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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Die Kscherin von Mcllamocco.
Novelle von Adolf Stern.

(Fortsetzung.)

argherita raffte sich auf, um die Bilder von einst, welche sie vor
sich sah, nicht übermächtig werden zu lassen. Eine Stunde später
schritt sie, dem heißeren Sonnenschein trotzend, zwischen den
weißen Häusern des Fleckens dahin, der vor Jahrhunderten der
Sitz der Dogen gewesen war und jetzt so ode und leblos lag.
^>le erquickte sich nach ihrem Vorsatz an der Zisterne und umging dann in weitem
Bogen das Haus, welches der Kirche zunächst stand. Dort wohnte der Erz-
Priester von Malamveev, welcher die arme Margherita, als sie noch Vater Mareos
Pflegetochter war und ehe sie Tonlos Weib ward, als Schaffnerin in sein Haus
begehrt hatte und ihr um ihres Widerstrebens willen gewaltig zürnte. Der
stattlich-üppige geistliche Herr wäre der letzte gewesen, dem die junge Frau ihr
geheimes Weh Hütte vertrauen mögen, sie setzte ihre Hoffnungen allein auf den
greisen Pater Girolamo, den Diakon des ErzPriesters. Auch wußte sie nicht,
ob sie das, was ihr Herz preßte, dem guten Priester im Beichtstuhl oder in
seinem Hause eröffnen müsse. Sie mußte damit beginnen, ihm diese Frage vor¬
zulegen, und trat vom Kirchplatz aus durch die breite ruudbvgige Thür, die ihr
wohlbekannt war, in das Haus. Doch entsann sich Margherita nicht, daß sie
je zuvor so wankenden Fußes und so tief bekümmert über Pater Girvlamvs
Schwelle geschritten sei. Der Pfarrer saß drinnen bei seinem Frühmahl von
Brot, Milch und Honig und blickte beim Knarren der schweren Holzthür ein
wenig unmutig von seiner Trinkschale auf. Er fürchtete offenbar, aus dem tiefen
Schatten seines behaglichen Gemachs in den Sonnenbrand hinausgerufen zu
werden, lächelte aber sogleich wieder, als er die junge Fischersfrau erkannte.
Sie neigte sich demütig, und doch mit einer Anmut, welche selbst dem alten
Priester nicht entging, vor ihrem Beichtiger. Pater Girolamo erhob sich ans


vo'uzboleu IV. 1882, ,


Die Kscherin von Mcllamocco.
Novelle von Adolf Stern.

(Fortsetzung.)

argherita raffte sich auf, um die Bilder von einst, welche sie vor
sich sah, nicht übermächtig werden zu lassen. Eine Stunde später
schritt sie, dem heißeren Sonnenschein trotzend, zwischen den
weißen Häusern des Fleckens dahin, der vor Jahrhunderten der
Sitz der Dogen gewesen war und jetzt so ode und leblos lag.
^>le erquickte sich nach ihrem Vorsatz an der Zisterne und umging dann in weitem
Bogen das Haus, welches der Kirche zunächst stand. Dort wohnte der Erz-
Priester von Malamveev, welcher die arme Margherita, als sie noch Vater Mareos
Pflegetochter war und ehe sie Tonlos Weib ward, als Schaffnerin in sein Haus
begehrt hatte und ihr um ihres Widerstrebens willen gewaltig zürnte. Der
stattlich-üppige geistliche Herr wäre der letzte gewesen, dem die junge Frau ihr
geheimes Weh Hütte vertrauen mögen, sie setzte ihre Hoffnungen allein auf den
greisen Pater Girolamo, den Diakon des ErzPriesters. Auch wußte sie nicht,
ob sie das, was ihr Herz preßte, dem guten Priester im Beichtstuhl oder in
seinem Hause eröffnen müsse. Sie mußte damit beginnen, ihm diese Frage vor¬
zulegen, und trat vom Kirchplatz aus durch die breite ruudbvgige Thür, die ihr
wohlbekannt war, in das Haus. Doch entsann sich Margherita nicht, daß sie
je zuvor so wankenden Fußes und so tief bekümmert über Pater Girvlamvs
Schwelle geschritten sei. Der Pfarrer saß drinnen bei seinem Frühmahl von
Brot, Milch und Honig und blickte beim Knarren der schweren Holzthür ein
wenig unmutig von seiner Trinkschale auf. Er fürchtete offenbar, aus dem tiefen
Schatten seines behaglichen Gemachs in den Sonnenbrand hinausgerufen zu
werden, lächelte aber sogleich wieder, als er die junge Fischersfrau erkannte.
Sie neigte sich demütig, und doch mit einer Anmut, welche selbst dem alten
Priester nicht entging, vor ihrem Beichtiger. Pater Girolamo erhob sich ans


vo'uzboleu IV. 1882, ,
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[0509] [Abbildung] Die Kscherin von Mcllamocco. Novelle von Adolf Stern. (Fortsetzung.) argherita raffte sich auf, um die Bilder von einst, welche sie vor sich sah, nicht übermächtig werden zu lassen. Eine Stunde später schritt sie, dem heißeren Sonnenschein trotzend, zwischen den weißen Häusern des Fleckens dahin, der vor Jahrhunderten der Sitz der Dogen gewesen war und jetzt so ode und leblos lag. ^>le erquickte sich nach ihrem Vorsatz an der Zisterne und umging dann in weitem Bogen das Haus, welches der Kirche zunächst stand. Dort wohnte der Erz- Priester von Malamveev, welcher die arme Margherita, als sie noch Vater Mareos Pflegetochter war und ehe sie Tonlos Weib ward, als Schaffnerin in sein Haus begehrt hatte und ihr um ihres Widerstrebens willen gewaltig zürnte. Der stattlich-üppige geistliche Herr wäre der letzte gewesen, dem die junge Frau ihr geheimes Weh Hütte vertrauen mögen, sie setzte ihre Hoffnungen allein auf den greisen Pater Girolamo, den Diakon des ErzPriesters. Auch wußte sie nicht, ob sie das, was ihr Herz preßte, dem guten Priester im Beichtstuhl oder in seinem Hause eröffnen müsse. Sie mußte damit beginnen, ihm diese Frage vor¬ zulegen, und trat vom Kirchplatz aus durch die breite ruudbvgige Thür, die ihr wohlbekannt war, in das Haus. Doch entsann sich Margherita nicht, daß sie je zuvor so wankenden Fußes und so tief bekümmert über Pater Girvlamvs Schwelle geschritten sei. Der Pfarrer saß drinnen bei seinem Frühmahl von Brot, Milch und Honig und blickte beim Knarren der schweren Holzthür ein wenig unmutig von seiner Trinkschale auf. Er fürchtete offenbar, aus dem tiefen Schatten seines behaglichen Gemachs in den Sonnenbrand hinausgerufen zu werden, lächelte aber sogleich wieder, als er die junge Fischersfrau erkannte. Sie neigte sich demütig, und doch mit einer Anmut, welche selbst dem alten Priester nicht entging, vor ihrem Beichtiger. Pater Girolamo erhob sich ans vo'uzboleu IV. 1882, ,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/509>, abgerufen am 29.06.2024.