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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Lili neuer französischer Krieg in Sicht.

nachdem ein aufgeregter Franzmann zu gutecletzt noch ihre Flagge herunter¬
gerissen, ihr Pariser Hotel, um sich -- fast wie Flüchtlinge -- nach London
zu begeben und dort Beistand zu suche". Diese plötzlich veränderte Haltung hat
in der französischen Hauptstadt offenbar überrascht. Doch scheint mau ent
schlössen, die unglücklichen Hovas, nachdem sie in Güte nicht zu haben waren,
mit Gewalt zur Nachgiebigkeit zu bringen, und zunächst ist an den Commodore
Le Timbre, der die Flottenstativn in den madagassischen Gewässern befehligt,
die Weisung nbgegaugeu, den "Rechten und Interessen" seiner Landsleute in
Madagaskar Achtung zu verschaffen. Wir werden also in einiger Zeit hören,
wie dieser Offizier dies aufgefaßt und ob er Erfolge erzielt hat. Vielleicht
bleibt es bei eiuer Demonstration gegen die Hafenstadt Tcunatave, möglicher¬
weise denkt man aber auch schon an einen Marsch nach der im Innern gelegnen
Residenz der Königin, doch würde dazu eine nicht unbedeutende Armee gehören,
desgleichen verhältnismäßig viel Geld, woran der französische Staatsschatz gegen¬
wärtig eben keinen Überfluß hat.

Inzwischen werfen wir einen Blick auf Madagaskar und seine Geschichte,
wobei wir uus belehren werdeu, was es mit den "Rechten und Interessen Frank¬
reichs" ans dieser Insel für eine Bewandtnis hat, und welche Aussichten ans
Erfolg sich eiuer französischen Expedition gegen die Hovas eröffnen.

Madagaskar, mit seinem Areal von etwa zehntausend Quadratmeilen eine
der größten Inseln der Erde, liegt im Indischen Ozean, etwa neunzig Meilen
von der Küste des südöstlichen Afrikas, von der es der Kanal von Mozambique
trennt. Es ist fast durchgehends gebirgig und zeigt Gipfel von mehr als zehn¬
tausend Fuß Höhe. Den Norden bedecken ungeheure Wälder, die von zahlreichen
Flüssen durchströmt werdeu. Die Strandebenen sind meist sumpfig und mit
vielen kleinen Landseen besät, auch häufig mit tiefeinschneidender Buchten ge¬
zähnt, die zum großen Teile vortreffliche Häfen und Rheden bilden. Der Ver¬
kehr im Innern findet in schroffansteigenden, fast paßlvsen Grattitbergen und
wilden Abgründen auf weite Strecken außerordentliche Schwierigkeiten. Die
Gebirge sind reich an Kohlen und Eisen, Kupfer, Blei und Silber, auch wird
hie und da Gold gefunden Auf den Hochebenen des Binnenlandes ziehen sich,
wo sie nicht bewaldet sind, unabsehbare Savannen hin, die Thäler und der
Küstensaum sind meist überaus fruchtbar, die Wälder liefern vorzügliches Ma¬
terial für den Schiffsbau, desgleichen Farb- und feine Tischlerhölzer. Die Insel
erzeugt ferner reichlich ausgezeichnete Baumwolle und Zuckerrohr, guten Tabak,
Reis, das Hanptnahruttgsmittel der Bevölkerung, Kaffee, der dein von Bourbon
an Güte gleichsteht, Indigo, Gewürze, namentlich Pfeffer, ferner Wein, Zitronen,
Feigen und verschiedne Arzneipflanzen. Reißeude Tiere fehlen, dagegen sind
Schlangen und Krokodile in Massen vorhanden. Die Einwohner besitzen große
Rinder- und Schafherden, uns den Hochebenen giebt es gewaltige Massen wilder
Büffel, und in deu Sümpfen der Küstenstriche sanft Schwarzwild in solcher


Lili neuer französischer Krieg in Sicht.

nachdem ein aufgeregter Franzmann zu gutecletzt noch ihre Flagge herunter¬
gerissen, ihr Pariser Hotel, um sich — fast wie Flüchtlinge — nach London
zu begeben und dort Beistand zu suche». Diese plötzlich veränderte Haltung hat
in der französischen Hauptstadt offenbar überrascht. Doch scheint mau ent
schlössen, die unglücklichen Hovas, nachdem sie in Güte nicht zu haben waren,
mit Gewalt zur Nachgiebigkeit zu bringen, und zunächst ist an den Commodore
Le Timbre, der die Flottenstativn in den madagassischen Gewässern befehligt,
die Weisung nbgegaugeu, den „Rechten und Interessen" seiner Landsleute in
Madagaskar Achtung zu verschaffen. Wir werden also in einiger Zeit hören,
wie dieser Offizier dies aufgefaßt und ob er Erfolge erzielt hat. Vielleicht
bleibt es bei eiuer Demonstration gegen die Hafenstadt Tcunatave, möglicher¬
weise denkt man aber auch schon an einen Marsch nach der im Innern gelegnen
Residenz der Königin, doch würde dazu eine nicht unbedeutende Armee gehören,
desgleichen verhältnismäßig viel Geld, woran der französische Staatsschatz gegen¬
wärtig eben keinen Überfluß hat.

Inzwischen werfen wir einen Blick auf Madagaskar und seine Geschichte,
wobei wir uus belehren werdeu, was es mit den „Rechten und Interessen Frank¬
reichs" ans dieser Insel für eine Bewandtnis hat, und welche Aussichten ans
Erfolg sich eiuer französischen Expedition gegen die Hovas eröffnen.

Madagaskar, mit seinem Areal von etwa zehntausend Quadratmeilen eine
der größten Inseln der Erde, liegt im Indischen Ozean, etwa neunzig Meilen
von der Küste des südöstlichen Afrikas, von der es der Kanal von Mozambique
trennt. Es ist fast durchgehends gebirgig und zeigt Gipfel von mehr als zehn¬
tausend Fuß Höhe. Den Norden bedecken ungeheure Wälder, die von zahlreichen
Flüssen durchströmt werdeu. Die Strandebenen sind meist sumpfig und mit
vielen kleinen Landseen besät, auch häufig mit tiefeinschneidender Buchten ge¬
zähnt, die zum großen Teile vortreffliche Häfen und Rheden bilden. Der Ver¬
kehr im Innern findet in schroffansteigenden, fast paßlvsen Grattitbergen und
wilden Abgründen auf weite Strecken außerordentliche Schwierigkeiten. Die
Gebirge sind reich an Kohlen und Eisen, Kupfer, Blei und Silber, auch wird
hie und da Gold gefunden Auf den Hochebenen des Binnenlandes ziehen sich,
wo sie nicht bewaldet sind, unabsehbare Savannen hin, die Thäler und der
Küstensaum sind meist überaus fruchtbar, die Wälder liefern vorzügliches Ma¬
terial für den Schiffsbau, desgleichen Farb- und feine Tischlerhölzer. Die Insel
erzeugt ferner reichlich ausgezeichnete Baumwolle und Zuckerrohr, guten Tabak,
Reis, das Hanptnahruttgsmittel der Bevölkerung, Kaffee, der dein von Bourbon
an Güte gleichsteht, Indigo, Gewürze, namentlich Pfeffer, ferner Wein, Zitronen,
Feigen und verschiedne Arzneipflanzen. Reißeude Tiere fehlen, dagegen sind
Schlangen und Krokodile in Massen vorhanden. Die Einwohner besitzen große
Rinder- und Schafherden, uns den Hochebenen giebt es gewaltige Massen wilder
Büffel, und in deu Sümpfen der Küstenstriche sanft Schwarzwild in solcher


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[0526] Lili neuer französischer Krieg in Sicht. nachdem ein aufgeregter Franzmann zu gutecletzt noch ihre Flagge herunter¬ gerissen, ihr Pariser Hotel, um sich — fast wie Flüchtlinge — nach London zu begeben und dort Beistand zu suche». Diese plötzlich veränderte Haltung hat in der französischen Hauptstadt offenbar überrascht. Doch scheint mau ent schlössen, die unglücklichen Hovas, nachdem sie in Güte nicht zu haben waren, mit Gewalt zur Nachgiebigkeit zu bringen, und zunächst ist an den Commodore Le Timbre, der die Flottenstativn in den madagassischen Gewässern befehligt, die Weisung nbgegaugeu, den „Rechten und Interessen" seiner Landsleute in Madagaskar Achtung zu verschaffen. Wir werden also in einiger Zeit hören, wie dieser Offizier dies aufgefaßt und ob er Erfolge erzielt hat. Vielleicht bleibt es bei eiuer Demonstration gegen die Hafenstadt Tcunatave, möglicher¬ weise denkt man aber auch schon an einen Marsch nach der im Innern gelegnen Residenz der Königin, doch würde dazu eine nicht unbedeutende Armee gehören, desgleichen verhältnismäßig viel Geld, woran der französische Staatsschatz gegen¬ wärtig eben keinen Überfluß hat. Inzwischen werfen wir einen Blick auf Madagaskar und seine Geschichte, wobei wir uus belehren werdeu, was es mit den „Rechten und Interessen Frank¬ reichs" ans dieser Insel für eine Bewandtnis hat, und welche Aussichten ans Erfolg sich eiuer französischen Expedition gegen die Hovas eröffnen. Madagaskar, mit seinem Areal von etwa zehntausend Quadratmeilen eine der größten Inseln der Erde, liegt im Indischen Ozean, etwa neunzig Meilen von der Küste des südöstlichen Afrikas, von der es der Kanal von Mozambique trennt. Es ist fast durchgehends gebirgig und zeigt Gipfel von mehr als zehn¬ tausend Fuß Höhe. Den Norden bedecken ungeheure Wälder, die von zahlreichen Flüssen durchströmt werdeu. Die Strandebenen sind meist sumpfig und mit vielen kleinen Landseen besät, auch häufig mit tiefeinschneidender Buchten ge¬ zähnt, die zum großen Teile vortreffliche Häfen und Rheden bilden. Der Ver¬ kehr im Innern findet in schroffansteigenden, fast paßlvsen Grattitbergen und wilden Abgründen auf weite Strecken außerordentliche Schwierigkeiten. Die Gebirge sind reich an Kohlen und Eisen, Kupfer, Blei und Silber, auch wird hie und da Gold gefunden Auf den Hochebenen des Binnenlandes ziehen sich, wo sie nicht bewaldet sind, unabsehbare Savannen hin, die Thäler und der Küstensaum sind meist überaus fruchtbar, die Wälder liefern vorzügliches Ma¬ terial für den Schiffsbau, desgleichen Farb- und feine Tischlerhölzer. Die Insel erzeugt ferner reichlich ausgezeichnete Baumwolle und Zuckerrohr, guten Tabak, Reis, das Hanptnahruttgsmittel der Bevölkerung, Kaffee, der dein von Bourbon an Güte gleichsteht, Indigo, Gewürze, namentlich Pfeffer, ferner Wein, Zitronen, Feigen und verschiedne Arzneipflanzen. Reißeude Tiere fehlen, dagegen sind Schlangen und Krokodile in Massen vorhanden. Die Einwohner besitzen große Rinder- und Schafherden, uns den Hochebenen giebt es gewaltige Massen wilder Büffel, und in deu Sümpfen der Küstenstriche sanft Schwarzwild in solcher

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/526>, abgerufen am 29.06.2024.