das seit 1825 ebenfalls abgebrochen ist. Ein drittes Kollegium aber,
das zwischen den beiden andern lag, steht noch, das neue oder wegen seines
traditionellen roten Anstrichs das "rote Kolleg" genannt. Und zwar steht es
ans dem Platze des ehemaligen Ratsmarställes, an den noch der Name der
Nitterstraße erinnert. Ans Veranlassung Herzog Georgs verlegte der Rat zu
Anfang des 16. Jahrhunderts seinen Marstall nach dem Neumarkt, überließ
deu bisherigen Platz der Universität und erbaute selbst von 1502--1513 das
große Hintergebäude, worauf die Universität 1517 das Vordergebäude an der
Nitterstraße hinzufügte.

Ruch diese Bauten aus denn Ende des 15, und dem Anfange des 16. Jahr¬
hunderts, also kunstwissenschaftlich gesprochen aus der Zeit der Spätgothik,
bieten kein großes architektonisches Interesse; es sind samt und sonders schlichte,
handN'erksmäßige, völlig schmucklose Bauwerke. Merkwürdig ist es und wiederum
ein Zeichen von den reichen Mitteln des Thomasklvsters, daß in einer Stadt,
deren ältere Bauweise sonst uur den Fachwerk- und Backsteinbnu kennt, die ganze
Südseite der Thomaskirche, deren reine gothische Formen neuerdings aus deu
störenden Anhängseln späterer Zeit wieder herausgeschält worden sind, vollen
Quaderbau aus Zeitzer Sandstein zeigt. Die Nikolaikirche hat in ihren Mauern
teils Bruchstein-, teils Ziegelverbnud; die Werkstücken aber sind ans dein schönen
roten Stein gehauen, der schon seit dem 10. Jahrhundert bei Rochlitz an der
Mulde gebrochen wurde; "stehet wohl im Wetter, hält im Brande und währet
im Wasser" rühmt eine alte Vergchronik von ihm. Die Paulinerkirche endlich,
die älteste von allen, soll ans glasirten Ziegeln erbaut, und selbst die Dienste
der Pfeiler, die Pfosten der Fenster ans geformter Ziegelerde hergestellt sein,
wie denn auch die nur Panlinerklvfter ehemals entlang führende Stadtmauer
-- um der Stelle des heutigen Angnstenins -- ganz aus glasirten Ziegeln
errichtet und mit bunten, selbst mit vergoldeten Ornamenten, Löwenköpfen und
dergleichen verziert gewesen sein soll. Leider ist anch die Paulinerkirche nicht
nur, wie alle andern Kirchen, durch spätere Einbänden entstellt, sondern auch arg
verstümmelt. Der Chor, der früher an der Ostseite -- am heutigen Augustus-
Plntze -- vorsprang, wurde 1519 wohl den Festungswerken zuliebe abgeschnitten,
und der Lettner, die iwrg'ni!,., wie er in einer alten lateinischen Beschreibung ge¬
nannt wird, wurde 1543 ausgebrochen, als nach der Einführung der Refor¬
mation in Leipzig das Dominikanerkloster aufgehoben und von Herzog Moritz


Aus der Ballgeschichte Leipzigs.

des 15. Jahrhunderts ein neuer Faktor in die Baltthätigkeit Leipzigs mit ein¬
gegriffen: die 1409 unter Markgraf Friedrich dem streitbaren gestiftete Universität.
Die Stiftungsurkunde schenkte der Universität zwei Kvllegienhäuser, die nach dem
fürstlichen Geber den Namen Fürstenkollegien erhielten. Das große Fürsten¬
kollegium, 1429 vollendet, stand um der Stelle der heutigen Buchhändlerbörse.
Das kleine Fürslenkollegium, ursprünglich ans der Petersstrnße gelegen, wurde
1456 gegen ein Gebände an der Ecke der Ritterstraße und des Eselsplntzes ver¬
tauscht, das seit 1825 ebenfalls abgebrochen ist. Ein drittes Kollegium aber,
das zwischen den beiden andern lag, steht noch, das neue oder wegen seines
traditionellen roten Anstrichs das „rote Kolleg" genannt. Und zwar steht es
ans dem Platze des ehemaligen Ratsmarställes, an den noch der Name der
Nitterstraße erinnert. Ans Veranlassung Herzog Georgs verlegte der Rat zu
Anfang des 16. Jahrhunderts seinen Marstall nach dem Neumarkt, überließ
deu bisherigen Platz der Universität und erbaute selbst von 1502—1513 das
große Hintergebäude, worauf die Universität 1517 das Vordergebäude an der
Nitterstraße hinzufügte.

Ruch diese Bauten aus denn Ende des 15, und dem Anfange des 16. Jahr¬
hunderts, also kunstwissenschaftlich gesprochen aus der Zeit der Spätgothik,
bieten kein großes architektonisches Interesse; es sind samt und sonders schlichte,
handN'erksmäßige, völlig schmucklose Bauwerke. Merkwürdig ist es und wiederum
ein Zeichen von den reichen Mitteln des Thomasklvsters, daß in einer Stadt,
deren ältere Bauweise sonst uur den Fachwerk- und Backsteinbnu kennt, die ganze
Südseite der Thomaskirche, deren reine gothische Formen neuerdings aus deu
störenden Anhängseln späterer Zeit wieder herausgeschält worden sind, vollen
Quaderbau aus Zeitzer Sandstein zeigt. Die Nikolaikirche hat in ihren Mauern
teils Bruchstein-, teils Ziegelverbnud; die Werkstücken aber sind ans dein schönen
roten Stein gehauen, der schon seit dem 10. Jahrhundert bei Rochlitz an der
Mulde gebrochen wurde; „stehet wohl im Wetter, hält im Brande und währet
im Wasser" rühmt eine alte Vergchronik von ihm. Die Paulinerkirche endlich,
die älteste von allen, soll ans glasirten Ziegeln erbaut, und selbst die Dienste
der Pfeiler, die Pfosten der Fenster ans geformter Ziegelerde hergestellt sein,
wie denn auch die nur Panlinerklvfter ehemals entlang führende Stadtmauer
— um der Stelle des heutigen Angnstenins — ganz aus glasirten Ziegeln
errichtet und mit bunten, selbst mit vergoldeten Ornamenten, Löwenköpfen und
dergleichen verziert gewesen sein soll. Leider ist anch die Paulinerkirche nicht
nur, wie alle andern Kirchen, durch spätere Einbänden entstellt, sondern auch arg
verstümmelt. Der Chor, der früher an der Ostseite — am heutigen Augustus-
Plntze — vorsprang, wurde 1519 wohl den Festungswerken zuliebe abgeschnitten,
und der Lettner, die iwrg'ni!,., wie er in einer alten lateinischen Beschreibung ge¬
nannt wird, wurde 1543 ausgebrochen, als nach der Einführung der Refor¬
mation in Leipzig das Dominikanerkloster aufgehoben und von Herzog Moritz


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0548" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/194526"/>
          <fw type="header" place="top"> Aus der Ballgeschichte Leipzigs.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1978" prev="#ID_1977"> des 15. Jahrhunderts ein neuer Faktor in die Baltthätigkeit Leipzigs mit ein¬<lb/>
gegriffen: die 1409 unter Markgraf Friedrich dem streitbaren gestiftete Universität.<lb/>
Die Stiftungsurkunde schenkte der Universität zwei Kvllegienhäuser, die nach dem<lb/>
fürstlichen Geber den Namen Fürstenkollegien erhielten. Das große Fürsten¬<lb/>
kollegium, 1429 vollendet, stand um der Stelle der heutigen Buchhändlerbörse.<lb/>
Das kleine Fürslenkollegium, ursprünglich ans der Petersstrnße gelegen, wurde<lb/>
1456 gegen ein Gebände an der Ecke der Ritterstraße und des Eselsplntzes ver¬<lb/>
tauscht, das seit 1825 ebenfalls abgebrochen ist. Ein drittes Kollegium aber,<lb/>
das zwischen den beiden andern lag, steht noch, das neue oder wegen seines<lb/>
traditionellen roten Anstrichs das &#x201E;rote Kolleg" genannt. Und zwar steht es<lb/>
ans dem Platze des ehemaligen Ratsmarställes, an den noch der Name der<lb/>
Nitterstraße erinnert. Ans Veranlassung Herzog Georgs verlegte der Rat zu<lb/>
Anfang des 16. Jahrhunderts seinen Marstall nach dem Neumarkt, überließ<lb/>
deu bisherigen Platz der Universität und erbaute selbst von 1502&#x2014;1513 das<lb/>
große Hintergebäude, worauf die Universität 1517 das Vordergebäude an der<lb/>
Nitterstraße hinzufügte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1979" next="#ID_1980"> Ruch diese Bauten aus denn Ende des 15, und dem Anfange des 16. Jahr¬<lb/>
hunderts, also kunstwissenschaftlich gesprochen aus der Zeit der Spätgothik,<lb/>
bieten kein großes architektonisches Interesse; es sind samt und sonders schlichte,<lb/>
handN'erksmäßige, völlig schmucklose Bauwerke. Merkwürdig ist es und wiederum<lb/>
ein Zeichen von den reichen Mitteln des Thomasklvsters, daß in einer Stadt,<lb/>
deren ältere Bauweise sonst uur den Fachwerk- und Backsteinbnu kennt, die ganze<lb/>
Südseite der Thomaskirche, deren reine gothische Formen neuerdings aus deu<lb/>
störenden Anhängseln späterer Zeit wieder herausgeschält worden sind, vollen<lb/>
Quaderbau aus Zeitzer Sandstein zeigt. Die Nikolaikirche hat in ihren Mauern<lb/>
teils Bruchstein-, teils Ziegelverbnud; die Werkstücken aber sind ans dein schönen<lb/>
roten Stein gehauen, der schon seit dem 10. Jahrhundert bei Rochlitz an der<lb/>
Mulde gebrochen wurde; &#x201E;stehet wohl im Wetter, hält im Brande und währet<lb/>
im Wasser" rühmt eine alte Vergchronik von ihm. Die Paulinerkirche endlich,<lb/>
die älteste von allen, soll ans glasirten Ziegeln erbaut, und selbst die Dienste<lb/>
der Pfeiler, die Pfosten der Fenster ans geformter Ziegelerde hergestellt sein,<lb/>
wie denn auch die nur Panlinerklvfter ehemals entlang führende Stadtmauer<lb/>
&#x2014; um der Stelle des heutigen Angnstenins &#x2014; ganz aus glasirten Ziegeln<lb/>
errichtet und mit bunten, selbst mit vergoldeten Ornamenten, Löwenköpfen und<lb/>
dergleichen verziert gewesen sein soll. Leider ist anch die Paulinerkirche nicht<lb/>
nur, wie alle andern Kirchen, durch spätere Einbänden entstellt, sondern auch arg<lb/>
verstümmelt. Der Chor, der früher an der Ostseite &#x2014; am heutigen Augustus-<lb/>
Plntze &#x2014; vorsprang, wurde 1519 wohl den Festungswerken zuliebe abgeschnitten,<lb/>
und der Lettner, die iwrg'ni!,., wie er in einer alten lateinischen Beschreibung ge¬<lb/>
nannt wird, wurde 1543 ausgebrochen, als nach der Einführung der Refor¬<lb/>
mation in Leipzig das Dominikanerkloster aufgehoben und von Herzog Moritz</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0548] Aus der Ballgeschichte Leipzigs. des 15. Jahrhunderts ein neuer Faktor in die Baltthätigkeit Leipzigs mit ein¬ gegriffen: die 1409 unter Markgraf Friedrich dem streitbaren gestiftete Universität. Die Stiftungsurkunde schenkte der Universität zwei Kvllegienhäuser, die nach dem fürstlichen Geber den Namen Fürstenkollegien erhielten. Das große Fürsten¬ kollegium, 1429 vollendet, stand um der Stelle der heutigen Buchhändlerbörse. Das kleine Fürslenkollegium, ursprünglich ans der Petersstrnße gelegen, wurde 1456 gegen ein Gebände an der Ecke der Ritterstraße und des Eselsplntzes ver¬ tauscht, das seit 1825 ebenfalls abgebrochen ist. Ein drittes Kollegium aber, das zwischen den beiden andern lag, steht noch, das neue oder wegen seines traditionellen roten Anstrichs das „rote Kolleg" genannt. Und zwar steht es ans dem Platze des ehemaligen Ratsmarställes, an den noch der Name der Nitterstraße erinnert. Ans Veranlassung Herzog Georgs verlegte der Rat zu Anfang des 16. Jahrhunderts seinen Marstall nach dem Neumarkt, überließ deu bisherigen Platz der Universität und erbaute selbst von 1502—1513 das große Hintergebäude, worauf die Universität 1517 das Vordergebäude an der Nitterstraße hinzufügte. Ruch diese Bauten aus denn Ende des 15, und dem Anfange des 16. Jahr¬ hunderts, also kunstwissenschaftlich gesprochen aus der Zeit der Spätgothik, bieten kein großes architektonisches Interesse; es sind samt und sonders schlichte, handN'erksmäßige, völlig schmucklose Bauwerke. Merkwürdig ist es und wiederum ein Zeichen von den reichen Mitteln des Thomasklvsters, daß in einer Stadt, deren ältere Bauweise sonst uur den Fachwerk- und Backsteinbnu kennt, die ganze Südseite der Thomaskirche, deren reine gothische Formen neuerdings aus deu störenden Anhängseln späterer Zeit wieder herausgeschält worden sind, vollen Quaderbau aus Zeitzer Sandstein zeigt. Die Nikolaikirche hat in ihren Mauern teils Bruchstein-, teils Ziegelverbnud; die Werkstücken aber sind ans dein schönen roten Stein gehauen, der schon seit dem 10. Jahrhundert bei Rochlitz an der Mulde gebrochen wurde; „stehet wohl im Wetter, hält im Brande und währet im Wasser" rühmt eine alte Vergchronik von ihm. Die Paulinerkirche endlich, die älteste von allen, soll ans glasirten Ziegeln erbaut, und selbst die Dienste der Pfeiler, die Pfosten der Fenster ans geformter Ziegelerde hergestellt sein, wie denn auch die nur Panlinerklvfter ehemals entlang führende Stadtmauer — um der Stelle des heutigen Angnstenins — ganz aus glasirten Ziegeln errichtet und mit bunten, selbst mit vergoldeten Ornamenten, Löwenköpfen und dergleichen verziert gewesen sein soll. Leider ist anch die Paulinerkirche nicht nur, wie alle andern Kirchen, durch spätere Einbänden entstellt, sondern auch arg verstümmelt. Der Chor, der früher an der Ostseite — am heutigen Augustus- Plntze — vorsprang, wurde 1519 wohl den Festungswerken zuliebe abgeschnitten, und der Lettner, die iwrg'ni!,., wie er in einer alten lateinischen Beschreibung ge¬ nannt wird, wurde 1543 ausgebrochen, als nach der Einführung der Refor¬ mation in Leipzig das Dominikanerkloster aufgehoben und von Herzog Moritz

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/548
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/548>, abgerufen am 29.06.2024.