Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Frmndwörterseuche.

die Mauern der Städte zur Nachachtung und Beherzigung geschlagen zu
werden.

Auch Leibniz trat für die gute Sache ein. Im Jahre 1697 schrieb er
seine "Unvorgreifliche Gedanken, betreffend die Ausübung und Verbesserung der
teutschen Sprache,"*) in denen er "unsre Haupt- und Helden-Sprache" gegen
den "abscheulich überHand genommenen Mischmasch" kräftig verteidigt. Er er¬
klärt, wie es gekommen sei, daß, da "man im Jahrhundert der Reformation
ziemlich rein Teutsch redete," nun seit dem dreißigjährigen Kriege, "da Teusch-
lcmd vou fremden Völkern, wie mit einer Wasserfluth überschwemmt worden,
nicht weniger unsre Sprache, als unser Gut in die Rappuse gangen." Fran¬
zösische Sprache und Wesen habe überhandgenommen, man habe "Frankreich
gleichsam zum Muster aller Zierlichkeit aufgeworfen," man sei darnach er¬
zogen und habe "einen Ekel der Teutsche" Sprach und Sitten aus Ohn-
erfahrcnheit angenommen." Leibniz erörtert dann kurz das Wesen und die
Natur unsrer Sprache und bezeichnet die Mittel, um "dem einbrechenden
Sturm der fremden Worte sich zu widersetzen." Insbesondre will er die eigent¬
lich schöne Literatur geschützt wissen und ist der Ansicht, daß, wie schon oben
bemerkt, "in einem sonst schönen Teutschen Gedichte ein Französisches Wort ge¬
meiniglich ein Schandfleck sein würde." Endlich hofft er einen günstigen Erfolg
von einer Vereinigung "Teutschgesiuuter Personen." Dieser Hoffnung und
Meinung hat er in seiner wahrscheinlich bereits erheblich früher geschriebenen
"Ermahnung an die Teutsche, ihren Verstand und Sprache beßer zu üben,
samt beigefügten Vorschlag einer Teutsch-gesinten Gesellschaft" uoch deutlichere
Worte geliehen. Er erzählt auch hier zuerst, wie die französische Mode über
uns und unsre Sprache gekommen sei, und findet nichts Rühmliches und Vor¬
teilhaftes in dieser "zu einer ansteckenden Landseuche" gewordenen Narretei.
Eines aber -- fährt er fort -- "were zu loben, wenn die französische Mode
das übermäßige Saussen abbringen könnte; doch sage ich, man werde den
Teufel mit Beelzebub vertreiben, und bin ich fast der Meinung, daß weiland ein
trnnckener alter Teutscher in Reden und Schreiben mehr Verstand hat spüren
lassen, als anjczo ein nüchterner französischer Affe thun wird." So eifert er
weiter und gelangt zu der "Meinung, es solten einige wohlmeinende Personen
zusammentreten, und unter höherem Schuz eine Tcntschgesinte Gesellschafft
heissem; deren Absehen auf alle dasjenige gerichtet seyn solle, so den teutschen
Ruhm erhalten oder auch wieder aufrichten können." Und dahin rechnet er
besonders, daß "dahin zu trachten seyn würde, wie allerhand nachdrückliche, nüz-
liche, auch annehmliche Kernschrifftcn in teutscher Sprache verfertigt werden
möchten, damit der Laufs der Varbarey gesaumet, und die in den Tag hinein
schreiben beschähmet werden mögen." So hofft er schließlich auf eine "Aus-



*) In Leibniz' "Deutschen Schriften" I. (Berlin, 1838.)
Die Frmndwörterseuche.

die Mauern der Städte zur Nachachtung und Beherzigung geschlagen zu
werden.

Auch Leibniz trat für die gute Sache ein. Im Jahre 1697 schrieb er
seine „Unvorgreifliche Gedanken, betreffend die Ausübung und Verbesserung der
teutschen Sprache,"*) in denen er „unsre Haupt- und Helden-Sprache" gegen
den „abscheulich überHand genommenen Mischmasch" kräftig verteidigt. Er er¬
klärt, wie es gekommen sei, daß, da „man im Jahrhundert der Reformation
ziemlich rein Teutsch redete," nun seit dem dreißigjährigen Kriege, „da Teusch-
lcmd vou fremden Völkern, wie mit einer Wasserfluth überschwemmt worden,
nicht weniger unsre Sprache, als unser Gut in die Rappuse gangen." Fran¬
zösische Sprache und Wesen habe überhandgenommen, man habe „Frankreich
gleichsam zum Muster aller Zierlichkeit aufgeworfen," man sei darnach er¬
zogen und habe „einen Ekel der Teutsche» Sprach und Sitten aus Ohn-
erfahrcnheit angenommen." Leibniz erörtert dann kurz das Wesen und die
Natur unsrer Sprache und bezeichnet die Mittel, um „dem einbrechenden
Sturm der fremden Worte sich zu widersetzen." Insbesondre will er die eigent¬
lich schöne Literatur geschützt wissen und ist der Ansicht, daß, wie schon oben
bemerkt, „in einem sonst schönen Teutschen Gedichte ein Französisches Wort ge¬
meiniglich ein Schandfleck sein würde." Endlich hofft er einen günstigen Erfolg
von einer Vereinigung „Teutschgesiuuter Personen." Dieser Hoffnung und
Meinung hat er in seiner wahrscheinlich bereits erheblich früher geschriebenen
„Ermahnung an die Teutsche, ihren Verstand und Sprache beßer zu üben,
samt beigefügten Vorschlag einer Teutsch-gesinten Gesellschaft" uoch deutlichere
Worte geliehen. Er erzählt auch hier zuerst, wie die französische Mode über
uns und unsre Sprache gekommen sei, und findet nichts Rühmliches und Vor¬
teilhaftes in dieser „zu einer ansteckenden Landseuche" gewordenen Narretei.
Eines aber — fährt er fort — „were zu loben, wenn die französische Mode
das übermäßige Saussen abbringen könnte; doch sage ich, man werde den
Teufel mit Beelzebub vertreiben, und bin ich fast der Meinung, daß weiland ein
trnnckener alter Teutscher in Reden und Schreiben mehr Verstand hat spüren
lassen, als anjczo ein nüchterner französischer Affe thun wird." So eifert er
weiter und gelangt zu der „Meinung, es solten einige wohlmeinende Personen
zusammentreten, und unter höherem Schuz eine Tcntschgesinte Gesellschafft
heissem; deren Absehen auf alle dasjenige gerichtet seyn solle, so den teutschen
Ruhm erhalten oder auch wieder aufrichten können." Und dahin rechnet er
besonders, daß „dahin zu trachten seyn würde, wie allerhand nachdrückliche, nüz-
liche, auch annehmliche Kernschrifftcn in teutscher Sprache verfertigt werden
möchten, damit der Laufs der Varbarey gesaumet, und die in den Tag hinein
schreiben beschähmet werden mögen." So hofft er schließlich auf eine „Aus-



*) In Leibniz' „Deutschen Schriften" I. (Berlin, 1838.)
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0490" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/194468"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Frmndwörterseuche.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1802" prev="#ID_1801"> die Mauern der Städte zur Nachachtung und Beherzigung geschlagen zu<lb/>
werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1803" next="#ID_1804"> Auch Leibniz trat für die gute Sache ein. Im Jahre 1697 schrieb er<lb/>
seine &#x201E;Unvorgreifliche Gedanken, betreffend die Ausübung und Verbesserung der<lb/>
teutschen Sprache,"*) in denen er &#x201E;unsre Haupt- und Helden-Sprache" gegen<lb/>
den &#x201E;abscheulich überHand genommenen Mischmasch" kräftig verteidigt. Er er¬<lb/>
klärt, wie es gekommen sei, daß, da &#x201E;man im Jahrhundert der Reformation<lb/>
ziemlich rein Teutsch redete," nun seit dem dreißigjährigen Kriege, &#x201E;da Teusch-<lb/>
lcmd vou fremden Völkern, wie mit einer Wasserfluth überschwemmt worden,<lb/>
nicht weniger unsre Sprache, als unser Gut in die Rappuse gangen." Fran¬<lb/>
zösische Sprache und Wesen habe überhandgenommen, man habe &#x201E;Frankreich<lb/>
gleichsam zum Muster aller Zierlichkeit aufgeworfen," man sei darnach er¬<lb/>
zogen und habe &#x201E;einen Ekel der Teutsche» Sprach und Sitten aus Ohn-<lb/>
erfahrcnheit angenommen." Leibniz erörtert dann kurz das Wesen und die<lb/>
Natur unsrer Sprache und bezeichnet die Mittel, um &#x201E;dem einbrechenden<lb/>
Sturm der fremden Worte sich zu widersetzen." Insbesondre will er die eigent¬<lb/>
lich schöne Literatur geschützt wissen und ist der Ansicht, daß, wie schon oben<lb/>
bemerkt, &#x201E;in einem sonst schönen Teutschen Gedichte ein Französisches Wort ge¬<lb/>
meiniglich ein Schandfleck sein würde." Endlich hofft er einen günstigen Erfolg<lb/>
von einer Vereinigung &#x201E;Teutschgesiuuter Personen." Dieser Hoffnung und<lb/>
Meinung hat er in seiner wahrscheinlich bereits erheblich früher geschriebenen<lb/>
&#x201E;Ermahnung an die Teutsche, ihren Verstand und Sprache beßer zu üben,<lb/>
samt beigefügten Vorschlag einer Teutsch-gesinten Gesellschaft" uoch deutlichere<lb/>
Worte geliehen. Er erzählt auch hier zuerst, wie die französische Mode über<lb/>
uns und unsre Sprache gekommen sei, und findet nichts Rühmliches und Vor¬<lb/>
teilhaftes in dieser &#x201E;zu einer ansteckenden Landseuche" gewordenen Narretei.<lb/>
Eines aber &#x2014; fährt er fort &#x2014; &#x201E;were zu loben, wenn die französische Mode<lb/>
das übermäßige Saussen abbringen könnte; doch sage ich, man werde den<lb/>
Teufel mit Beelzebub vertreiben, und bin ich fast der Meinung, daß weiland ein<lb/>
trnnckener alter Teutscher in Reden und Schreiben mehr Verstand hat spüren<lb/>
lassen, als anjczo ein nüchterner französischer Affe thun wird." So eifert er<lb/>
weiter und gelangt zu der &#x201E;Meinung, es solten einige wohlmeinende Personen<lb/>
zusammentreten, und unter höherem Schuz eine Tcntschgesinte Gesellschafft<lb/>
heissem; deren Absehen auf alle dasjenige gerichtet seyn solle, so den teutschen<lb/>
Ruhm erhalten oder auch wieder aufrichten können." Und dahin rechnet er<lb/>
besonders, daß &#x201E;dahin zu trachten seyn würde, wie allerhand nachdrückliche, nüz-<lb/>
liche, auch annehmliche Kernschrifftcn in teutscher Sprache verfertigt werden<lb/>
möchten, damit der Laufs der Varbarey gesaumet, und die in den Tag hinein<lb/>
schreiben beschähmet werden mögen."  So hofft er schließlich auf eine &#x201E;Aus-</p><lb/>
          <note xml:id="FID_56" place="foot"> *) In Leibniz' &#x201E;Deutschen Schriften" I. (Berlin, 1838.)</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0490] Die Frmndwörterseuche. die Mauern der Städte zur Nachachtung und Beherzigung geschlagen zu werden. Auch Leibniz trat für die gute Sache ein. Im Jahre 1697 schrieb er seine „Unvorgreifliche Gedanken, betreffend die Ausübung und Verbesserung der teutschen Sprache,"*) in denen er „unsre Haupt- und Helden-Sprache" gegen den „abscheulich überHand genommenen Mischmasch" kräftig verteidigt. Er er¬ klärt, wie es gekommen sei, daß, da „man im Jahrhundert der Reformation ziemlich rein Teutsch redete," nun seit dem dreißigjährigen Kriege, „da Teusch- lcmd vou fremden Völkern, wie mit einer Wasserfluth überschwemmt worden, nicht weniger unsre Sprache, als unser Gut in die Rappuse gangen." Fran¬ zösische Sprache und Wesen habe überhandgenommen, man habe „Frankreich gleichsam zum Muster aller Zierlichkeit aufgeworfen," man sei darnach er¬ zogen und habe „einen Ekel der Teutsche» Sprach und Sitten aus Ohn- erfahrcnheit angenommen." Leibniz erörtert dann kurz das Wesen und die Natur unsrer Sprache und bezeichnet die Mittel, um „dem einbrechenden Sturm der fremden Worte sich zu widersetzen." Insbesondre will er die eigent¬ lich schöne Literatur geschützt wissen und ist der Ansicht, daß, wie schon oben bemerkt, „in einem sonst schönen Teutschen Gedichte ein Französisches Wort ge¬ meiniglich ein Schandfleck sein würde." Endlich hofft er einen günstigen Erfolg von einer Vereinigung „Teutschgesiuuter Personen." Dieser Hoffnung und Meinung hat er in seiner wahrscheinlich bereits erheblich früher geschriebenen „Ermahnung an die Teutsche, ihren Verstand und Sprache beßer zu üben, samt beigefügten Vorschlag einer Teutsch-gesinten Gesellschaft" uoch deutlichere Worte geliehen. Er erzählt auch hier zuerst, wie die französische Mode über uns und unsre Sprache gekommen sei, und findet nichts Rühmliches und Vor¬ teilhaftes in dieser „zu einer ansteckenden Landseuche" gewordenen Narretei. Eines aber — fährt er fort — „were zu loben, wenn die französische Mode das übermäßige Saussen abbringen könnte; doch sage ich, man werde den Teufel mit Beelzebub vertreiben, und bin ich fast der Meinung, daß weiland ein trnnckener alter Teutscher in Reden und Schreiben mehr Verstand hat spüren lassen, als anjczo ein nüchterner französischer Affe thun wird." So eifert er weiter und gelangt zu der „Meinung, es solten einige wohlmeinende Personen zusammentreten, und unter höherem Schuz eine Tcntschgesinte Gesellschafft heissem; deren Absehen auf alle dasjenige gerichtet seyn solle, so den teutschen Ruhm erhalten oder auch wieder aufrichten können." Und dahin rechnet er besonders, daß „dahin zu trachten seyn würde, wie allerhand nachdrückliche, nüz- liche, auch annehmliche Kernschrifftcn in teutscher Sprache verfertigt werden möchten, damit der Laufs der Varbarey gesaumet, und die in den Tag hinein schreiben beschähmet werden mögen." So hofft er schließlich auf eine „Aus- *) In Leibniz' „Deutschen Schriften" I. (Berlin, 1838.)

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/490
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/490>, abgerufen am 29.06.2024.