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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Die Fremdwörterseuche.

Sprach-übuug" erscheinen ließ, in der er sich auch gegen die fremden, ganz
besonders die französischen Wörter wandte, damit "wier aus unserer edlen Hoch¬
deutschen Spraache nicht eine barbarische machen."

Ferner Justus Georg Schvttelius, der 1641 zu Braunschweig eine "Teutsche
Sprachkunst" herausgab, "darinn die nllerwvrtreichste, prächtigste, reinlichste, voll-
kommene, uhralte Hauptsprache der Teutschen muß ihren Griiudeu erhoben u. s. w."
Er spricht darin mit Eifer gegen die fremden Wörter, besonders gegen die
terinwos, die eine steifbeinige Gelehrsamkeit auch in der deutschen Sprachlehre
festgehalten haben wollte. Der Hauptgedanke, von dein er ausgeht, ist folgender:
"Derselbiger Gebrauch, dem ein Hauptgesetz oder der Grund der Sprachen ent¬
gegen laufft, ist kein Gebrauch, souderu eine mißbräuchliche Verfälschung." Dann
sagt er weiter: "Derowegen habe ich es bey mir für einen Eckel und Schande
gehalten, etwas von Athen oder Rom zu erbetteln, welches in unserem
Teutschlande schöner, safftiger und dem Teutschen Verstände deutlicher und
kräfftiger vorhanden ist. Daß aber hie etzliche vermeinen möchten, man vermüge
nicht, oder mau vermiige doch so eigentlich nicht die Ivrinino" oder v"rbA artium
in Teutscher Sprache zu geben, wie sie in Griechischer und Lateinischer befindlich
sind, solches ist nur eine öffentliche Bekenntniß ihrer unküudigkeit, und dervselben
Meynung im grunde irrig, falsch und nichtig." Diesen Gedanken führt er
dann des weiteren aus und gelaugt endlich zu der entschiedenen Erklärung:
"Diß muß eurer beweisen, wer da einen mißgünstigen zweiffel recht aus¬
brüten wil: Ob unsere teutschen Kunstwörter nicht können eben so gründlich,
vernemlich mW wollautend außdrücken und anzeigen das Ding, dessen Knnst-
mässige Wörter sie sind, und ob sie nicht in einer geringen Lehrzeit durch kurtze
gewohnheit eben so beliebt und unserem Verstände annehmlich werden krumm,
riß die Griechische oder Lateinische. Kan er daß, so führet er den Titul eiues
Klügelmeisters mit ehren: wo nicht (es wird aber niemand können, und wil
doch stete Grillen haben, und einen stinkenden klügelsüchtigen Athem von sich
blasen,) so soll man ihn mit faulen Eyeren hinauß werffen, und seinen Nahmen
nicht würdigen mit teutschen Buchstaben zu schreiben. Und dieses rede ich aus
trieb sonderlicher wichtiger Uhrsacheu: sintemal die teutsche Sprache von keinen
mechtigern Feinden überfallen, noch von einem gifftigeren Unfterne überstralet
werden kan, als daß bald einer, und ander, so doch noch nicht angefangen ein
Leruschüler darin zu werden, gar gebietender müssen ein Richter seyn, und das
Winkeleisen unes dem Grundsteine abformen, daß ist, den Verstand nach seinem
Unverstande abmessen wil: Dadurch denn alle Früchte und die grünende Blute
unserer Muttersprache, in ihrer ersten Geburt wird ersticket, also daß sie zu
keinem vollen Wachsthume geradem kan, sondern ein dornichtes Gebüsche und
zertretenes Gestrütticht verbleiben muß. Schließlich so mangelt es der deutschen
Sprache durchauß uicht an ewigem Kunstwerte, sondern uns am rechten Ver¬
stände unserer Sprache." Rechte und gerechte Worte, welche verdiente,: nu


Die Fremdwörterseuche.

Sprach-übuug" erscheinen ließ, in der er sich auch gegen die fremden, ganz
besonders die französischen Wörter wandte, damit „wier aus unserer edlen Hoch¬
deutschen Spraache nicht eine barbarische machen."

Ferner Justus Georg Schvttelius, der 1641 zu Braunschweig eine „Teutsche
Sprachkunst" herausgab, „darinn die nllerwvrtreichste, prächtigste, reinlichste, voll-
kommene, uhralte Hauptsprache der Teutschen muß ihren Griiudeu erhoben u. s. w."
Er spricht darin mit Eifer gegen die fremden Wörter, besonders gegen die
terinwos, die eine steifbeinige Gelehrsamkeit auch in der deutschen Sprachlehre
festgehalten haben wollte. Der Hauptgedanke, von dein er ausgeht, ist folgender:
„Derselbiger Gebrauch, dem ein Hauptgesetz oder der Grund der Sprachen ent¬
gegen laufft, ist kein Gebrauch, souderu eine mißbräuchliche Verfälschung." Dann
sagt er weiter: „Derowegen habe ich es bey mir für einen Eckel und Schande
gehalten, etwas von Athen oder Rom zu erbetteln, welches in unserem
Teutschlande schöner, safftiger und dem Teutschen Verstände deutlicher und
kräfftiger vorhanden ist. Daß aber hie etzliche vermeinen möchten, man vermüge
nicht, oder mau vermiige doch so eigentlich nicht die Ivrinino« oder v«rbA artium
in Teutscher Sprache zu geben, wie sie in Griechischer und Lateinischer befindlich
sind, solches ist nur eine öffentliche Bekenntniß ihrer unküudigkeit, und dervselben
Meynung im grunde irrig, falsch und nichtig." Diesen Gedanken führt er
dann des weiteren aus und gelaugt endlich zu der entschiedenen Erklärung:
„Diß muß eurer beweisen, wer da einen mißgünstigen zweiffel recht aus¬
brüten wil: Ob unsere teutschen Kunstwörter nicht können eben so gründlich,
vernemlich mW wollautend außdrücken und anzeigen das Ding, dessen Knnst-
mässige Wörter sie sind, und ob sie nicht in einer geringen Lehrzeit durch kurtze
gewohnheit eben so beliebt und unserem Verstände annehmlich werden krumm,
riß die Griechische oder Lateinische. Kan er daß, so führet er den Titul eiues
Klügelmeisters mit ehren: wo nicht (es wird aber niemand können, und wil
doch stete Grillen haben, und einen stinkenden klügelsüchtigen Athem von sich
blasen,) so soll man ihn mit faulen Eyeren hinauß werffen, und seinen Nahmen
nicht würdigen mit teutschen Buchstaben zu schreiben. Und dieses rede ich aus
trieb sonderlicher wichtiger Uhrsacheu: sintemal die teutsche Sprache von keinen
mechtigern Feinden überfallen, noch von einem gifftigeren Unfterne überstralet
werden kan, als daß bald einer, und ander, so doch noch nicht angefangen ein
Leruschüler darin zu werden, gar gebietender müssen ein Richter seyn, und das
Winkeleisen unes dem Grundsteine abformen, daß ist, den Verstand nach seinem
Unverstande abmessen wil: Dadurch denn alle Früchte und die grünende Blute
unserer Muttersprache, in ihrer ersten Geburt wird ersticket, also daß sie zu
keinem vollen Wachsthume geradem kan, sondern ein dornichtes Gebüsche und
zertretenes Gestrütticht verbleiben muß. Schließlich so mangelt es der deutschen
Sprache durchauß uicht an ewigem Kunstwerte, sondern uns am rechten Ver¬
stände unserer Sprache." Rechte und gerechte Worte, welche verdiente,: nu


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[0489] Die Fremdwörterseuche. Sprach-übuug" erscheinen ließ, in der er sich auch gegen die fremden, ganz besonders die französischen Wörter wandte, damit „wier aus unserer edlen Hoch¬ deutschen Spraache nicht eine barbarische machen." Ferner Justus Georg Schvttelius, der 1641 zu Braunschweig eine „Teutsche Sprachkunst" herausgab, „darinn die nllerwvrtreichste, prächtigste, reinlichste, voll- kommene, uhralte Hauptsprache der Teutschen muß ihren Griiudeu erhoben u. s. w." Er spricht darin mit Eifer gegen die fremden Wörter, besonders gegen die terinwos, die eine steifbeinige Gelehrsamkeit auch in der deutschen Sprachlehre festgehalten haben wollte. Der Hauptgedanke, von dein er ausgeht, ist folgender: „Derselbiger Gebrauch, dem ein Hauptgesetz oder der Grund der Sprachen ent¬ gegen laufft, ist kein Gebrauch, souderu eine mißbräuchliche Verfälschung." Dann sagt er weiter: „Derowegen habe ich es bey mir für einen Eckel und Schande gehalten, etwas von Athen oder Rom zu erbetteln, welches in unserem Teutschlande schöner, safftiger und dem Teutschen Verstände deutlicher und kräfftiger vorhanden ist. Daß aber hie etzliche vermeinen möchten, man vermüge nicht, oder mau vermiige doch so eigentlich nicht die Ivrinino« oder v«rbA artium in Teutscher Sprache zu geben, wie sie in Griechischer und Lateinischer befindlich sind, solches ist nur eine öffentliche Bekenntniß ihrer unküudigkeit, und dervselben Meynung im grunde irrig, falsch und nichtig." Diesen Gedanken führt er dann des weiteren aus und gelaugt endlich zu der entschiedenen Erklärung: „Diß muß eurer beweisen, wer da einen mißgünstigen zweiffel recht aus¬ brüten wil: Ob unsere teutschen Kunstwörter nicht können eben so gründlich, vernemlich mW wollautend außdrücken und anzeigen das Ding, dessen Knnst- mässige Wörter sie sind, und ob sie nicht in einer geringen Lehrzeit durch kurtze gewohnheit eben so beliebt und unserem Verstände annehmlich werden krumm, riß die Griechische oder Lateinische. Kan er daß, so führet er den Titul eiues Klügelmeisters mit ehren: wo nicht (es wird aber niemand können, und wil doch stete Grillen haben, und einen stinkenden klügelsüchtigen Athem von sich blasen,) so soll man ihn mit faulen Eyeren hinauß werffen, und seinen Nahmen nicht würdigen mit teutschen Buchstaben zu schreiben. Und dieses rede ich aus trieb sonderlicher wichtiger Uhrsacheu: sintemal die teutsche Sprache von keinen mechtigern Feinden überfallen, noch von einem gifftigeren Unfterne überstralet werden kan, als daß bald einer, und ander, so doch noch nicht angefangen ein Leruschüler darin zu werden, gar gebietender müssen ein Richter seyn, und das Winkeleisen unes dem Grundsteine abformen, daß ist, den Verstand nach seinem Unverstande abmessen wil: Dadurch denn alle Früchte und die grünende Blute unserer Muttersprache, in ihrer ersten Geburt wird ersticket, also daß sie zu keinem vollen Wachsthume geradem kan, sondern ein dornichtes Gebüsche und zertretenes Gestrütticht verbleiben muß. Schließlich so mangelt es der deutschen Sprache durchauß uicht an ewigem Kunstwerte, sondern uns am rechten Ver¬ stände unserer Sprache." Rechte und gerechte Worte, welche verdiente,: nu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/489>, abgerufen am 28.09.2024.