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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Gin neuer französischer Arieg in Sicht.

Golfs Von Manga auf der Insel Rossi Ibrahim gelegen, von wo aus die
Franzosen ehedem einen lebhaften Handel betrieben. Andre von den Franzosen
durch Verträge mit Häuptlingen der Sakalcwas erworbene Inseln sind Rossi Be,
Kumba, Mitiu und Fall, sämtlich an der Nordwestküste, doch haben die Hovas
diese Verträge niemals anerkannt. Auch sonst stößt man an den Küsten auf
viele Vorgebirge, Golfe und Sunde, die europäische Namen tragen, aber es ist
sehr zweifelhaft, ob jemals ein europäischer Staat sich durch das Recht der Er¬
oberung oder sonstwie giltigen Anspruch auf irgend einen Teil von Madagaskar
erworben hat, und die meisten der von Europäern besetzten Punkte maßten wegen
ihrer Urgesundheit nach kurzer Zeit wieder geräumt werden.

Madagaskar, von den Eingebornen Rossi Ndambo, Insel der Wildschweine,
von den Arabern Dschesire El Komr, Mondinsel genannt, wird schon von Marco
Polo, dem Herodot des Mittelalters, erwähnt, doch ist dieser Reisende, der es
Magastar nennt, nicht selbst dort gewesen und infolge dessen nicht genan unter¬
richtet. Erst 1506 wurde es von einem Europäer entdeckt und betreten, und
zwar nicht von einem Franzosen, sondern von dem portugiesischen Seefahrer
Lorenzo Alucita, nach welchem es eine Zeit lang den Namen der Lorenzinsel
führte. Nach andern hätte es den letztern davon erhalten, daß Alucita das
neue Land zuerst am Tage des heiligen Laurentius gesehen. Die Portugiesen
scheinen ihre Entdeckung nicht weiter verfolgt zu haben, dagegen machten im
siebzehnten Jahrhundert die Engländer und die Holländer wiederholt Versuche,
hier Niederlassungen zu gründen, aber stets scheiterten diese Bemühungen, und
den Franzosen erging es meist nicht besser. Daß ein französischer Schiffskapitän
Madagaskar schon unter Heinrich dem Vierten besucht und für seinen .König
in Besitz genommen, ist Wohl Sage; denn die französische Seefahrt entwickelte
sich erst später in der Weise, daß sie weite Reisen nach dem Indischen Ozean
zu unternehmen imstande war. Dagegen ist sicher, daß die Franzosen 1642
hier eine Kolonie anlegten, die sie Fort Dauphin nannten, und daß sie damit
die ganze Insel erworben zu haben vermeinten. Aber in das Innere vermochten
sie nicht vorzudringen, und die Ansiedelungen, die sie später gründeten, ver¬
mochten sich nicht zu halten. Die Kolonisten erbitterten die Eingebornen durch
Anmaßung und Gewaltthat, und so wurden sie von diesen teils niedergemacht,
teils verjagt, so 1652 zu Mangisia, 1670 in Fort Dauphin und 1754 auf der
Insel Sande Marie. Später hatte hier Frankreich nur Faktoreien, die zu
Anfang dieses Jahrhunderts an die Engländer verloren gingen, aber 1815
zurückgegeben wurden. Zwar bezeichnen die Landkarten noch jetzt eine Stelle
an der Küste mit Fort Dauphin, aber dieselbe ist eine menschenleere Trümmer¬
stätte. Nur auf den genannten Inseln der Nordwestküste gelang es Frankreich,
festen Fuß zu fassen, und rechtlich besitze,: sie jene auch nicht, da die betreffenden
Verträge nicht mit der Hvva-Regierung, sondern mit Stämmen abgeschlossen
worden sind, welche als Insurgenten zu gelten haben. Wollen sie daher ihre


Gin neuer französischer Arieg in Sicht.

Golfs Von Manga auf der Insel Rossi Ibrahim gelegen, von wo aus die
Franzosen ehedem einen lebhaften Handel betrieben. Andre von den Franzosen
durch Verträge mit Häuptlingen der Sakalcwas erworbene Inseln sind Rossi Be,
Kumba, Mitiu und Fall, sämtlich an der Nordwestküste, doch haben die Hovas
diese Verträge niemals anerkannt. Auch sonst stößt man an den Küsten auf
viele Vorgebirge, Golfe und Sunde, die europäische Namen tragen, aber es ist
sehr zweifelhaft, ob jemals ein europäischer Staat sich durch das Recht der Er¬
oberung oder sonstwie giltigen Anspruch auf irgend einen Teil von Madagaskar
erworben hat, und die meisten der von Europäern besetzten Punkte maßten wegen
ihrer Urgesundheit nach kurzer Zeit wieder geräumt werden.

Madagaskar, von den Eingebornen Rossi Ndambo, Insel der Wildschweine,
von den Arabern Dschesire El Komr, Mondinsel genannt, wird schon von Marco
Polo, dem Herodot des Mittelalters, erwähnt, doch ist dieser Reisende, der es
Magastar nennt, nicht selbst dort gewesen und infolge dessen nicht genan unter¬
richtet. Erst 1506 wurde es von einem Europäer entdeckt und betreten, und
zwar nicht von einem Franzosen, sondern von dem portugiesischen Seefahrer
Lorenzo Alucita, nach welchem es eine Zeit lang den Namen der Lorenzinsel
führte. Nach andern hätte es den letztern davon erhalten, daß Alucita das
neue Land zuerst am Tage des heiligen Laurentius gesehen. Die Portugiesen
scheinen ihre Entdeckung nicht weiter verfolgt zu haben, dagegen machten im
siebzehnten Jahrhundert die Engländer und die Holländer wiederholt Versuche,
hier Niederlassungen zu gründen, aber stets scheiterten diese Bemühungen, und
den Franzosen erging es meist nicht besser. Daß ein französischer Schiffskapitän
Madagaskar schon unter Heinrich dem Vierten besucht und für seinen .König
in Besitz genommen, ist Wohl Sage; denn die französische Seefahrt entwickelte
sich erst später in der Weise, daß sie weite Reisen nach dem Indischen Ozean
zu unternehmen imstande war. Dagegen ist sicher, daß die Franzosen 1642
hier eine Kolonie anlegten, die sie Fort Dauphin nannten, und daß sie damit
die ganze Insel erworben zu haben vermeinten. Aber in das Innere vermochten
sie nicht vorzudringen, und die Ansiedelungen, die sie später gründeten, ver¬
mochten sich nicht zu halten. Die Kolonisten erbitterten die Eingebornen durch
Anmaßung und Gewaltthat, und so wurden sie von diesen teils niedergemacht,
teils verjagt, so 1652 zu Mangisia, 1670 in Fort Dauphin und 1754 auf der
Insel Sande Marie. Später hatte hier Frankreich nur Faktoreien, die zu
Anfang dieses Jahrhunderts an die Engländer verloren gingen, aber 1815
zurückgegeben wurden. Zwar bezeichnen die Landkarten noch jetzt eine Stelle
an der Küste mit Fort Dauphin, aber dieselbe ist eine menschenleere Trümmer¬
stätte. Nur auf den genannten Inseln der Nordwestküste gelang es Frankreich,
festen Fuß zu fassen, und rechtlich besitze,: sie jene auch nicht, da die betreffenden
Verträge nicht mit der Hvva-Regierung, sondern mit Stämmen abgeschlossen
worden sind, welche als Insurgenten zu gelten haben. Wollen sie daher ihre


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[0528] Gin neuer französischer Arieg in Sicht. Golfs Von Manga auf der Insel Rossi Ibrahim gelegen, von wo aus die Franzosen ehedem einen lebhaften Handel betrieben. Andre von den Franzosen durch Verträge mit Häuptlingen der Sakalcwas erworbene Inseln sind Rossi Be, Kumba, Mitiu und Fall, sämtlich an der Nordwestküste, doch haben die Hovas diese Verträge niemals anerkannt. Auch sonst stößt man an den Küsten auf viele Vorgebirge, Golfe und Sunde, die europäische Namen tragen, aber es ist sehr zweifelhaft, ob jemals ein europäischer Staat sich durch das Recht der Er¬ oberung oder sonstwie giltigen Anspruch auf irgend einen Teil von Madagaskar erworben hat, und die meisten der von Europäern besetzten Punkte maßten wegen ihrer Urgesundheit nach kurzer Zeit wieder geräumt werden. Madagaskar, von den Eingebornen Rossi Ndambo, Insel der Wildschweine, von den Arabern Dschesire El Komr, Mondinsel genannt, wird schon von Marco Polo, dem Herodot des Mittelalters, erwähnt, doch ist dieser Reisende, der es Magastar nennt, nicht selbst dort gewesen und infolge dessen nicht genan unter¬ richtet. Erst 1506 wurde es von einem Europäer entdeckt und betreten, und zwar nicht von einem Franzosen, sondern von dem portugiesischen Seefahrer Lorenzo Alucita, nach welchem es eine Zeit lang den Namen der Lorenzinsel führte. Nach andern hätte es den letztern davon erhalten, daß Alucita das neue Land zuerst am Tage des heiligen Laurentius gesehen. Die Portugiesen scheinen ihre Entdeckung nicht weiter verfolgt zu haben, dagegen machten im siebzehnten Jahrhundert die Engländer und die Holländer wiederholt Versuche, hier Niederlassungen zu gründen, aber stets scheiterten diese Bemühungen, und den Franzosen erging es meist nicht besser. Daß ein französischer Schiffskapitän Madagaskar schon unter Heinrich dem Vierten besucht und für seinen .König in Besitz genommen, ist Wohl Sage; denn die französische Seefahrt entwickelte sich erst später in der Weise, daß sie weite Reisen nach dem Indischen Ozean zu unternehmen imstande war. Dagegen ist sicher, daß die Franzosen 1642 hier eine Kolonie anlegten, die sie Fort Dauphin nannten, und daß sie damit die ganze Insel erworben zu haben vermeinten. Aber in das Innere vermochten sie nicht vorzudringen, und die Ansiedelungen, die sie später gründeten, ver¬ mochten sich nicht zu halten. Die Kolonisten erbitterten die Eingebornen durch Anmaßung und Gewaltthat, und so wurden sie von diesen teils niedergemacht, teils verjagt, so 1652 zu Mangisia, 1670 in Fort Dauphin und 1754 auf der Insel Sande Marie. Später hatte hier Frankreich nur Faktoreien, die zu Anfang dieses Jahrhunderts an die Engländer verloren gingen, aber 1815 zurückgegeben wurden. Zwar bezeichnen die Landkarten noch jetzt eine Stelle an der Küste mit Fort Dauphin, aber dieselbe ist eine menschenleere Trümmer¬ stätte. Nur auf den genannten Inseln der Nordwestküste gelang es Frankreich, festen Fuß zu fassen, und rechtlich besitze,: sie jene auch nicht, da die betreffenden Verträge nicht mit der Hvva-Regierung, sondern mit Stämmen abgeschlossen worden sind, welche als Insurgenten zu gelten haben. Wollen sie daher ihre

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/528>, abgerufen am 29.06.2024.