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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Debatten über die soziale Frage.

ausbleiben und Verlust an Zins und Kapital eintreten. Das ist sicher ein spe¬
kulatives Finanzgeschäft, aber ein Differenzgeschäst ist es nicht im mindesten.
Denn es hat vor allen Dingen eine sachliche Basis; die Wahrscheinlichkeit eiues
spekulativen Vorteiles ist vorhanden, wenn auch die Gewißheit fehlt "ut Selbst
tänschung ebenso wie mannichfache Zwischenfälle den erwarteten Vorteil in Ver¬
lust umsetzen können.

Das Disserenzgeschäft hat diese Wahrscheinlichkeitsuuterlageu nicht und be¬
darf ihrer nicht. Beim Differenzgeschäft sind die verschiednen Effekten, die der
Franzose sehr treffend iiirc^ (bloße "Titel," Namen, Bezeichnungen) nennt,
oder, too das Disserenzgeschäft sich des Produktenhandels bedient, die Produkte
bloße Karten, wie im Kartenspiel, worauf der Spieler "setzt," und wobei er
nebenbei noch die Absicht hegt, durch einen etwaigen kühnen Griff, der sich
macheu lassen mag, einen Extragewinn herauszuschlagen. Im Disserenzgeschäft
ist es völlig gleichgiltig, welchen Kapital- oder Rentenwert ein Titel hat -- wie
z. B. Lombarden ans dem Kurszettel immer noch in erster Reihe stehen, ob¬
gleich sie seit Jahren schon keine Rente mehr abwerfen; es kommt lediglich darauf
an, ob viele oder wenige Engagements in irgend einer Position bestehen. Die
Wahrscheinlichkeit des Gewinnes ist also eine rein spielerische; da es beim Spiel
ja auch daraus ankommt, wo und wie sich die Karten zusammenfinden, oder ob
mau mehr oder weniger glücklich ist im "Ausspiel" oder im "Pointireu."

Das wesentliche im "Differenzgeschäft" beruht nicht darin, wie die Juristen
in Kassel meinte", daß man in spekulativer Weise Effekten oder Produkte zu
gewissem Preise und auf einen gewissen Termin kauft, und dann am Verfall¬
tage anstatt der effektiven Lieferung die Differenz zwischen dem stipulirten und
dem Marktpreise baar zahlt. Durch solche Voraussetzung wird nicht einmal die
Form des Disferenzgefchäfts erschöpft, geschweige denn daß das Wesen desselben
gestreift würde. Das Differenzgeschäft besteht vielmehr darin, vermöge der Hilfs¬
mittel, die an der Börse gegeben sind und zu deren erfolgreicher Benutzung aller¬
dings Geld und Kredit gehört, die Kurse so zu leite", daß am Liqnidationstage
sich ein Gewinn für die Faiseurs ergeben muß. Dies geschieht z. V. durch syste-
matischen Ankauf von Börseuwerte" zu einem Termin, dergestalt, daß Stücken¬
mangel entsteht und die Verkäufer nicht liefern können, was selbstverständlich
sofort zu einer ungeheuerm "Differenz" der Kurse führen muß. Der Käufer
diktirt dann die Kurse, bez. die Differenzen. Oder es geschieht dasselbe, aber
nicht indem man auf Lieferung, solider" >">r culi'trui! kauft, dagegen aber zu
den maßlos steigenden Kursen auf spätere Lieferung verkauft, denn plötzlich das
Material massenhaft auf den Markt wirft, worauf alle, welche zu de" hohe"
Kursen gekauft haben, auf den Sand geworfen sind, während der Faisenr seine
teuer verkauften Titel wieder billiger zurückerhült ?e. So ungefähr war der
Gang z. B. bei der Bontaux-Affäre, die bekanntlich in zwei große Abschnitte
zerfiel. Zur Herbeiführung derartiger Differenzen bilden sich an der Börse


Debatten über die soziale Frage.

ausbleiben und Verlust an Zins und Kapital eintreten. Das ist sicher ein spe¬
kulatives Finanzgeschäft, aber ein Differenzgeschäst ist es nicht im mindesten.
Denn es hat vor allen Dingen eine sachliche Basis; die Wahrscheinlichkeit eiues
spekulativen Vorteiles ist vorhanden, wenn auch die Gewißheit fehlt »ut Selbst
tänschung ebenso wie mannichfache Zwischenfälle den erwarteten Vorteil in Ver¬
lust umsetzen können.

Das Disserenzgeschäft hat diese Wahrscheinlichkeitsuuterlageu nicht und be¬
darf ihrer nicht. Beim Differenzgeschäft sind die verschiednen Effekten, die der
Franzose sehr treffend iiirc^ (bloße „Titel," Namen, Bezeichnungen) nennt,
oder, too das Disserenzgeschäft sich des Produktenhandels bedient, die Produkte
bloße Karten, wie im Kartenspiel, worauf der Spieler „setzt," und wobei er
nebenbei noch die Absicht hegt, durch einen etwaigen kühnen Griff, der sich
macheu lassen mag, einen Extragewinn herauszuschlagen. Im Disserenzgeschäft
ist es völlig gleichgiltig, welchen Kapital- oder Rentenwert ein Titel hat — wie
z. B. Lombarden ans dem Kurszettel immer noch in erster Reihe stehen, ob¬
gleich sie seit Jahren schon keine Rente mehr abwerfen; es kommt lediglich darauf
an, ob viele oder wenige Engagements in irgend einer Position bestehen. Die
Wahrscheinlichkeit des Gewinnes ist also eine rein spielerische; da es beim Spiel
ja auch daraus ankommt, wo und wie sich die Karten zusammenfinden, oder ob
mau mehr oder weniger glücklich ist im „Ausspiel" oder im „Pointireu."

Das wesentliche im „Differenzgeschäft" beruht nicht darin, wie die Juristen
in Kassel meinte», daß man in spekulativer Weise Effekten oder Produkte zu
gewissem Preise und auf einen gewissen Termin kauft, und dann am Verfall¬
tage anstatt der effektiven Lieferung die Differenz zwischen dem stipulirten und
dem Marktpreise baar zahlt. Durch solche Voraussetzung wird nicht einmal die
Form des Disferenzgefchäfts erschöpft, geschweige denn daß das Wesen desselben
gestreift würde. Das Differenzgeschäft besteht vielmehr darin, vermöge der Hilfs¬
mittel, die an der Börse gegeben sind und zu deren erfolgreicher Benutzung aller¬
dings Geld und Kredit gehört, die Kurse so zu leite», daß am Liqnidationstage
sich ein Gewinn für die Faiseurs ergeben muß. Dies geschieht z. V. durch syste-
matischen Ankauf von Börseuwerte» zu einem Termin, dergestalt, daß Stücken¬
mangel entsteht und die Verkäufer nicht liefern können, was selbstverständlich
sofort zu einer ungeheuerm „Differenz" der Kurse führen muß. Der Käufer
diktirt dann die Kurse, bez. die Differenzen. Oder es geschieht dasselbe, aber
nicht indem man auf Lieferung, solider» >»>r culi'trui! kauft, dagegen aber zu
den maßlos steigenden Kursen auf spätere Lieferung verkauft, denn plötzlich das
Material massenhaft auf den Markt wirft, worauf alle, welche zu de» hohe»
Kursen gekauft haben, auf den Sand geworfen sind, während der Faisenr seine
teuer verkauften Titel wieder billiger zurückerhült ?e. So ungefähr war der
Gang z. B. bei der Bontaux-Affäre, die bekanntlich in zwei große Abschnitte
zerfiel. Zur Herbeiführung derartiger Differenzen bilden sich an der Börse


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[0478] Debatten über die soziale Frage. ausbleiben und Verlust an Zins und Kapital eintreten. Das ist sicher ein spe¬ kulatives Finanzgeschäft, aber ein Differenzgeschäst ist es nicht im mindesten. Denn es hat vor allen Dingen eine sachliche Basis; die Wahrscheinlichkeit eiues spekulativen Vorteiles ist vorhanden, wenn auch die Gewißheit fehlt »ut Selbst tänschung ebenso wie mannichfache Zwischenfälle den erwarteten Vorteil in Ver¬ lust umsetzen können. Das Disserenzgeschäft hat diese Wahrscheinlichkeitsuuterlageu nicht und be¬ darf ihrer nicht. Beim Differenzgeschäft sind die verschiednen Effekten, die der Franzose sehr treffend iiirc^ (bloße „Titel," Namen, Bezeichnungen) nennt, oder, too das Disserenzgeschäft sich des Produktenhandels bedient, die Produkte bloße Karten, wie im Kartenspiel, worauf der Spieler „setzt," und wobei er nebenbei noch die Absicht hegt, durch einen etwaigen kühnen Griff, der sich macheu lassen mag, einen Extragewinn herauszuschlagen. Im Disserenzgeschäft ist es völlig gleichgiltig, welchen Kapital- oder Rentenwert ein Titel hat — wie z. B. Lombarden ans dem Kurszettel immer noch in erster Reihe stehen, ob¬ gleich sie seit Jahren schon keine Rente mehr abwerfen; es kommt lediglich darauf an, ob viele oder wenige Engagements in irgend einer Position bestehen. Die Wahrscheinlichkeit des Gewinnes ist also eine rein spielerische; da es beim Spiel ja auch daraus ankommt, wo und wie sich die Karten zusammenfinden, oder ob mau mehr oder weniger glücklich ist im „Ausspiel" oder im „Pointireu." Das wesentliche im „Differenzgeschäft" beruht nicht darin, wie die Juristen in Kassel meinte», daß man in spekulativer Weise Effekten oder Produkte zu gewissem Preise und auf einen gewissen Termin kauft, und dann am Verfall¬ tage anstatt der effektiven Lieferung die Differenz zwischen dem stipulirten und dem Marktpreise baar zahlt. Durch solche Voraussetzung wird nicht einmal die Form des Disferenzgefchäfts erschöpft, geschweige denn daß das Wesen desselben gestreift würde. Das Differenzgeschäft besteht vielmehr darin, vermöge der Hilfs¬ mittel, die an der Börse gegeben sind und zu deren erfolgreicher Benutzung aller¬ dings Geld und Kredit gehört, die Kurse so zu leite», daß am Liqnidationstage sich ein Gewinn für die Faiseurs ergeben muß. Dies geschieht z. V. durch syste- matischen Ankauf von Börseuwerte» zu einem Termin, dergestalt, daß Stücken¬ mangel entsteht und die Verkäufer nicht liefern können, was selbstverständlich sofort zu einer ungeheuerm „Differenz" der Kurse führen muß. Der Käufer diktirt dann die Kurse, bez. die Differenzen. Oder es geschieht dasselbe, aber nicht indem man auf Lieferung, solider» >»>r culi'trui! kauft, dagegen aber zu den maßlos steigenden Kursen auf spätere Lieferung verkauft, denn plötzlich das Material massenhaft auf den Markt wirft, worauf alle, welche zu de» hohe» Kursen gekauft haben, auf den Sand geworfen sind, während der Faisenr seine teuer verkauften Titel wieder billiger zurückerhült ?e. So ungefähr war der Gang z. B. bei der Bontaux-Affäre, die bekanntlich in zwei große Abschnitte zerfiel. Zur Herbeiführung derartiger Differenzen bilden sich an der Börse

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/478>, abgerufen am 29.06.2024.