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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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brach die von Radama mit den Engländern angeknüpften Handelsverbindungen
ab. Infolge dessen verfeindete sie sich wie mit Frankreich so zuletzt auch mit
England. Die Franzosen landeten darauf schon 1829 auf Madagaskar, wurden
indeß bei Foulpvinte von den Madagassen geschlagen und zur Flucht auf ihre
Schiffe genötigt. Nicht viel bessern Ausgang nahm die Expedition, die sie im
Jahre 1845 im Verein mit den Engländern unternahmen, Sie schössen die
Stadt Tamatave in Brand, wurden aber beim Sturm auf das dortige Fort der
Hovas zurückgeworfen und mußten sich nach dieser Schlappe begnügen, die aus¬
gewiesenen Europäer an Bord zu nehmen und sie nach Bourbon und Mauritius
zu bringen. Die französische Regierung beschloß nun eine zweite Expedition,
und das englische Parlament beriet über den Anschluß an dieselbe, indeß ließ
man die Sache zuletzt fallen, da die Stärke der Madagassen, die gegen fünfzig¬
tausend Krieger ins Feld stellen können, und der Umstand, daß die beiden an¬
greifenden Nationen im Falle eines Sieges sich über den Besitz der Länderbeute
leicht entzweien konnten, den Krieg bedenklich erscheinen ließ.

Inzwischen war trotz aller Verfolgungen und Hinrichtungen das Christentum
nicht völlig ausgerottet worden. Im Gegenteil traten der Kronprinz Rakoton
und andre Mitglieder der königlichen Familie 1846 zu ihm über, seit 1853 ge¬
wannen die Missionäre wieder Einfluß, und zu gleicher Zeit wurde der Handel
mit den Europäern wieder gestattet. Als Ranavalo Maudschota im August 1861
starb und der Kronprinz als Radama der Zweite die Regierung antrat, erfolgte
ein großer Umschwung zu Gunsten der Fremden. Der König öffnete ihnen das
ganze Land, schaffte die meisten barbarischen Satzungen und Einrichtungen ab
und sorgte dnrch Schulen für die Bildung des Volkes. Leider aber regierte
er nicht ganz zwei Jahre. Im Mai 1863 zettelten die Großen, die er dnrch
Bevorzugung der Franzosen vor den Eingebornen sowie durch zu hastig und rück¬
sichtslos betriebene Neuerungen erbittert hatte, eine Verschwörung an, und er wurde
ermordet. Seine Wittwe Rosaberiua, die ihm auf dem Throne folgte, setzte seiue
Politik fort, machte sich aber dadurch sowie durch Vermählung mit ihrem Minister
Rainitaiarivai ebenfalls verhaßt, sodaß es 1865 zu einem Aufstande gegen die
Franzosen kam. Dagegen schloß England im Juni desselben Jahres einen ihm
sehr günstigen Frenndschafts- und Handelsvertrag mit der Königin ab. Als
letztere im Jahre 1868 starb, Übertrag der Hova-Adel die Krone anf Ramona,
eine Verwandte derselben, die als Ramovalo Mandschvka die Zweite noch jetzt
regiert. Dieselbe ließ sich im Februar 1369 nebst einem großen Teile des Adels
taufen, und als sie darauf die Götzenbilder zu zerstören befahl uno die Adlichen
sich ihre Beseitigung gefallen ließen, traten auch viele Tausende des niedern
Volkes zum Christentume über.

Man sieht hieraus, daß Frankreich stets große Ansprüche machte, England
aber in günstigen Zeiten mehr Vorteile als sein Nebenbuhler davou trug, indem
seine Politik auf keine Landerwerbnng gerichtet war und von den protestantischen


brach die von Radama mit den Engländern angeknüpften Handelsverbindungen
ab. Infolge dessen verfeindete sie sich wie mit Frankreich so zuletzt auch mit
England. Die Franzosen landeten darauf schon 1829 auf Madagaskar, wurden
indeß bei Foulpvinte von den Madagassen geschlagen und zur Flucht auf ihre
Schiffe genötigt. Nicht viel bessern Ausgang nahm die Expedition, die sie im
Jahre 1845 im Verein mit den Engländern unternahmen, Sie schössen die
Stadt Tamatave in Brand, wurden aber beim Sturm auf das dortige Fort der
Hovas zurückgeworfen und mußten sich nach dieser Schlappe begnügen, die aus¬
gewiesenen Europäer an Bord zu nehmen und sie nach Bourbon und Mauritius
zu bringen. Die französische Regierung beschloß nun eine zweite Expedition,
und das englische Parlament beriet über den Anschluß an dieselbe, indeß ließ
man die Sache zuletzt fallen, da die Stärke der Madagassen, die gegen fünfzig¬
tausend Krieger ins Feld stellen können, und der Umstand, daß die beiden an¬
greifenden Nationen im Falle eines Sieges sich über den Besitz der Länderbeute
leicht entzweien konnten, den Krieg bedenklich erscheinen ließ.

Inzwischen war trotz aller Verfolgungen und Hinrichtungen das Christentum
nicht völlig ausgerottet worden. Im Gegenteil traten der Kronprinz Rakoton
und andre Mitglieder der königlichen Familie 1846 zu ihm über, seit 1853 ge¬
wannen die Missionäre wieder Einfluß, und zu gleicher Zeit wurde der Handel
mit den Europäern wieder gestattet. Als Ranavalo Maudschota im August 1861
starb und der Kronprinz als Radama der Zweite die Regierung antrat, erfolgte
ein großer Umschwung zu Gunsten der Fremden. Der König öffnete ihnen das
ganze Land, schaffte die meisten barbarischen Satzungen und Einrichtungen ab
und sorgte dnrch Schulen für die Bildung des Volkes. Leider aber regierte
er nicht ganz zwei Jahre. Im Mai 1863 zettelten die Großen, die er dnrch
Bevorzugung der Franzosen vor den Eingebornen sowie durch zu hastig und rück¬
sichtslos betriebene Neuerungen erbittert hatte, eine Verschwörung an, und er wurde
ermordet. Seine Wittwe Rosaberiua, die ihm auf dem Throne folgte, setzte seiue
Politik fort, machte sich aber dadurch sowie durch Vermählung mit ihrem Minister
Rainitaiarivai ebenfalls verhaßt, sodaß es 1865 zu einem Aufstande gegen die
Franzosen kam. Dagegen schloß England im Juni desselben Jahres einen ihm
sehr günstigen Frenndschafts- und Handelsvertrag mit der Königin ab. Als
letztere im Jahre 1868 starb, Übertrag der Hova-Adel die Krone anf Ramona,
eine Verwandte derselben, die als Ramovalo Mandschvka die Zweite noch jetzt
regiert. Dieselbe ließ sich im Februar 1369 nebst einem großen Teile des Adels
taufen, und als sie darauf die Götzenbilder zu zerstören befahl uno die Adlichen
sich ihre Beseitigung gefallen ließen, traten auch viele Tausende des niedern
Volkes zum Christentume über.

Man sieht hieraus, daß Frankreich stets große Ansprüche machte, England
aber in günstigen Zeiten mehr Vorteile als sein Nebenbuhler davou trug, indem
seine Politik auf keine Landerwerbnng gerichtet war und von den protestantischen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/530>, abgerufen am 28.09.2024.