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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Gin neuer französischer Krieg in Sicht.

Herrschaft vou jener Basis weiter ausbreiten, so müssen sie dies durch einen
Krieg thun, den sie mit dem herrschenden Stamme zu sichren hätten.

Das Reich der Hovas ist bis jetzt bei allen Erobcruugsversuchen ans Mada¬
gaskar ein unübersteigliches Hindernis gewesen. 1813 stiegen die Hovas aus
ihrer Heimat im Lande Ankova im Mittelpunkte der Insel herab und unter¬
warfen sich mit Waffengewalt die übrigen Stämme. Ihr Eroberungszug überschritt
wilde Gebirgspässe und schwerdurchdringlichc Wälder. Sie waren keine Wilden,
sondern ein bildungsfähiges Volk, das nicht bloß auf Blutvergießen, Plünderung
und Verwüstung ausging, sondern einen geregelten Staat zu bilden imstande
war und sich gegen die Künste des Friedens nicht feindlich verhielt. Der Führer
der Hovas war ihr König Radama, ein Maun, welcher den Wert der Zivilisation
begriff und darnach handelte. Dabei wurde er von England unterstützt, das
eifersüchtig auf die Versuche der Franzosen war, sich hier festzusetzen und aus¬
zubreiten, und dies um besten vereiteln zu können meinte, wenn die Madagassen
unter einer einzigen Negierung konzentrirt wären und sich die Macht verschafften,
welche in der Zivilisation liegt. Daß es dabei sein eignes Interesse zu fördern
und zunächst Einfluß zu gewinnen nicht vergaß, ist selbstverständlich. Es er¬
kannte Radama als König von Madagaskar an, es sandte ihm Missionäre, welche
Schulen und Buchdruckereien anlegten, es schickte ihm Offiziere zur Umgestaltung
seines Heeres nach europäischem Muster. Mit Hilfe dieser Truppen unterwarf
sich der König allmählich alle Stämme der Insel, und zuletzt vertrieb er auch
die französische Besatzung des Forts Dauphin. Dagegen wurden den Engländern
alle Häfen Madagaskars geöffnet, und ihr Einfluß stieg durch die Missionäre
zusehends, sodaß sie u. a. die Abschaffung des Sklavenhandels gegen eine Jahres¬
rente von achttausend Pfund durchsetzten und den König bewogen, die Menschen¬
opfer zu verbieten. Derselbe begünstigte auch die Belebungsversuche der christ¬
lichen Missionäre, die infolge dessen gute Erfolge nach Hause berichten konnten.
Aber sein früher Tod machte dem allen für viele Jahre ein Ende. Am 27. Juli
1828 starb er an Gift, das ihm von seiner Gemahlin Ranavalo Mandschoka
beigebracht worden war. Die Königin bestieg, nachdem sie noch mehrere Ver¬
wandte ihres Gatten ans dem Wege geräumt, Anfang August selbst den Thron,
und mit ihr herrschte von da ab bis zum Jahre 1853 eine blutige Reaktion,
die nur dadurch gemildert wurde, daß neben ihrem Staatsrate der Franzose
Delasatelle, ehemals Handelsdiener, jetzt Minister, einen wohlthätigen Einfluß
auf die Gebiete des Handels und der Industrie auszuüben verstand, die Königin
und den Adel der Hovas mit europäischen Bedürfnissen und Genüssen bekannt
machte und den Anbau von Zucker, Kaffee und andern Kolonialerzengnisfen
einführte. Im übrigen zeigte sich die neue Königin der Zivilisation und den
Reformen ihres Vorgängers entschieden abgeneigt. Sie verbot 1835 das Christen¬
tum und Vertrieb die Missionäre, sie untersagte ihren Unterthanen den Verkehr
mit den Europäern, verfolgte letztere mit allerhnud grausamen Maßregeln und


Gin neuer französischer Krieg in Sicht.

Herrschaft vou jener Basis weiter ausbreiten, so müssen sie dies durch einen
Krieg thun, den sie mit dem herrschenden Stamme zu sichren hätten.

Das Reich der Hovas ist bis jetzt bei allen Erobcruugsversuchen ans Mada¬
gaskar ein unübersteigliches Hindernis gewesen. 1813 stiegen die Hovas aus
ihrer Heimat im Lande Ankova im Mittelpunkte der Insel herab und unter¬
warfen sich mit Waffengewalt die übrigen Stämme. Ihr Eroberungszug überschritt
wilde Gebirgspässe und schwerdurchdringlichc Wälder. Sie waren keine Wilden,
sondern ein bildungsfähiges Volk, das nicht bloß auf Blutvergießen, Plünderung
und Verwüstung ausging, sondern einen geregelten Staat zu bilden imstande
war und sich gegen die Künste des Friedens nicht feindlich verhielt. Der Führer
der Hovas war ihr König Radama, ein Maun, welcher den Wert der Zivilisation
begriff und darnach handelte. Dabei wurde er von England unterstützt, das
eifersüchtig auf die Versuche der Franzosen war, sich hier festzusetzen und aus¬
zubreiten, und dies um besten vereiteln zu können meinte, wenn die Madagassen
unter einer einzigen Negierung konzentrirt wären und sich die Macht verschafften,
welche in der Zivilisation liegt. Daß es dabei sein eignes Interesse zu fördern
und zunächst Einfluß zu gewinnen nicht vergaß, ist selbstverständlich. Es er¬
kannte Radama als König von Madagaskar an, es sandte ihm Missionäre, welche
Schulen und Buchdruckereien anlegten, es schickte ihm Offiziere zur Umgestaltung
seines Heeres nach europäischem Muster. Mit Hilfe dieser Truppen unterwarf
sich der König allmählich alle Stämme der Insel, und zuletzt vertrieb er auch
die französische Besatzung des Forts Dauphin. Dagegen wurden den Engländern
alle Häfen Madagaskars geöffnet, und ihr Einfluß stieg durch die Missionäre
zusehends, sodaß sie u. a. die Abschaffung des Sklavenhandels gegen eine Jahres¬
rente von achttausend Pfund durchsetzten und den König bewogen, die Menschen¬
opfer zu verbieten. Derselbe begünstigte auch die Belebungsversuche der christ¬
lichen Missionäre, die infolge dessen gute Erfolge nach Hause berichten konnten.
Aber sein früher Tod machte dem allen für viele Jahre ein Ende. Am 27. Juli
1828 starb er an Gift, das ihm von seiner Gemahlin Ranavalo Mandschoka
beigebracht worden war. Die Königin bestieg, nachdem sie noch mehrere Ver¬
wandte ihres Gatten ans dem Wege geräumt, Anfang August selbst den Thron,
und mit ihr herrschte von da ab bis zum Jahre 1853 eine blutige Reaktion,
die nur dadurch gemildert wurde, daß neben ihrem Staatsrate der Franzose
Delasatelle, ehemals Handelsdiener, jetzt Minister, einen wohlthätigen Einfluß
auf die Gebiete des Handels und der Industrie auszuüben verstand, die Königin
und den Adel der Hovas mit europäischen Bedürfnissen und Genüssen bekannt
machte und den Anbau von Zucker, Kaffee und andern Kolonialerzengnisfen
einführte. Im übrigen zeigte sich die neue Königin der Zivilisation und den
Reformen ihres Vorgängers entschieden abgeneigt. Sie verbot 1835 das Christen¬
tum und Vertrieb die Missionäre, sie untersagte ihren Unterthanen den Verkehr
mit den Europäern, verfolgte letztere mit allerhnud grausamen Maßregeln und


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[0529] Gin neuer französischer Krieg in Sicht. Herrschaft vou jener Basis weiter ausbreiten, so müssen sie dies durch einen Krieg thun, den sie mit dem herrschenden Stamme zu sichren hätten. Das Reich der Hovas ist bis jetzt bei allen Erobcruugsversuchen ans Mada¬ gaskar ein unübersteigliches Hindernis gewesen. 1813 stiegen die Hovas aus ihrer Heimat im Lande Ankova im Mittelpunkte der Insel herab und unter¬ warfen sich mit Waffengewalt die übrigen Stämme. Ihr Eroberungszug überschritt wilde Gebirgspässe und schwerdurchdringlichc Wälder. Sie waren keine Wilden, sondern ein bildungsfähiges Volk, das nicht bloß auf Blutvergießen, Plünderung und Verwüstung ausging, sondern einen geregelten Staat zu bilden imstande war und sich gegen die Künste des Friedens nicht feindlich verhielt. Der Führer der Hovas war ihr König Radama, ein Maun, welcher den Wert der Zivilisation begriff und darnach handelte. Dabei wurde er von England unterstützt, das eifersüchtig auf die Versuche der Franzosen war, sich hier festzusetzen und aus¬ zubreiten, und dies um besten vereiteln zu können meinte, wenn die Madagassen unter einer einzigen Negierung konzentrirt wären und sich die Macht verschafften, welche in der Zivilisation liegt. Daß es dabei sein eignes Interesse zu fördern und zunächst Einfluß zu gewinnen nicht vergaß, ist selbstverständlich. Es er¬ kannte Radama als König von Madagaskar an, es sandte ihm Missionäre, welche Schulen und Buchdruckereien anlegten, es schickte ihm Offiziere zur Umgestaltung seines Heeres nach europäischem Muster. Mit Hilfe dieser Truppen unterwarf sich der König allmählich alle Stämme der Insel, und zuletzt vertrieb er auch die französische Besatzung des Forts Dauphin. Dagegen wurden den Engländern alle Häfen Madagaskars geöffnet, und ihr Einfluß stieg durch die Missionäre zusehends, sodaß sie u. a. die Abschaffung des Sklavenhandels gegen eine Jahres¬ rente von achttausend Pfund durchsetzten und den König bewogen, die Menschen¬ opfer zu verbieten. Derselbe begünstigte auch die Belebungsversuche der christ¬ lichen Missionäre, die infolge dessen gute Erfolge nach Hause berichten konnten. Aber sein früher Tod machte dem allen für viele Jahre ein Ende. Am 27. Juli 1828 starb er an Gift, das ihm von seiner Gemahlin Ranavalo Mandschoka beigebracht worden war. Die Königin bestieg, nachdem sie noch mehrere Ver¬ wandte ihres Gatten ans dem Wege geräumt, Anfang August selbst den Thron, und mit ihr herrschte von da ab bis zum Jahre 1853 eine blutige Reaktion, die nur dadurch gemildert wurde, daß neben ihrem Staatsrate der Franzose Delasatelle, ehemals Handelsdiener, jetzt Minister, einen wohlthätigen Einfluß auf die Gebiete des Handels und der Industrie auszuüben verstand, die Königin und den Adel der Hovas mit europäischen Bedürfnissen und Genüssen bekannt machte und den Anbau von Zucker, Kaffee und andern Kolonialerzengnisfen einführte. Im übrigen zeigte sich die neue Königin der Zivilisation und den Reformen ihres Vorgängers entschieden abgeneigt. Sie verbot 1835 das Christen¬ tum und Vertrieb die Missionäre, sie untersagte ihren Unterthanen den Verkehr mit den Europäern, verfolgte letztere mit allerhnud grausamen Maßregeln und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/529>, abgerufen am 29.06.2024.