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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Debatten über die soziale Frage.

"Syndikate" und "Konsortien," nicht als ob es nicht Finnnzhänser gäbe, welche
auf eigne Faust ein solches Unternehmen durchführen könnten, sondern weil dazu
ein gewisses mehrseitiges Zusammenwirken gehört. Denn selbstverständlich brnncht
man, um einen großen Fischfang zu machen, an der Börse auch Fische; und
um diese heranzulocken, dazu gehört das gnuze -- an sich unwesentliche und
für das Difsereuzspiel unnötige -- Brimborinm, dnrch welches das Publikum
hauptsächlich vermittels der Presse geblendet wird. Alle die tiefsinnigen Er¬
örterungen über Diskonto, Dividendenschätzungen, Semestralbilnnzcn, Jahres¬
bilanzen, Wochen- und Monatsausweise -- alles hat mir den Zweck, das Pu¬
blikum dumm zu macheu, "als ging ihm ein Mühlrad im Kopf herum." Dieses
"dumme" Publikum "spekulirt" dann allerdings, wie der Referent des deutschen
Juristeutages meint. Es kunst p"r "oinMnt oder auf Zeit in der Wahrschcin-
lichkeitsvvranssetzung, daß zu einem gewissen Zeitpunkte die Kurse höher sein
werden, und daß man dann die betreffenden Papiere wieder teurer, als man sie
eingekauft, verkaufen könne. Und das zeitweise tvntinnirliche Steigen der Kurse
ist dabei allzu verlockend; man denkt nicht um den Fall, man denkt nnr an das
Steigen, und da der Makler oder Kommissionär, "der doch die Sache verstehen
muß," in solchen Perioden nie zum Verkauf, sondern eher noch zum Ankauf
rät, so sieht das Publikum seinen Reichtum thurmhoch wachsen -- bis plötzlich
die eigentlichen Spieler, oder richtiger die "Croupiers" der Börse, die Karten
auf deu Tisch werfen. Dann wird "realisirt," d. h. die Schafe werden ge¬
schoren.

Die Finanzgeschichte ist reich an solchen Vorgängen. Die sogenannten
"Corners" an den amerikanischen Börsen, welche mit aller Offenheit in der be¬
zeichneten Art verfahren, indem sie nämlich mit der einen Hand kaufen und mit
der andern verkaufen, oder umgekehrt, find in Europa ebenfalls nichts außer¬
ordentliches. Rothschilds Vermögen ist hauptsächlich ein Produkt solcher Ver-
bindungen zur Herbeiführung einer großen Differenz. Ein derartiges Konsortium
bestand z. B. in Wien zu Anfang dieses Jahrhunderts mehrere Jahre ans den
Firmen Arnstein u. Eskeles, Gehmüller n. Co., Fries n. Co., Steiner n. Co.;
an des letztern Stelle trat später Rothschild. Rothschild brachte an der Wiener
Börse das Shstem der Scheiukäufe und -Verkäufe auf. Dasselbe spielt ins¬
besondre dann, wenn man die Hitze des Spieles steigern will, eine große Rolle;
neuerdings allerdings vielleicht nicht mehr in demselben Maße wie ehedem. Man
greift aber auch zu andern Praktiken, um die Kurse zu heben oder zu drücken;
man verbreitet z. B. Depeschen mit falschen Nachrichten -- wie z. B. von der
"Frankfurter Zeitung" im Juni dieses Jahres an der Frankfurter Börse die
falsche Nachricht von der Mönchwcrdung Arabi Paschas angeschlagen wurde,
was sofort eine Steigerung des Kurses der Äghpter zur Folge hatte. Dies
streift schon an den baren Betrug. Aber auch dieser selbst bleibt nicht ans.
Man verbreitet z. B- höchst günstige Nachrichten über bankerotte Aktiennnter-


Debatten über die soziale Frage.

„Syndikate" und „Konsortien," nicht als ob es nicht Finnnzhänser gäbe, welche
auf eigne Faust ein solches Unternehmen durchführen könnten, sondern weil dazu
ein gewisses mehrseitiges Zusammenwirken gehört. Denn selbstverständlich brnncht
man, um einen großen Fischfang zu machen, an der Börse auch Fische; und
um diese heranzulocken, dazu gehört das gnuze — an sich unwesentliche und
für das Difsereuzspiel unnötige — Brimborinm, dnrch welches das Publikum
hauptsächlich vermittels der Presse geblendet wird. Alle die tiefsinnigen Er¬
örterungen über Diskonto, Dividendenschätzungen, Semestralbilnnzcn, Jahres¬
bilanzen, Wochen- und Monatsausweise — alles hat mir den Zweck, das Pu¬
blikum dumm zu macheu, „als ging ihm ein Mühlrad im Kopf herum." Dieses
„dumme" Publikum „spekulirt" dann allerdings, wie der Referent des deutschen
Juristeutages meint. Es kunst p«r «oinMnt oder auf Zeit in der Wahrschcin-
lichkeitsvvranssetzung, daß zu einem gewissen Zeitpunkte die Kurse höher sein
werden, und daß man dann die betreffenden Papiere wieder teurer, als man sie
eingekauft, verkaufen könne. Und das zeitweise tvntinnirliche Steigen der Kurse
ist dabei allzu verlockend; man denkt nicht um den Fall, man denkt nnr an das
Steigen, und da der Makler oder Kommissionär, „der doch die Sache verstehen
muß," in solchen Perioden nie zum Verkauf, sondern eher noch zum Ankauf
rät, so sieht das Publikum seinen Reichtum thurmhoch wachsen — bis plötzlich
die eigentlichen Spieler, oder richtiger die „Croupiers" der Börse, die Karten
auf deu Tisch werfen. Dann wird „realisirt," d. h. die Schafe werden ge¬
schoren.

Die Finanzgeschichte ist reich an solchen Vorgängen. Die sogenannten
„Corners" an den amerikanischen Börsen, welche mit aller Offenheit in der be¬
zeichneten Art verfahren, indem sie nämlich mit der einen Hand kaufen und mit
der andern verkaufen, oder umgekehrt, find in Europa ebenfalls nichts außer¬
ordentliches. Rothschilds Vermögen ist hauptsächlich ein Produkt solcher Ver-
bindungen zur Herbeiführung einer großen Differenz. Ein derartiges Konsortium
bestand z. B. in Wien zu Anfang dieses Jahrhunderts mehrere Jahre ans den
Firmen Arnstein u. Eskeles, Gehmüller n. Co., Fries n. Co., Steiner n. Co.;
an des letztern Stelle trat später Rothschild. Rothschild brachte an der Wiener
Börse das Shstem der Scheiukäufe und -Verkäufe auf. Dasselbe spielt ins¬
besondre dann, wenn man die Hitze des Spieles steigern will, eine große Rolle;
neuerdings allerdings vielleicht nicht mehr in demselben Maße wie ehedem. Man
greift aber auch zu andern Praktiken, um die Kurse zu heben oder zu drücken;
man verbreitet z. B. Depeschen mit falschen Nachrichten — wie z. B. von der
„Frankfurter Zeitung" im Juni dieses Jahres an der Frankfurter Börse die
falsche Nachricht von der Mönchwcrdung Arabi Paschas angeschlagen wurde,
was sofort eine Steigerung des Kurses der Äghpter zur Folge hatte. Dies
streift schon an den baren Betrug. Aber auch dieser selbst bleibt nicht ans.
Man verbreitet z. B- höchst günstige Nachrichten über bankerotte Aktiennnter-


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[0479] Debatten über die soziale Frage. „Syndikate" und „Konsortien," nicht als ob es nicht Finnnzhänser gäbe, welche auf eigne Faust ein solches Unternehmen durchführen könnten, sondern weil dazu ein gewisses mehrseitiges Zusammenwirken gehört. Denn selbstverständlich brnncht man, um einen großen Fischfang zu machen, an der Börse auch Fische; und um diese heranzulocken, dazu gehört das gnuze — an sich unwesentliche und für das Difsereuzspiel unnötige — Brimborinm, dnrch welches das Publikum hauptsächlich vermittels der Presse geblendet wird. Alle die tiefsinnigen Er¬ örterungen über Diskonto, Dividendenschätzungen, Semestralbilnnzcn, Jahres¬ bilanzen, Wochen- und Monatsausweise — alles hat mir den Zweck, das Pu¬ blikum dumm zu macheu, „als ging ihm ein Mühlrad im Kopf herum." Dieses „dumme" Publikum „spekulirt" dann allerdings, wie der Referent des deutschen Juristeutages meint. Es kunst p«r «oinMnt oder auf Zeit in der Wahrschcin- lichkeitsvvranssetzung, daß zu einem gewissen Zeitpunkte die Kurse höher sein werden, und daß man dann die betreffenden Papiere wieder teurer, als man sie eingekauft, verkaufen könne. Und das zeitweise tvntinnirliche Steigen der Kurse ist dabei allzu verlockend; man denkt nicht um den Fall, man denkt nnr an das Steigen, und da der Makler oder Kommissionär, „der doch die Sache verstehen muß," in solchen Perioden nie zum Verkauf, sondern eher noch zum Ankauf rät, so sieht das Publikum seinen Reichtum thurmhoch wachsen — bis plötzlich die eigentlichen Spieler, oder richtiger die „Croupiers" der Börse, die Karten auf deu Tisch werfen. Dann wird „realisirt," d. h. die Schafe werden ge¬ schoren. Die Finanzgeschichte ist reich an solchen Vorgängen. Die sogenannten „Corners" an den amerikanischen Börsen, welche mit aller Offenheit in der be¬ zeichneten Art verfahren, indem sie nämlich mit der einen Hand kaufen und mit der andern verkaufen, oder umgekehrt, find in Europa ebenfalls nichts außer¬ ordentliches. Rothschilds Vermögen ist hauptsächlich ein Produkt solcher Ver- bindungen zur Herbeiführung einer großen Differenz. Ein derartiges Konsortium bestand z. B. in Wien zu Anfang dieses Jahrhunderts mehrere Jahre ans den Firmen Arnstein u. Eskeles, Gehmüller n. Co., Fries n. Co., Steiner n. Co.; an des letztern Stelle trat später Rothschild. Rothschild brachte an der Wiener Börse das Shstem der Scheiukäufe und -Verkäufe auf. Dasselbe spielt ins¬ besondre dann, wenn man die Hitze des Spieles steigern will, eine große Rolle; neuerdings allerdings vielleicht nicht mehr in demselben Maße wie ehedem. Man greift aber auch zu andern Praktiken, um die Kurse zu heben oder zu drücken; man verbreitet z. B. Depeschen mit falschen Nachrichten — wie z. B. von der „Frankfurter Zeitung" im Juni dieses Jahres an der Frankfurter Börse die falsche Nachricht von der Mönchwcrdung Arabi Paschas angeschlagen wurde, was sofort eine Steigerung des Kurses der Äghpter zur Folge hatte. Dies streift schon an den baren Betrug. Aber auch dieser selbst bleibt nicht ans. Man verbreitet z. B- höchst günstige Nachrichten über bankerotte Aktiennnter-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/479>, abgerufen am 28.09.2024.