Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Aus der Laugeschichte Leipzigs.

nouum. Ende des 13. Jahrhunderts kam dazu noch die kleine Johanniskirche
in dein damals nen gestifteten Hospital für Aussätzige, dem "Siechenhvf zu
Se. Iahannes."

Die Stadt selbst trug damals noch ein durchaus landwirtschaftliches Ge¬
präge. Die meisten Einwohner waren Ackerbürger, nud dem entsprechend bil¬
deten die städtischen Grundstücke am Markt und in deu Hauptstraßen stattliche
Höfe mit Wohnhäusern, Scheunen, Ställen und Vorratsräumen. Daneben
waren, namentlich in den die Hauptstraßen verbindenden Qnergassen, kleine Miet¬
häuser entstanden, in denen die Handwerker ihr Gewerbe trieben. Erweitert
wurde die Stadt mich der an der Nordseite gelegenen sumpfigen Niederung,
dem "Brühe" hin, der in langjähriger Arbeit allmählich trocken gelegt und be¬
baut wurde. Deu zerstörten Festungsgürtel der Stadt soll 1237 Markgraf
Heinrich der Erlauchte wieder hergestellt haben.

Voll diesem mittelalterlichen Leipzig sind hente "ur noch wenige Neste er¬
halten. Möglich, ja wahrscheinlich, daß von deu Burgen Markgraf Dietrichs
hie und da "och Fundamente im Boden liegen (bei den Nusgrabuilgen für die
Heizungsanlagen der Nenkirche 1879 will man auf die Grundmauern des alten
Kastells gestoßen sein), das Gebände der Universitätsbibliothek mit seinem fresken-
geschmnckten Kreuzgnnge war el" Teil des Doinillikanerklosters, in den geist¬
lichen Häusern an der Neukirche sind Überbleibsel des Franziskanerklosters er¬
halten, und bei einem Umbau des Rathaussaales 1863 sollen zierliche Pfeilerchen
von dem alten Rathause des 14. Jahrhunderts zu Tage gekommen sein. Von
de" Kirchen jener Zeit aber steht mir eine noch, die Paulinerkirche, und auch
diese in wesentlich veränderter Gestalt; die andern alte sind verschwunden oder
am Ende des 15. und am Anfange des 16. Jahrhunderts durch Neubauten er¬
setzt worden: die Thomnskirche von 1482 bis 1496, die Barfüßerkirche voll 1494
bis 1501, die Peterskirche 1507 und die folgenden Jahre, die Nikolaikirche von
1513 bis 1525. Die Reihenfolge dieser Neubauten ist charakteristisch; sie zeigt,
wer die meisten Mittel hatte: die Klöster gingen voran, die Stadt folgte nach,
die Hanptpfarrkirche, die Nikolaikirche, kam zuletzt an die Reihe, nachdem die
Stadt infolge des Aufblühens ihrer dnrch fürstliche Privilegien geschlitzten Messen
schon zu größerm Wohlstande gekommen und ihr ursprünglich landwirtschaftlicher
Charakter' mehr dem eiuer Handelsstadt gewichen war. Aber auch hier reichten,
wie die aufgegebenen Thürme zeigen, die Mittel schließlich nicht mehr aus.
Sonst hören wir wenig voll städtischen Bauten ans dieser Zeit: 1474 erhielt
das kleine Rathaus um Markte einen Thurm, 1481 wurde das Gewandhaus
für die Tuchhüudler, in demselben Jahre das daran anstoßende Zeughaus für
die Waffenvvrräte der Stadt erbaut; 1511 entstand die Nikolaischule neben der
Nikolaikirche, die erste städtische Schule, die der Rat der Klosterschule zu Se.
Thomas gegenüberstellte; von Zeit zu Zeit wurden auch die Zwingermauern
und Festnngsthilrme der Stadt vervollständigt. Inzwischen aber hatte im Laufe


Aus der Laugeschichte Leipzigs.

nouum. Ende des 13. Jahrhunderts kam dazu noch die kleine Johanniskirche
in dein damals nen gestifteten Hospital für Aussätzige, dem „Siechenhvf zu
Se. Iahannes."

Die Stadt selbst trug damals noch ein durchaus landwirtschaftliches Ge¬
präge. Die meisten Einwohner waren Ackerbürger, nud dem entsprechend bil¬
deten die städtischen Grundstücke am Markt und in deu Hauptstraßen stattliche
Höfe mit Wohnhäusern, Scheunen, Ställen und Vorratsräumen. Daneben
waren, namentlich in den die Hauptstraßen verbindenden Qnergassen, kleine Miet¬
häuser entstanden, in denen die Handwerker ihr Gewerbe trieben. Erweitert
wurde die Stadt mich der an der Nordseite gelegenen sumpfigen Niederung,
dem „Brühe" hin, der in langjähriger Arbeit allmählich trocken gelegt und be¬
baut wurde. Deu zerstörten Festungsgürtel der Stadt soll 1237 Markgraf
Heinrich der Erlauchte wieder hergestellt haben.

Voll diesem mittelalterlichen Leipzig sind hente »ur noch wenige Neste er¬
halten. Möglich, ja wahrscheinlich, daß von deu Burgen Markgraf Dietrichs
hie und da »och Fundamente im Boden liegen (bei den Nusgrabuilgen für die
Heizungsanlagen der Nenkirche 1879 will man auf die Grundmauern des alten
Kastells gestoßen sein), das Gebände der Universitätsbibliothek mit seinem fresken-
geschmnckten Kreuzgnnge war el» Teil des Doinillikanerklosters, in den geist¬
lichen Häusern an der Neukirche sind Überbleibsel des Franziskanerklosters er¬
halten, und bei einem Umbau des Rathaussaales 1863 sollen zierliche Pfeilerchen
von dem alten Rathause des 14. Jahrhunderts zu Tage gekommen sein. Von
de» Kirchen jener Zeit aber steht mir eine noch, die Paulinerkirche, und auch
diese in wesentlich veränderter Gestalt; die andern alte sind verschwunden oder
am Ende des 15. und am Anfange des 16. Jahrhunderts durch Neubauten er¬
setzt worden: die Thomnskirche von 1482 bis 1496, die Barfüßerkirche voll 1494
bis 1501, die Peterskirche 1507 und die folgenden Jahre, die Nikolaikirche von
1513 bis 1525. Die Reihenfolge dieser Neubauten ist charakteristisch; sie zeigt,
wer die meisten Mittel hatte: die Klöster gingen voran, die Stadt folgte nach,
die Hanptpfarrkirche, die Nikolaikirche, kam zuletzt an die Reihe, nachdem die
Stadt infolge des Aufblühens ihrer dnrch fürstliche Privilegien geschlitzten Messen
schon zu größerm Wohlstande gekommen und ihr ursprünglich landwirtschaftlicher
Charakter' mehr dem eiuer Handelsstadt gewichen war. Aber auch hier reichten,
wie die aufgegebenen Thürme zeigen, die Mittel schließlich nicht mehr aus.
Sonst hören wir wenig voll städtischen Bauten ans dieser Zeit: 1474 erhielt
das kleine Rathaus um Markte einen Thurm, 1481 wurde das Gewandhaus
für die Tuchhüudler, in demselben Jahre das daran anstoßende Zeughaus für
die Waffenvvrräte der Stadt erbaut; 1511 entstand die Nikolaischule neben der
Nikolaikirche, die erste städtische Schule, die der Rat der Klosterschule zu Se.
Thomas gegenüberstellte; von Zeit zu Zeit wurden auch die Zwingermauern
und Festnngsthilrme der Stadt vervollständigt. Inzwischen aber hatte im Laufe


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0547" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/194525"/>
          <fw type="header" place="top"> Aus der Laugeschichte Leipzigs.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1975" prev="#ID_1974"> nouum. Ende des 13. Jahrhunderts kam dazu noch die kleine Johanniskirche<lb/>
in dein damals nen gestifteten Hospital für Aussätzige, dem &#x201E;Siechenhvf zu<lb/>
Se. Iahannes."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1976"> Die Stadt selbst trug damals noch ein durchaus landwirtschaftliches Ge¬<lb/>
präge. Die meisten Einwohner waren Ackerbürger, nud dem entsprechend bil¬<lb/>
deten die städtischen Grundstücke am Markt und in deu Hauptstraßen stattliche<lb/>
Höfe mit Wohnhäusern, Scheunen, Ställen und Vorratsräumen. Daneben<lb/>
waren, namentlich in den die Hauptstraßen verbindenden Qnergassen, kleine Miet¬<lb/>
häuser entstanden, in denen die Handwerker ihr Gewerbe trieben. Erweitert<lb/>
wurde die Stadt mich der an der Nordseite gelegenen sumpfigen Niederung,<lb/>
dem &#x201E;Brühe" hin, der in langjähriger Arbeit allmählich trocken gelegt und be¬<lb/>
baut wurde. Deu zerstörten Festungsgürtel der Stadt soll 1237 Markgraf<lb/>
Heinrich der Erlauchte wieder hergestellt haben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1977" next="#ID_1978"> Voll diesem mittelalterlichen Leipzig sind hente »ur noch wenige Neste er¬<lb/>
halten. Möglich, ja wahrscheinlich, daß von deu Burgen Markgraf Dietrichs<lb/>
hie und da »och Fundamente im Boden liegen (bei den Nusgrabuilgen für die<lb/>
Heizungsanlagen der Nenkirche 1879 will man auf die Grundmauern des alten<lb/>
Kastells gestoßen sein), das Gebände der Universitätsbibliothek mit seinem fresken-<lb/>
geschmnckten Kreuzgnnge war el» Teil des Doinillikanerklosters, in den geist¬<lb/>
lichen Häusern an der Neukirche sind Überbleibsel des Franziskanerklosters er¬<lb/>
halten, und bei einem Umbau des Rathaussaales 1863 sollen zierliche Pfeilerchen<lb/>
von dem alten Rathause des 14. Jahrhunderts zu Tage gekommen sein. Von<lb/>
de» Kirchen jener Zeit aber steht mir eine noch, die Paulinerkirche, und auch<lb/>
diese in wesentlich veränderter Gestalt; die andern alte sind verschwunden oder<lb/>
am Ende des 15. und am Anfange des 16. Jahrhunderts durch Neubauten er¬<lb/>
setzt worden: die Thomnskirche von 1482 bis 1496, die Barfüßerkirche voll 1494<lb/>
bis 1501, die Peterskirche 1507 und die folgenden Jahre, die Nikolaikirche von<lb/>
1513 bis 1525. Die Reihenfolge dieser Neubauten ist charakteristisch; sie zeigt,<lb/>
wer die meisten Mittel hatte: die Klöster gingen voran, die Stadt folgte nach,<lb/>
die Hanptpfarrkirche, die Nikolaikirche, kam zuletzt an die Reihe, nachdem die<lb/>
Stadt infolge des Aufblühens ihrer dnrch fürstliche Privilegien geschlitzten Messen<lb/>
schon zu größerm Wohlstande gekommen und ihr ursprünglich landwirtschaftlicher<lb/>
Charakter' mehr dem eiuer Handelsstadt gewichen war. Aber auch hier reichten,<lb/>
wie die aufgegebenen Thürme zeigen, die Mittel schließlich nicht mehr aus.<lb/>
Sonst hören wir wenig voll städtischen Bauten ans dieser Zeit: 1474 erhielt<lb/>
das kleine Rathaus um Markte einen Thurm, 1481 wurde das Gewandhaus<lb/>
für die Tuchhüudler, in demselben Jahre das daran anstoßende Zeughaus für<lb/>
die Waffenvvrräte der Stadt erbaut; 1511 entstand die Nikolaischule neben der<lb/>
Nikolaikirche, die erste städtische Schule, die der Rat der Klosterschule zu Se.<lb/>
Thomas gegenüberstellte; von Zeit zu Zeit wurden auch die Zwingermauern<lb/>
und Festnngsthilrme der Stadt vervollständigt. Inzwischen aber hatte im Laufe</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0547] Aus der Laugeschichte Leipzigs. nouum. Ende des 13. Jahrhunderts kam dazu noch die kleine Johanniskirche in dein damals nen gestifteten Hospital für Aussätzige, dem „Siechenhvf zu Se. Iahannes." Die Stadt selbst trug damals noch ein durchaus landwirtschaftliches Ge¬ präge. Die meisten Einwohner waren Ackerbürger, nud dem entsprechend bil¬ deten die städtischen Grundstücke am Markt und in deu Hauptstraßen stattliche Höfe mit Wohnhäusern, Scheunen, Ställen und Vorratsräumen. Daneben waren, namentlich in den die Hauptstraßen verbindenden Qnergassen, kleine Miet¬ häuser entstanden, in denen die Handwerker ihr Gewerbe trieben. Erweitert wurde die Stadt mich der an der Nordseite gelegenen sumpfigen Niederung, dem „Brühe" hin, der in langjähriger Arbeit allmählich trocken gelegt und be¬ baut wurde. Deu zerstörten Festungsgürtel der Stadt soll 1237 Markgraf Heinrich der Erlauchte wieder hergestellt haben. Voll diesem mittelalterlichen Leipzig sind hente »ur noch wenige Neste er¬ halten. Möglich, ja wahrscheinlich, daß von deu Burgen Markgraf Dietrichs hie und da »och Fundamente im Boden liegen (bei den Nusgrabuilgen für die Heizungsanlagen der Nenkirche 1879 will man auf die Grundmauern des alten Kastells gestoßen sein), das Gebände der Universitätsbibliothek mit seinem fresken- geschmnckten Kreuzgnnge war el» Teil des Doinillikanerklosters, in den geist¬ lichen Häusern an der Neukirche sind Überbleibsel des Franziskanerklosters er¬ halten, und bei einem Umbau des Rathaussaales 1863 sollen zierliche Pfeilerchen von dem alten Rathause des 14. Jahrhunderts zu Tage gekommen sein. Von de» Kirchen jener Zeit aber steht mir eine noch, die Paulinerkirche, und auch diese in wesentlich veränderter Gestalt; die andern alte sind verschwunden oder am Ende des 15. und am Anfange des 16. Jahrhunderts durch Neubauten er¬ setzt worden: die Thomnskirche von 1482 bis 1496, die Barfüßerkirche voll 1494 bis 1501, die Peterskirche 1507 und die folgenden Jahre, die Nikolaikirche von 1513 bis 1525. Die Reihenfolge dieser Neubauten ist charakteristisch; sie zeigt, wer die meisten Mittel hatte: die Klöster gingen voran, die Stadt folgte nach, die Hanptpfarrkirche, die Nikolaikirche, kam zuletzt an die Reihe, nachdem die Stadt infolge des Aufblühens ihrer dnrch fürstliche Privilegien geschlitzten Messen schon zu größerm Wohlstande gekommen und ihr ursprünglich landwirtschaftlicher Charakter' mehr dem eiuer Handelsstadt gewichen war. Aber auch hier reichten, wie die aufgegebenen Thürme zeigen, die Mittel schließlich nicht mehr aus. Sonst hören wir wenig voll städtischen Bauten ans dieser Zeit: 1474 erhielt das kleine Rathaus um Markte einen Thurm, 1481 wurde das Gewandhaus für die Tuchhüudler, in demselben Jahre das daran anstoßende Zeughaus für die Waffenvvrräte der Stadt erbaut; 1511 entstand die Nikolaischule neben der Nikolaikirche, die erste städtische Schule, die der Rat der Klosterschule zu Se. Thomas gegenüberstellte; von Zeit zu Zeit wurden auch die Zwingermauern und Festnngsthilrme der Stadt vervollständigt. Inzwischen aber hatte im Laufe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/547
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/547>, abgerufen am 29.06.2024.