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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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politische Briefe.

nach der Einwohnerzahl der Orte, in denen die Geschäfte betrieben werden. Sowohl
bei den nach dem Ertrag eingeschätzten Geschäften, als bei den mit einer ab¬
gestuften Gebühr belegten sind die aufgelegten Steuersätze verschieden bei den
Artikeln des Vertriebs. Der niedrigste Satz trifft das Bargeschäft, der nächste
das Weingeschäft, der dritte das Tabakgeschüft, der vierte das Geschäft im
Branntwein und den gleichzuachtenden Artikeln. Befreit von der Steuer sind
die Vertriebe, welche nur zwischen der Produktion und Distribution an das
konsumirende Publikum vermitteln, aber den Kleinabsatz an die Konsumenten
vermeiden.

Wenn man bereits gesagt hat, daß diese Steuer als eine direkte dem Plane
der größern Ausbildung des indirekten Steuersystems widerstreite, so hat man
recht, wenn man sich mehr an die Form als an die Sache hält. Der Unter¬
schied der direkten und indirekten Steuern ist der Form nach mit Sicherheit zu
bestimmen. Über den sachlichen Unterschied wird sich die Wissenschaft vielleicht
noch lange nicht einigen, und keinesfalls ist derselbe in anerkannter Weise bisher
schon aufgestellt. Vielleicht einigt sich einmal die Wissenschaft auf die Formel:
Direkt ist die Steuer, welche auf die Kraft gelegt wird, indirekt ist jede Steuer,
welche auf die Leistung, die gewährte oder empfangene, gelegt wird. Die in¬
direkte Steuer ist immer partiell, trifft einen Teil des Vermögens, die direkte
soll die Totalität des Vermögens angreifen. Die vollkommene direkte Steuer
bleibt ein begriffliches Postulat; ob sie ein praktisches Postulat werdeu kann,
unterliegt großem Zweifel. Am nächsten käme ihr die Einkommensteuer, wem?
die exakte Ermittlung des Einkommens möglich wäre, oder die Kapitalsteuer,
wenn das Wort Kapital in dem alle Formen desselben umfassenden Sinne ge¬
nommen würde und wenn die exakte Ermittlung des Kapitalbesitzes möglich wäre.
Was man jetzt direkte Steuern nennt, sind Steuern, die entweder nur der Form
nach direkt sind, oder höchst unvollkommene Annäherungen an die eigentliche
direkte Steuer. Der Reichskanzler weiß, was er thut, wenn er durch die An¬
näherungen an die direkte Steuer nicht den Hauptbedars des Staates decken will.
Er weiß, wohin der Versuch führen würde, mit der wirklichen direkten Steuer
praktischen Ernst zu machen. Er läßt es bei den Annäherungen und zieht ihnen
die richtige Grenze, indem er sie als Anstandssteuern definirt.

Damit sind wir bei der wichtigsten Rede, die bei der allgemeinen Beratung
des Staatshaushaltes gehalten worden ist, bei der Rede des Professors Adolf
Wagner. Aber diese Rede erfordert ihren eignen Rahmen. Das aktuelle In¬
teresse an derselben wird lange genug dauern, um ihren hiesigen Reflex auch
später als heute erscheinen lassen zu dürfen. ^




politische Briefe.

nach der Einwohnerzahl der Orte, in denen die Geschäfte betrieben werden. Sowohl
bei den nach dem Ertrag eingeschätzten Geschäften, als bei den mit einer ab¬
gestuften Gebühr belegten sind die aufgelegten Steuersätze verschieden bei den
Artikeln des Vertriebs. Der niedrigste Satz trifft das Bargeschäft, der nächste
das Weingeschäft, der dritte das Tabakgeschüft, der vierte das Geschäft im
Branntwein und den gleichzuachtenden Artikeln. Befreit von der Steuer sind
die Vertriebe, welche nur zwischen der Produktion und Distribution an das
konsumirende Publikum vermitteln, aber den Kleinabsatz an die Konsumenten
vermeiden.

Wenn man bereits gesagt hat, daß diese Steuer als eine direkte dem Plane
der größern Ausbildung des indirekten Steuersystems widerstreite, so hat man
recht, wenn man sich mehr an die Form als an die Sache hält. Der Unter¬
schied der direkten und indirekten Steuern ist der Form nach mit Sicherheit zu
bestimmen. Über den sachlichen Unterschied wird sich die Wissenschaft vielleicht
noch lange nicht einigen, und keinesfalls ist derselbe in anerkannter Weise bisher
schon aufgestellt. Vielleicht einigt sich einmal die Wissenschaft auf die Formel:
Direkt ist die Steuer, welche auf die Kraft gelegt wird, indirekt ist jede Steuer,
welche auf die Leistung, die gewährte oder empfangene, gelegt wird. Die in¬
direkte Steuer ist immer partiell, trifft einen Teil des Vermögens, die direkte
soll die Totalität des Vermögens angreifen. Die vollkommene direkte Steuer
bleibt ein begriffliches Postulat; ob sie ein praktisches Postulat werdeu kann,
unterliegt großem Zweifel. Am nächsten käme ihr die Einkommensteuer, wem?
die exakte Ermittlung des Einkommens möglich wäre, oder die Kapitalsteuer,
wenn das Wort Kapital in dem alle Formen desselben umfassenden Sinne ge¬
nommen würde und wenn die exakte Ermittlung des Kapitalbesitzes möglich wäre.
Was man jetzt direkte Steuern nennt, sind Steuern, die entweder nur der Form
nach direkt sind, oder höchst unvollkommene Annäherungen an die eigentliche
direkte Steuer. Der Reichskanzler weiß, was er thut, wenn er durch die An¬
näherungen an die direkte Steuer nicht den Hauptbedars des Staates decken will.
Er weiß, wohin der Versuch führen würde, mit der wirklichen direkten Steuer
praktischen Ernst zu machen. Er läßt es bei den Annäherungen und zieht ihnen
die richtige Grenze, indem er sie als Anstandssteuern definirt.

Damit sind wir bei der wichtigsten Rede, die bei der allgemeinen Beratung
des Staatshaushaltes gehalten worden ist, bei der Rede des Professors Adolf
Wagner. Aber diese Rede erfordert ihren eignen Rahmen. Das aktuelle In¬
teresse an derselben wird lange genug dauern, um ihren hiesigen Reflex auch
später als heute erscheinen lassen zu dürfen. ^




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[0508] politische Briefe. nach der Einwohnerzahl der Orte, in denen die Geschäfte betrieben werden. Sowohl bei den nach dem Ertrag eingeschätzten Geschäften, als bei den mit einer ab¬ gestuften Gebühr belegten sind die aufgelegten Steuersätze verschieden bei den Artikeln des Vertriebs. Der niedrigste Satz trifft das Bargeschäft, der nächste das Weingeschäft, der dritte das Tabakgeschüft, der vierte das Geschäft im Branntwein und den gleichzuachtenden Artikeln. Befreit von der Steuer sind die Vertriebe, welche nur zwischen der Produktion und Distribution an das konsumirende Publikum vermitteln, aber den Kleinabsatz an die Konsumenten vermeiden. Wenn man bereits gesagt hat, daß diese Steuer als eine direkte dem Plane der größern Ausbildung des indirekten Steuersystems widerstreite, so hat man recht, wenn man sich mehr an die Form als an die Sache hält. Der Unter¬ schied der direkten und indirekten Steuern ist der Form nach mit Sicherheit zu bestimmen. Über den sachlichen Unterschied wird sich die Wissenschaft vielleicht noch lange nicht einigen, und keinesfalls ist derselbe in anerkannter Weise bisher schon aufgestellt. Vielleicht einigt sich einmal die Wissenschaft auf die Formel: Direkt ist die Steuer, welche auf die Kraft gelegt wird, indirekt ist jede Steuer, welche auf die Leistung, die gewährte oder empfangene, gelegt wird. Die in¬ direkte Steuer ist immer partiell, trifft einen Teil des Vermögens, die direkte soll die Totalität des Vermögens angreifen. Die vollkommene direkte Steuer bleibt ein begriffliches Postulat; ob sie ein praktisches Postulat werdeu kann, unterliegt großem Zweifel. Am nächsten käme ihr die Einkommensteuer, wem? die exakte Ermittlung des Einkommens möglich wäre, oder die Kapitalsteuer, wenn das Wort Kapital in dem alle Formen desselben umfassenden Sinne ge¬ nommen würde und wenn die exakte Ermittlung des Kapitalbesitzes möglich wäre. Was man jetzt direkte Steuern nennt, sind Steuern, die entweder nur der Form nach direkt sind, oder höchst unvollkommene Annäherungen an die eigentliche direkte Steuer. Der Reichskanzler weiß, was er thut, wenn er durch die An¬ näherungen an die direkte Steuer nicht den Hauptbedars des Staates decken will. Er weiß, wohin der Versuch führen würde, mit der wirklichen direkten Steuer praktischen Ernst zu machen. Er läßt es bei den Annäherungen und zieht ihnen die richtige Grenze, indem er sie als Anstandssteuern definirt. Damit sind wir bei der wichtigsten Rede, die bei der allgemeinen Beratung des Staatshaushaltes gehalten worden ist, bei der Rede des Professors Adolf Wagner. Aber diese Rede erfordert ihren eignen Rahmen. Das aktuelle In¬ teresse an derselben wird lange genug dauern, um ihren hiesigen Reflex auch später als heute erscheinen lassen zu dürfen. ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/508>, abgerufen am 29.06.2024.