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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Gin neuer französischer Krieg in Sicht.

Menge, daß die ganze Insel nach ihm benannt worden ist. Das Klima ist auf
Hochebenen des Innern sowie im Westen und Norden gesund, wenn auch sehr
warm, wogegen die tropische Hitze in den Niederungen am Meere gefährliche
Miasmen und infolge dessen Gallenfieber so schrecklicher Art erzeugt, daß Mada¬
gaskar als der Kirchhof der Europäer bezeichnet wird.

Die Einwohner der Insel, deren Zahl ans etwa drei Millionen zu veran¬
schlagen ist, nennen sich Malagas? und zerfallen in sehr verschiedene Rassen.
An der nördlichen Küste haben sich einige tausend Araber niedergelassen, die
schon vor Jahrhunderten eingewandert sind. Im Westen wohnen Schwarze vom
Typus der Kaffern. Das Volk dagegen, welches die Ostseite und das Binnen¬
land im Besitze hat, zeigt die Bauart, die Farbe und den Charakter der Malahen.
Dieser hellere Teil der Bevölkerung ist der vorherrschende auf der Insel und
zugleich gesitteter und gewerbfleißiger als der dunkle. Alle Madagassen jedoch
sprechen dieselbe Sprache, und alle gelten für stolz, habgierig, rachsüchtig und
abergläubisch, andrerseits aber zeichnen sie sich dnrch Gastlichkeit, Tapferkeit und
Unnbhängigkeitsliebe aus. Die Volksreligion ist Heidentum. Man kennt einen
guten Hauptgott und einen bösen, welchem letztern man Kinder opfert. Die
große Mehrzahl der Madagassen besteht ans Hirten, Ackerbauern, Jägern und
Fischern. Nur die Hvvas treiben auch einige Gewerbe, namentlich sind viele
von ihnen Schmiede, Holzarbeiter und Weber in Wolle und Seide. Früher wurden
von Madagaskar viele Sklaven ausgeführt, jetzt besteht der Export nnr noch in
Reis, Mais, Schlachtvieh und groben Webstoffen, die meist uach den Nachbar¬
inseln Mauritius und Bourbon verschifft werden.

Die einzelnen Stämme der Madagasse-:, einige zwanzig, werden von Häupt¬
lingen despotisch regiert, doch stehen letztere wieder unter der Oberherrschaft der
Hovasdynaftie, welche sich das Land vor etwa siebzig Jahren unterworfen und
ihre Macht im großen und ganzen bis jetzt behauptet hat, indem nnr der
Stamm der Sakalavas imstande gewesen ist, seine Unabhängigkeit wiederzuge¬
winnen. Die Hovas haben die Insel in Provinzen und diese wieder in Bezirke
geteilt, die von Beamten verwaltet werden, deren Thätigkeit von der Hauptstadt
ans geleitet wird. Die letztere liegt auf einem viertausend Fuß hohen Gebirgs-
Plateau in der Zentralprovinz Ankvva und heiß Talare Aripo, auch Emirnc.
Sie hat fünfnndzwnnzigtauselw und mit ihren Vorstädten nchtzigtansend Ein¬
wohner, die sehr zerstreut in strohgedeckte" Häusern unter alten Bäumen wohnen,
welche sich um den in europäischem Stil erbauten Königspalast gruppiren.
Nördlich von hier trifft man die ehemalige Hauptstadt Rahidronv. Im Lande
der Snkalnvas sind Bombetok und das befestigte Madschonga die bedeutendsten
Orte. An der mittlern Ostküste, in der eiseureicheu und dicht bevölkerten Provinz
Betanimena, befindet sich Tamatave, der Hanpthnfenplatz dieser Gegend. Andre
nennenswerte Städte Madagaskars sind Fonlpointe, weiter nördlich, und Sainte
Marie, im Süden des prachtvollen, fünf Meilen tiefen und etwa halb so breiten


Gin neuer französischer Krieg in Sicht.

Menge, daß die ganze Insel nach ihm benannt worden ist. Das Klima ist auf
Hochebenen des Innern sowie im Westen und Norden gesund, wenn auch sehr
warm, wogegen die tropische Hitze in den Niederungen am Meere gefährliche
Miasmen und infolge dessen Gallenfieber so schrecklicher Art erzeugt, daß Mada¬
gaskar als der Kirchhof der Europäer bezeichnet wird.

Die Einwohner der Insel, deren Zahl ans etwa drei Millionen zu veran¬
schlagen ist, nennen sich Malagas? und zerfallen in sehr verschiedene Rassen.
An der nördlichen Küste haben sich einige tausend Araber niedergelassen, die
schon vor Jahrhunderten eingewandert sind. Im Westen wohnen Schwarze vom
Typus der Kaffern. Das Volk dagegen, welches die Ostseite und das Binnen¬
land im Besitze hat, zeigt die Bauart, die Farbe und den Charakter der Malahen.
Dieser hellere Teil der Bevölkerung ist der vorherrschende auf der Insel und
zugleich gesitteter und gewerbfleißiger als der dunkle. Alle Madagassen jedoch
sprechen dieselbe Sprache, und alle gelten für stolz, habgierig, rachsüchtig und
abergläubisch, andrerseits aber zeichnen sie sich dnrch Gastlichkeit, Tapferkeit und
Unnbhängigkeitsliebe aus. Die Volksreligion ist Heidentum. Man kennt einen
guten Hauptgott und einen bösen, welchem letztern man Kinder opfert. Die
große Mehrzahl der Madagassen besteht ans Hirten, Ackerbauern, Jägern und
Fischern. Nur die Hvvas treiben auch einige Gewerbe, namentlich sind viele
von ihnen Schmiede, Holzarbeiter und Weber in Wolle und Seide. Früher wurden
von Madagaskar viele Sklaven ausgeführt, jetzt besteht der Export nnr noch in
Reis, Mais, Schlachtvieh und groben Webstoffen, die meist uach den Nachbar¬
inseln Mauritius und Bourbon verschifft werden.

Die einzelnen Stämme der Madagasse-:, einige zwanzig, werden von Häupt¬
lingen despotisch regiert, doch stehen letztere wieder unter der Oberherrschaft der
Hovasdynaftie, welche sich das Land vor etwa siebzig Jahren unterworfen und
ihre Macht im großen und ganzen bis jetzt behauptet hat, indem nnr der
Stamm der Sakalavas imstande gewesen ist, seine Unabhängigkeit wiederzuge¬
winnen. Die Hovas haben die Insel in Provinzen und diese wieder in Bezirke
geteilt, die von Beamten verwaltet werden, deren Thätigkeit von der Hauptstadt
ans geleitet wird. Die letztere liegt auf einem viertausend Fuß hohen Gebirgs-
Plateau in der Zentralprovinz Ankvva und heiß Talare Aripo, auch Emirnc.
Sie hat fünfnndzwnnzigtauselw und mit ihren Vorstädten nchtzigtansend Ein¬
wohner, die sehr zerstreut in strohgedeckte» Häusern unter alten Bäumen wohnen,
welche sich um den in europäischem Stil erbauten Königspalast gruppiren.
Nördlich von hier trifft man die ehemalige Hauptstadt Rahidronv. Im Lande
der Snkalnvas sind Bombetok und das befestigte Madschonga die bedeutendsten
Orte. An der mittlern Ostküste, in der eiseureicheu und dicht bevölkerten Provinz
Betanimena, befindet sich Tamatave, der Hanpthnfenplatz dieser Gegend. Andre
nennenswerte Städte Madagaskars sind Fonlpointe, weiter nördlich, und Sainte
Marie, im Süden des prachtvollen, fünf Meilen tiefen und etwa halb so breiten


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[0527] Gin neuer französischer Krieg in Sicht. Menge, daß die ganze Insel nach ihm benannt worden ist. Das Klima ist auf Hochebenen des Innern sowie im Westen und Norden gesund, wenn auch sehr warm, wogegen die tropische Hitze in den Niederungen am Meere gefährliche Miasmen und infolge dessen Gallenfieber so schrecklicher Art erzeugt, daß Mada¬ gaskar als der Kirchhof der Europäer bezeichnet wird. Die Einwohner der Insel, deren Zahl ans etwa drei Millionen zu veran¬ schlagen ist, nennen sich Malagas? und zerfallen in sehr verschiedene Rassen. An der nördlichen Küste haben sich einige tausend Araber niedergelassen, die schon vor Jahrhunderten eingewandert sind. Im Westen wohnen Schwarze vom Typus der Kaffern. Das Volk dagegen, welches die Ostseite und das Binnen¬ land im Besitze hat, zeigt die Bauart, die Farbe und den Charakter der Malahen. Dieser hellere Teil der Bevölkerung ist der vorherrschende auf der Insel und zugleich gesitteter und gewerbfleißiger als der dunkle. Alle Madagassen jedoch sprechen dieselbe Sprache, und alle gelten für stolz, habgierig, rachsüchtig und abergläubisch, andrerseits aber zeichnen sie sich dnrch Gastlichkeit, Tapferkeit und Unnbhängigkeitsliebe aus. Die Volksreligion ist Heidentum. Man kennt einen guten Hauptgott und einen bösen, welchem letztern man Kinder opfert. Die große Mehrzahl der Madagassen besteht ans Hirten, Ackerbauern, Jägern und Fischern. Nur die Hvvas treiben auch einige Gewerbe, namentlich sind viele von ihnen Schmiede, Holzarbeiter und Weber in Wolle und Seide. Früher wurden von Madagaskar viele Sklaven ausgeführt, jetzt besteht der Export nnr noch in Reis, Mais, Schlachtvieh und groben Webstoffen, die meist uach den Nachbar¬ inseln Mauritius und Bourbon verschifft werden. Die einzelnen Stämme der Madagasse-:, einige zwanzig, werden von Häupt¬ lingen despotisch regiert, doch stehen letztere wieder unter der Oberherrschaft der Hovasdynaftie, welche sich das Land vor etwa siebzig Jahren unterworfen und ihre Macht im großen und ganzen bis jetzt behauptet hat, indem nnr der Stamm der Sakalavas imstande gewesen ist, seine Unabhängigkeit wiederzuge¬ winnen. Die Hovas haben die Insel in Provinzen und diese wieder in Bezirke geteilt, die von Beamten verwaltet werden, deren Thätigkeit von der Hauptstadt ans geleitet wird. Die letztere liegt auf einem viertausend Fuß hohen Gebirgs- Plateau in der Zentralprovinz Ankvva und heiß Talare Aripo, auch Emirnc. Sie hat fünfnndzwnnzigtauselw und mit ihren Vorstädten nchtzigtansend Ein¬ wohner, die sehr zerstreut in strohgedeckte» Häusern unter alten Bäumen wohnen, welche sich um den in europäischem Stil erbauten Königspalast gruppiren. Nördlich von hier trifft man die ehemalige Hauptstadt Rahidronv. Im Lande der Snkalnvas sind Bombetok und das befestigte Madschonga die bedeutendsten Orte. An der mittlern Ostküste, in der eiseureicheu und dicht bevölkerten Provinz Betanimena, befindet sich Tamatave, der Hanpthnfenplatz dieser Gegend. Andre nennenswerte Städte Madagaskars sind Fonlpointe, weiter nördlich, und Sainte Marie, im Süden des prachtvollen, fünf Meilen tiefen und etwa halb so breiten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/527>, abgerufen am 29.06.2024.