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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Die Fremdwörterseuche.

und das Ansehen, den Erfolg herbeizuführen und Achtung vor seinem Thun
hervorzurufen. Er ist der Herr der Sprache auf alleu diesen Gebieten, und so
hat er das Recht und darum auch die Pflicht, hier helfend und wiederherstellend
gutzumachen, was frühere Zeiten nationalen Verfalles gesündigt und verdorben
haben. Er kann nicht bloß seine Beamten, er kann auch seine Unterthanen und
alle, die zu ihm in Beziehung stehen, zwingen, die von ihm festzusetzenden
guten deutschen Ausdrücke anzunehmen und anzuwenden. Der Gebrauch aber
erzeugt schnell die Gewohnheit. Und so erwiese er unsrer Sprache und damit
der ganzen Nation eine unermeßliche Wohlthat.

2. Die Schule. Es ist bekannt, daß die deutsche Sprache lange, lange
Zeit auf den Schulen arg vernachlässigt worden ist. "Alles muß der Mensch
lernen -- sagt Arndt in seiner Schrift "Über den Gebrauch einer fremden
Sprache" --, nur feine Sprache will der Teutsche nicht lernen, die soll ihm von
selbst kommen." So ist es wider meinen Willen mir buchstäblich ergangen:
ich habe niemals, weder auf der höhern Bürgerschule noch auf dem Gymnasium,
deutschen Sprachunterricht genossen. Es war damals so, und niemand fand
etwas dabei. Diesem Umstände wird vielleicht mancherlei von den Schäden,
die hier erörtert werden, zuzuschreiben sein. Daß aber auch der deutsche Sprach¬
unterricht heutzutage noch keineswegs der Sache völlig gerecht wird, lehrt die
Seuche der Wortmengerei. Würde in den Schulen nur einige Aufmerksamkeit,
einiger Fleiß auf die Reinheit der Muttersprache gelegt, niemals hätte es soweit
kommen können. Aber die Lehrer gerade gehören im Vortrage wie in Schriften
oft mit zu den schlimmsten. Ich messe ihnen keine Schuld bei, denn sie sind
eben auch in diesem sprachlichen Bummel erzogen worden und sind später nicht
auf das garstige und unwürdige dieser Sprnchmnnscherei richtig hingewiesen
worden. Aber der deutsche Lehrerstand hat einen so echten Kern nationaler
Gesinnung, so lebhaftes Gefühl für Austand und Würde, daß es nur des rechten
Anstoßes bedarf, um ihn auch für die Reinheit und Schönheit unsrer Sprache
zu begeistern. Aber indem dies geschieht, wird man zugleich bemüht sein müssen,
seiner Begeisterung Richtung, Weg und Ziel klar anzudeuten.

Ich meine also, man möge den Lehrern empfehlen, sich, ohne Vernachlässigung
der eigentlichen Sprachkunst, doch mehr auf Geist und Wesen der Sprache zu
legen, sich zu durchdringen vom Werte und der Schönheit unsrer Sprache, sich
zur Reinheit derselben zu gewöhnen und die fremden Eimuischlinge als Flecken
und Besudelungen unsrer Sprache empfinden zu lernen. So mögen sie denn
selbst diese Fremdlinge ächten und vermeiden, und in diesem Sinne mögen sie
auf die ihnen anvertraute Jugend einwirken. Ich habe aber dabei nicht bloß
die Volksschullehrer im Auge, sondern auch, und fast noch mehr, die Lehrer der
höhern Schulen und selbst die der Hochschulen. Auch von den Lehrstühlen der
deutschen Hochschulen schleicht die Seuche weiter und verdirbt die Sprache der
jugendlichen Hörer. Die Ministerien und obersten Schulbehörden können dnrch


Die Fremdwörterseuche.

und das Ansehen, den Erfolg herbeizuführen und Achtung vor seinem Thun
hervorzurufen. Er ist der Herr der Sprache auf alleu diesen Gebieten, und so
hat er das Recht und darum auch die Pflicht, hier helfend und wiederherstellend
gutzumachen, was frühere Zeiten nationalen Verfalles gesündigt und verdorben
haben. Er kann nicht bloß seine Beamten, er kann auch seine Unterthanen und
alle, die zu ihm in Beziehung stehen, zwingen, die von ihm festzusetzenden
guten deutschen Ausdrücke anzunehmen und anzuwenden. Der Gebrauch aber
erzeugt schnell die Gewohnheit. Und so erwiese er unsrer Sprache und damit
der ganzen Nation eine unermeßliche Wohlthat.

2. Die Schule. Es ist bekannt, daß die deutsche Sprache lange, lange
Zeit auf den Schulen arg vernachlässigt worden ist. „Alles muß der Mensch
lernen — sagt Arndt in seiner Schrift »Über den Gebrauch einer fremden
Sprache« —, nur feine Sprache will der Teutsche nicht lernen, die soll ihm von
selbst kommen." So ist es wider meinen Willen mir buchstäblich ergangen:
ich habe niemals, weder auf der höhern Bürgerschule noch auf dem Gymnasium,
deutschen Sprachunterricht genossen. Es war damals so, und niemand fand
etwas dabei. Diesem Umstände wird vielleicht mancherlei von den Schäden,
die hier erörtert werden, zuzuschreiben sein. Daß aber auch der deutsche Sprach¬
unterricht heutzutage noch keineswegs der Sache völlig gerecht wird, lehrt die
Seuche der Wortmengerei. Würde in den Schulen nur einige Aufmerksamkeit,
einiger Fleiß auf die Reinheit der Muttersprache gelegt, niemals hätte es soweit
kommen können. Aber die Lehrer gerade gehören im Vortrage wie in Schriften
oft mit zu den schlimmsten. Ich messe ihnen keine Schuld bei, denn sie sind
eben auch in diesem sprachlichen Bummel erzogen worden und sind später nicht
auf das garstige und unwürdige dieser Sprnchmnnscherei richtig hingewiesen
worden. Aber der deutsche Lehrerstand hat einen so echten Kern nationaler
Gesinnung, so lebhaftes Gefühl für Austand und Würde, daß es nur des rechten
Anstoßes bedarf, um ihn auch für die Reinheit und Schönheit unsrer Sprache
zu begeistern. Aber indem dies geschieht, wird man zugleich bemüht sein müssen,
seiner Begeisterung Richtung, Weg und Ziel klar anzudeuten.

Ich meine also, man möge den Lehrern empfehlen, sich, ohne Vernachlässigung
der eigentlichen Sprachkunst, doch mehr auf Geist und Wesen der Sprache zu
legen, sich zu durchdringen vom Werte und der Schönheit unsrer Sprache, sich
zur Reinheit derselben zu gewöhnen und die fremden Eimuischlinge als Flecken
und Besudelungen unsrer Sprache empfinden zu lernen. So mögen sie denn
selbst diese Fremdlinge ächten und vermeiden, und in diesem Sinne mögen sie
auf die ihnen anvertraute Jugend einwirken. Ich habe aber dabei nicht bloß
die Volksschullehrer im Auge, sondern auch, und fast noch mehr, die Lehrer der
höhern Schulen und selbst die der Hochschulen. Auch von den Lehrstühlen der
deutschen Hochschulen schleicht die Seuche weiter und verdirbt die Sprache der
jugendlichen Hörer. Die Ministerien und obersten Schulbehörden können dnrch


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[0537] Die Fremdwörterseuche. und das Ansehen, den Erfolg herbeizuführen und Achtung vor seinem Thun hervorzurufen. Er ist der Herr der Sprache auf alleu diesen Gebieten, und so hat er das Recht und darum auch die Pflicht, hier helfend und wiederherstellend gutzumachen, was frühere Zeiten nationalen Verfalles gesündigt und verdorben haben. Er kann nicht bloß seine Beamten, er kann auch seine Unterthanen und alle, die zu ihm in Beziehung stehen, zwingen, die von ihm festzusetzenden guten deutschen Ausdrücke anzunehmen und anzuwenden. Der Gebrauch aber erzeugt schnell die Gewohnheit. Und so erwiese er unsrer Sprache und damit der ganzen Nation eine unermeßliche Wohlthat. 2. Die Schule. Es ist bekannt, daß die deutsche Sprache lange, lange Zeit auf den Schulen arg vernachlässigt worden ist. „Alles muß der Mensch lernen — sagt Arndt in seiner Schrift »Über den Gebrauch einer fremden Sprache« —, nur feine Sprache will der Teutsche nicht lernen, die soll ihm von selbst kommen." So ist es wider meinen Willen mir buchstäblich ergangen: ich habe niemals, weder auf der höhern Bürgerschule noch auf dem Gymnasium, deutschen Sprachunterricht genossen. Es war damals so, und niemand fand etwas dabei. Diesem Umstände wird vielleicht mancherlei von den Schäden, die hier erörtert werden, zuzuschreiben sein. Daß aber auch der deutsche Sprach¬ unterricht heutzutage noch keineswegs der Sache völlig gerecht wird, lehrt die Seuche der Wortmengerei. Würde in den Schulen nur einige Aufmerksamkeit, einiger Fleiß auf die Reinheit der Muttersprache gelegt, niemals hätte es soweit kommen können. Aber die Lehrer gerade gehören im Vortrage wie in Schriften oft mit zu den schlimmsten. Ich messe ihnen keine Schuld bei, denn sie sind eben auch in diesem sprachlichen Bummel erzogen worden und sind später nicht auf das garstige und unwürdige dieser Sprnchmnnscherei richtig hingewiesen worden. Aber der deutsche Lehrerstand hat einen so echten Kern nationaler Gesinnung, so lebhaftes Gefühl für Austand und Würde, daß es nur des rechten Anstoßes bedarf, um ihn auch für die Reinheit und Schönheit unsrer Sprache zu begeistern. Aber indem dies geschieht, wird man zugleich bemüht sein müssen, seiner Begeisterung Richtung, Weg und Ziel klar anzudeuten. Ich meine also, man möge den Lehrern empfehlen, sich, ohne Vernachlässigung der eigentlichen Sprachkunst, doch mehr auf Geist und Wesen der Sprache zu legen, sich zu durchdringen vom Werte und der Schönheit unsrer Sprache, sich zur Reinheit derselben zu gewöhnen und die fremden Eimuischlinge als Flecken und Besudelungen unsrer Sprache empfinden zu lernen. So mögen sie denn selbst diese Fremdlinge ächten und vermeiden, und in diesem Sinne mögen sie auf die ihnen anvertraute Jugend einwirken. Ich habe aber dabei nicht bloß die Volksschullehrer im Auge, sondern auch, und fast noch mehr, die Lehrer der höhern Schulen und selbst die der Hochschulen. Auch von den Lehrstühlen der deutschen Hochschulen schleicht die Seuche weiter und verdirbt die Sprache der jugendlichen Hörer. Die Ministerien und obersten Schulbehörden können dnrch

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/537>, abgerufen am 29.06.2024.