Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Freindwörterseuche.

auf der Nase und den ausländischen Schnürleib um die Brust: der gesunde
Begriff von Wesen und Geist, von Reichtum und Schönheit der deutschen Sprache
ist ihnen verdeckt und eingeengt.

Aber so alt das Übel, so alt ist auch der Kampf gegen dasselbe. Es hat
nie an Vorstellungen und Ermahnungen gefehlt, von der verderblichen Gewohnheit
abzulassen, und ich könnte eine große Menge von Beweisstellen hierfür bei¬
bringen. Da es aber keinen Wert haben kann, eine vollständige Aufzählung aller
Namen, die in dieser Beziehung hier genannt werden könnten, zu geben, so be¬
schränke ich mich darauf, aus der Vergangenheit als Beispiele einige Stimmen
von Männern wachzurufen, die diesem Unfug entgegentraten und das Kind beim
rechten Namen nannten.

Am ehesten dürfte, wenn man von der Unart der höfischen Dichter des
dreizehnten Jahrhunderts, wie billig, absieht, eine umfänglichere Vermischung
unsrer Sprache, oder richtiger ihres niederdeutschen Zweiges, uuter Einfluß
der burgundischen und spanischen Fürsten, in den Niederlanden stattgefunden
haben. Ende des sechzehnten und Anfang des siebzehnten Jahrhunderts war
diese Vermischung, besonders in den südlichen Landesteilen, schon eine sehr starke
und entstellende geworden. Das Niederländische, Vlämische, oder wie er es
selbst nennt, das Deutsche, welches z. B. Rubens schrieb, war durchsetzt mit
Fremdwörtern. Und so mag denn hier auch zuerst ein Niederländer sprechen,
der sich erhebt zur Verteidigung seiner niederdeutschen Sprache, die auch er die
deutsche nennt. Samuel Ampzing sagt in der Einleitung zu seiner "Be¬
schreibung der Stadt Haerlem," die 1628 in Harlem erschien, folgendes: "Muß
denn nicht ein jeder rechtschaffene, redliche und verständige Mensch und vor¬
nehmlich der, der sich in andern Sprachen geübt hat, seiner Muttersprache soviel
Liebe zutragen, daß es ihm nicht gleich sei, wie er schreibe und spreche, und
ob seine Sprache verwildere oder verfalle...... So will ich denn auch wohl,
daß wir von dieser unsrer köstlichen und löblichen Sprache etwas mehr Werks
machten und für ihre Ehre mehr eiferten, als wir gemeinlich thun. Ja, es ist
nur zu wahr und mehr als bekannt, daß sie gerade von den Gelehrtesten selbst,
die ihr die Hand bieten müßten, dnrch fremde und ausländische Wörter ganz
entartet und verdorben wird: die dann erst meinen gelehrt und zierlich zu
sprechen, wenn sie durch solche aufgeraffte, undeutsche und unbekannte Wörter
ihre Muttersprache öffentlich brandmarken. Man banne diese Wörter doch aus
unsrer Sprache, soviel es möglich ist. Will jemand Französisch oder Lateinisch
sprechen, dann kann er es ja thun: aber man lasse unsre Sprache ungeschändet
in ihrer Vollkommenheit. . . Ich weiß es wohl, daß uns diese Art zu sprechen
durch lange Gewohnheit von den Schulen und nachher in Mund und Ohren
gewachsen ist: nichtsdestoweniger wenn jemand was schreiben und ans Licht geben
will, so muß er fleißig acht nehmen, zum ersten, daß er deutsch und darnach
daß er gutes und reines Deutsch rede; auf daß unsre Sprache nicht verwälscht


Die Freindwörterseuche.

auf der Nase und den ausländischen Schnürleib um die Brust: der gesunde
Begriff von Wesen und Geist, von Reichtum und Schönheit der deutschen Sprache
ist ihnen verdeckt und eingeengt.

Aber so alt das Übel, so alt ist auch der Kampf gegen dasselbe. Es hat
nie an Vorstellungen und Ermahnungen gefehlt, von der verderblichen Gewohnheit
abzulassen, und ich könnte eine große Menge von Beweisstellen hierfür bei¬
bringen. Da es aber keinen Wert haben kann, eine vollständige Aufzählung aller
Namen, die in dieser Beziehung hier genannt werden könnten, zu geben, so be¬
schränke ich mich darauf, aus der Vergangenheit als Beispiele einige Stimmen
von Männern wachzurufen, die diesem Unfug entgegentraten und das Kind beim
rechten Namen nannten.

Am ehesten dürfte, wenn man von der Unart der höfischen Dichter des
dreizehnten Jahrhunderts, wie billig, absieht, eine umfänglichere Vermischung
unsrer Sprache, oder richtiger ihres niederdeutschen Zweiges, uuter Einfluß
der burgundischen und spanischen Fürsten, in den Niederlanden stattgefunden
haben. Ende des sechzehnten und Anfang des siebzehnten Jahrhunderts war
diese Vermischung, besonders in den südlichen Landesteilen, schon eine sehr starke
und entstellende geworden. Das Niederländische, Vlämische, oder wie er es
selbst nennt, das Deutsche, welches z. B. Rubens schrieb, war durchsetzt mit
Fremdwörtern. Und so mag denn hier auch zuerst ein Niederländer sprechen,
der sich erhebt zur Verteidigung seiner niederdeutschen Sprache, die auch er die
deutsche nennt. Samuel Ampzing sagt in der Einleitung zu seiner „Be¬
schreibung der Stadt Haerlem," die 1628 in Harlem erschien, folgendes: „Muß
denn nicht ein jeder rechtschaffene, redliche und verständige Mensch und vor¬
nehmlich der, der sich in andern Sprachen geübt hat, seiner Muttersprache soviel
Liebe zutragen, daß es ihm nicht gleich sei, wie er schreibe und spreche, und
ob seine Sprache verwildere oder verfalle...... So will ich denn auch wohl,
daß wir von dieser unsrer köstlichen und löblichen Sprache etwas mehr Werks
machten und für ihre Ehre mehr eiferten, als wir gemeinlich thun. Ja, es ist
nur zu wahr und mehr als bekannt, daß sie gerade von den Gelehrtesten selbst,
die ihr die Hand bieten müßten, dnrch fremde und ausländische Wörter ganz
entartet und verdorben wird: die dann erst meinen gelehrt und zierlich zu
sprechen, wenn sie durch solche aufgeraffte, undeutsche und unbekannte Wörter
ihre Muttersprache öffentlich brandmarken. Man banne diese Wörter doch aus
unsrer Sprache, soviel es möglich ist. Will jemand Französisch oder Lateinisch
sprechen, dann kann er es ja thun: aber man lasse unsre Sprache ungeschändet
in ihrer Vollkommenheit. . . Ich weiß es wohl, daß uns diese Art zu sprechen
durch lange Gewohnheit von den Schulen und nachher in Mund und Ohren
gewachsen ist: nichtsdestoweniger wenn jemand was schreiben und ans Licht geben
will, so muß er fleißig acht nehmen, zum ersten, daß er deutsch und darnach
daß er gutes und reines Deutsch rede; auf daß unsre Sprache nicht verwälscht


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0487" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/194465"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Freindwörterseuche.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1792" prev="#ID_1791"> auf der Nase und den ausländischen Schnürleib um die Brust: der gesunde<lb/>
Begriff von Wesen und Geist, von Reichtum und Schönheit der deutschen Sprache<lb/>
ist ihnen verdeckt und eingeengt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1793"> Aber so alt das Übel, so alt ist auch der Kampf gegen dasselbe. Es hat<lb/>
nie an Vorstellungen und Ermahnungen gefehlt, von der verderblichen Gewohnheit<lb/>
abzulassen, und ich könnte eine große Menge von Beweisstellen hierfür bei¬<lb/>
bringen. Da es aber keinen Wert haben kann, eine vollständige Aufzählung aller<lb/>
Namen, die in dieser Beziehung hier genannt werden könnten, zu geben, so be¬<lb/>
schränke ich mich darauf, aus der Vergangenheit als Beispiele einige Stimmen<lb/>
von Männern wachzurufen, die diesem Unfug entgegentraten und das Kind beim<lb/>
rechten Namen nannten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1794" next="#ID_1795"> Am ehesten dürfte, wenn man von der Unart der höfischen Dichter des<lb/>
dreizehnten Jahrhunderts, wie billig, absieht, eine umfänglichere Vermischung<lb/>
unsrer Sprache, oder richtiger ihres niederdeutschen Zweiges, uuter Einfluß<lb/>
der burgundischen und spanischen Fürsten, in den Niederlanden stattgefunden<lb/>
haben. Ende des sechzehnten und Anfang des siebzehnten Jahrhunderts war<lb/>
diese Vermischung, besonders in den südlichen Landesteilen, schon eine sehr starke<lb/>
und entstellende geworden. Das Niederländische, Vlämische, oder wie er es<lb/>
selbst nennt, das Deutsche, welches z. B. Rubens schrieb, war durchsetzt mit<lb/>
Fremdwörtern. Und so mag denn hier auch zuerst ein Niederländer sprechen,<lb/>
der sich erhebt zur Verteidigung seiner niederdeutschen Sprache, die auch er die<lb/>
deutsche nennt. Samuel Ampzing sagt in der Einleitung zu seiner &#x201E;Be¬<lb/>
schreibung der Stadt Haerlem," die 1628 in Harlem erschien, folgendes: &#x201E;Muß<lb/>
denn nicht ein jeder rechtschaffene, redliche und verständige Mensch und vor¬<lb/>
nehmlich der, der sich in andern Sprachen geübt hat, seiner Muttersprache soviel<lb/>
Liebe zutragen, daß es ihm nicht gleich sei, wie er schreibe und spreche, und<lb/>
ob seine Sprache verwildere oder verfalle...... So will ich denn auch wohl,<lb/>
daß wir von dieser unsrer köstlichen und löblichen Sprache etwas mehr Werks<lb/>
machten und für ihre Ehre mehr eiferten, als wir gemeinlich thun. Ja, es ist<lb/>
nur zu wahr und mehr als bekannt, daß sie gerade von den Gelehrtesten selbst,<lb/>
die ihr die Hand bieten müßten, dnrch fremde und ausländische Wörter ganz<lb/>
entartet und verdorben wird: die dann erst meinen gelehrt und zierlich zu<lb/>
sprechen, wenn sie durch solche aufgeraffte, undeutsche und unbekannte Wörter<lb/>
ihre Muttersprache öffentlich brandmarken. Man banne diese Wörter doch aus<lb/>
unsrer Sprache, soviel es möglich ist. Will jemand Französisch oder Lateinisch<lb/>
sprechen, dann kann er es ja thun: aber man lasse unsre Sprache ungeschändet<lb/>
in ihrer Vollkommenheit. . . Ich weiß es wohl, daß uns diese Art zu sprechen<lb/>
durch lange Gewohnheit von den Schulen und nachher in Mund und Ohren<lb/>
gewachsen ist: nichtsdestoweniger wenn jemand was schreiben und ans Licht geben<lb/>
will, so muß er fleißig acht nehmen, zum ersten, daß er deutsch und darnach<lb/>
daß er gutes und reines Deutsch rede; auf daß unsre Sprache nicht verwälscht</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0487] Die Freindwörterseuche. auf der Nase und den ausländischen Schnürleib um die Brust: der gesunde Begriff von Wesen und Geist, von Reichtum und Schönheit der deutschen Sprache ist ihnen verdeckt und eingeengt. Aber so alt das Übel, so alt ist auch der Kampf gegen dasselbe. Es hat nie an Vorstellungen und Ermahnungen gefehlt, von der verderblichen Gewohnheit abzulassen, und ich könnte eine große Menge von Beweisstellen hierfür bei¬ bringen. Da es aber keinen Wert haben kann, eine vollständige Aufzählung aller Namen, die in dieser Beziehung hier genannt werden könnten, zu geben, so be¬ schränke ich mich darauf, aus der Vergangenheit als Beispiele einige Stimmen von Männern wachzurufen, die diesem Unfug entgegentraten und das Kind beim rechten Namen nannten. Am ehesten dürfte, wenn man von der Unart der höfischen Dichter des dreizehnten Jahrhunderts, wie billig, absieht, eine umfänglichere Vermischung unsrer Sprache, oder richtiger ihres niederdeutschen Zweiges, uuter Einfluß der burgundischen und spanischen Fürsten, in den Niederlanden stattgefunden haben. Ende des sechzehnten und Anfang des siebzehnten Jahrhunderts war diese Vermischung, besonders in den südlichen Landesteilen, schon eine sehr starke und entstellende geworden. Das Niederländische, Vlämische, oder wie er es selbst nennt, das Deutsche, welches z. B. Rubens schrieb, war durchsetzt mit Fremdwörtern. Und so mag denn hier auch zuerst ein Niederländer sprechen, der sich erhebt zur Verteidigung seiner niederdeutschen Sprache, die auch er die deutsche nennt. Samuel Ampzing sagt in der Einleitung zu seiner „Be¬ schreibung der Stadt Haerlem," die 1628 in Harlem erschien, folgendes: „Muß denn nicht ein jeder rechtschaffene, redliche und verständige Mensch und vor¬ nehmlich der, der sich in andern Sprachen geübt hat, seiner Muttersprache soviel Liebe zutragen, daß es ihm nicht gleich sei, wie er schreibe und spreche, und ob seine Sprache verwildere oder verfalle...... So will ich denn auch wohl, daß wir von dieser unsrer köstlichen und löblichen Sprache etwas mehr Werks machten und für ihre Ehre mehr eiferten, als wir gemeinlich thun. Ja, es ist nur zu wahr und mehr als bekannt, daß sie gerade von den Gelehrtesten selbst, die ihr die Hand bieten müßten, dnrch fremde und ausländische Wörter ganz entartet und verdorben wird: die dann erst meinen gelehrt und zierlich zu sprechen, wenn sie durch solche aufgeraffte, undeutsche und unbekannte Wörter ihre Muttersprache öffentlich brandmarken. Man banne diese Wörter doch aus unsrer Sprache, soviel es möglich ist. Will jemand Französisch oder Lateinisch sprechen, dann kann er es ja thun: aber man lasse unsre Sprache ungeschändet in ihrer Vollkommenheit. . . Ich weiß es wohl, daß uns diese Art zu sprechen durch lange Gewohnheit von den Schulen und nachher in Mund und Ohren gewachsen ist: nichtsdestoweniger wenn jemand was schreiben und ans Licht geben will, so muß er fleißig acht nehmen, zum ersten, daß er deutsch und darnach daß er gutes und reines Deutsch rede; auf daß unsre Sprache nicht verwälscht

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/487
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/487>, abgerufen am 29.06.2024.