Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.Debatten über die sociale Frage. nehme", oder man bringt Nachrichten über günstige Abmachungen in Umlauf, Man sieht also, daß der Fisch doch das Gefäß schwerer macht; man muß Indem der deutsche Juristentag in Kassel das Disferenzgeschäft mit der Man muß gestehen, daß ein größerer Gegensatz der Behandlung wichtigster Leider ist die Frage nicht zum Spott; sie hat einen diesen Ernst, der Debatten über die sociale Frage. nehme», oder man bringt Nachrichten über günstige Abmachungen in Umlauf, Man sieht also, daß der Fisch doch das Gefäß schwerer macht; man muß Indem der deutsche Juristentag in Kassel das Disferenzgeschäft mit der Man muß gestehen, daß ein größerer Gegensatz der Behandlung wichtigster Leider ist die Frage nicht zum Spott; sie hat einen diesen Ernst, der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0480" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/194458"/> <fw type="header" place="top"> Debatten über die sociale Frage.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1767" prev="#ID_1766"> nehme», oder man bringt Nachrichten über günstige Abmachungen in Umlauf,<lb/> die den Wert gewisser Papiere bedeutend steigern müssen, wenn sie wahr sind.<lb/> Unter dem Eindruck dieser Nachrichten verkauft man teuer, während thatsächlich<lb/> das Gegenteil richtig ist. Selbstverständlich sinken sofort, wenn die währe Nach¬<lb/> richt eintrifft, die betreffenden Papiere, aber die Faiseurs haben ihr Geschüft<lb/> gemacht.</p><lb/> <p xml:id="ID_1768"> Man sieht also, daß der Fisch doch das Gefäß schwerer macht; man muß<lb/> es mir wiegen. Das Sozialgefährliche des „Differenzgeschäftes" liegt darin,<lb/> daß vermöge desselben Objekte fremden Besitzes in ein willkürliches Spiel ge¬<lb/> zogen werden, derart, daß gerade das, was die allenfalls legitime Spekulation<lb/> zur Entwicklung und wirtschaftlichen Nutzbarmachung bedarf, die sachliche Wahr-<lb/> scheiulichkeitsberechunug, völlig vernichtet wird. Es tritt an deren Stelle eine<lb/> absolute Willkür, welche lediglich auf die Ausbeutung fremden Besitzes hinaus¬<lb/> läuft. Das Differeuzgeschäft ist also nicht, wie die gelehrten Kasseler Juristen<lb/> behaupteten, als „Spekulation" zu betrachten; es unterscheidet sich, sehr wesentlich<lb/> von der Spekulation; es ist vielmehr einfach Spiel, das sich sogar keineswegs<lb/> der Formeir des Zeitgeschäftes zu bedienen braucht und das oft genug auch als<lb/> Cvmptautgeschäft auftritt. Allerdings zieht dieses Spiel aus dem spekulativen<lb/> Zeitgeschäft seinen Hnnptnntzen und ist wirksam auch auf dem Boden des letztem<lb/> zu bekämpfen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1769"> Indem der deutsche Juristentag in Kassel das Disferenzgeschäft mit der<lb/> reinen Spekulation zusammenwarf, that er allerdings zunächst uur, was all¬<lb/> gemein geschieht. Wenn dies also anch verzeihlich ist, so ist es doch entschieden<lb/> nicht die ohne weiteres gezogene Schlußfolgerung, daß trotz seiner Schädlich¬<lb/> keit das Differenzgeschäft nützlich sei.</p><lb/> <p xml:id="ID_1770"> Man muß gestehen, daß ein größerer Gegensatz der Behandlung wichtigster<lb/> Fragen der sozialen Bewegung nicht denkbar ist, als er stattfand dort in der<lb/> katholischen Versammlung von Fachmännern und Laien, hier in einer Ver¬<lb/> sammlung von Gelehrten. Der Spott, den dort Windthorst über die Gelehrten<lb/> der Universitäten ausgoß — sie seien garnicht so gelehrt als sie thäten, sagte<lb/> er nämlich —, hat hier eine merkwürdige Jllnstrntivn empfangen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1771" next="#ID_1772"> Leider ist die Frage nicht zum Spott; sie hat einen diesen Ernst, der<lb/> durch die Thatsachen seineu schwerste«! Hintergrund erhält. Das Disferenzgeschäft<lb/> ist unbedingt der potenzirte und zugleich privilegirte Wucher. In Mannheim<lb/> ist gelegentlich eines sehr bekannt gewordenen Wncherprozesses vom dortigen<lb/> Staatsanwalt über das Verhalten der Anwälte, welche dem angeklagten Wucherer<lb/> in mehr als hundert grausigen Wucherfällen gedient hatten, ein strenges Urteil<lb/> ausgesprochen worden, und mit Recht. Hätte aber dies Urteil nicht ebenso auf<lb/> die Richter, welche in diesen Prozessen verführen, ausgedehnt werde» müssen,<lb/> da doch auch sie bald geiuig Einblick gewinnen, mußten in den Charakter der<lb/> Geschäfte jener Person? Thatsächlich treiben sich an vielen Gerichten nnaus-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0480]
Debatten über die sociale Frage.
nehme», oder man bringt Nachrichten über günstige Abmachungen in Umlauf,
die den Wert gewisser Papiere bedeutend steigern müssen, wenn sie wahr sind.
Unter dem Eindruck dieser Nachrichten verkauft man teuer, während thatsächlich
das Gegenteil richtig ist. Selbstverständlich sinken sofort, wenn die währe Nach¬
richt eintrifft, die betreffenden Papiere, aber die Faiseurs haben ihr Geschüft
gemacht.
Man sieht also, daß der Fisch doch das Gefäß schwerer macht; man muß
es mir wiegen. Das Sozialgefährliche des „Differenzgeschäftes" liegt darin,
daß vermöge desselben Objekte fremden Besitzes in ein willkürliches Spiel ge¬
zogen werden, derart, daß gerade das, was die allenfalls legitime Spekulation
zur Entwicklung und wirtschaftlichen Nutzbarmachung bedarf, die sachliche Wahr-
scheiulichkeitsberechunug, völlig vernichtet wird. Es tritt an deren Stelle eine
absolute Willkür, welche lediglich auf die Ausbeutung fremden Besitzes hinaus¬
läuft. Das Differeuzgeschäft ist also nicht, wie die gelehrten Kasseler Juristen
behaupteten, als „Spekulation" zu betrachten; es unterscheidet sich, sehr wesentlich
von der Spekulation; es ist vielmehr einfach Spiel, das sich sogar keineswegs
der Formeir des Zeitgeschäftes zu bedienen braucht und das oft genug auch als
Cvmptautgeschäft auftritt. Allerdings zieht dieses Spiel aus dem spekulativen
Zeitgeschäft seinen Hnnptnntzen und ist wirksam auch auf dem Boden des letztem
zu bekämpfen.
Indem der deutsche Juristentag in Kassel das Disferenzgeschäft mit der
reinen Spekulation zusammenwarf, that er allerdings zunächst uur, was all¬
gemein geschieht. Wenn dies also anch verzeihlich ist, so ist es doch entschieden
nicht die ohne weiteres gezogene Schlußfolgerung, daß trotz seiner Schädlich¬
keit das Differenzgeschäft nützlich sei.
Man muß gestehen, daß ein größerer Gegensatz der Behandlung wichtigster
Fragen der sozialen Bewegung nicht denkbar ist, als er stattfand dort in der
katholischen Versammlung von Fachmännern und Laien, hier in einer Ver¬
sammlung von Gelehrten. Der Spott, den dort Windthorst über die Gelehrten
der Universitäten ausgoß — sie seien garnicht so gelehrt als sie thäten, sagte
er nämlich —, hat hier eine merkwürdige Jllnstrntivn empfangen.
Leider ist die Frage nicht zum Spott; sie hat einen diesen Ernst, der
durch die Thatsachen seineu schwerste«! Hintergrund erhält. Das Disferenzgeschäft
ist unbedingt der potenzirte und zugleich privilegirte Wucher. In Mannheim
ist gelegentlich eines sehr bekannt gewordenen Wncherprozesses vom dortigen
Staatsanwalt über das Verhalten der Anwälte, welche dem angeklagten Wucherer
in mehr als hundert grausigen Wucherfällen gedient hatten, ein strenges Urteil
ausgesprochen worden, und mit Recht. Hätte aber dies Urteil nicht ebenso auf
die Richter, welche in diesen Prozessen verführen, ausgedehnt werde» müssen,
da doch auch sie bald geiuig Einblick gewinnen, mußten in den Charakter der
Geschäfte jener Person? Thatsächlich treiben sich an vielen Gerichten nnaus-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |