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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Die Lischeriil von Malamocco.

sondern verriet sich auch ne ihrer Haltung und ihrem ganzen Wesen. Gleich¬
wohl unterschied sich Margherita jetzt in ihrem Thu" von keiner der Nach¬
barinnen. Marcantvns Netz war geflickt, die junge Frau ging ins .Haus, zündete
auf dein schlichten Herd el" Feuer von lrvcknei" Seegras nud Hvlzspähne" an
und bereitete im kleine" metallenen Kessel eine Morgensnppe, die eben bereit
war, als ihr Mann lind ein älterer Fischer mit stattlichem grauen Vollbart sich
der Hinte raschen Schrittes wieder näherten. Sie hörte mit scharfem Ohr, daß
Tonio nicht allein kam, und ein flüchtiger Schatten von Unmut ging über ihr
Gesicht. Doch trat sie unter die Thür, rief den Herankam inertem einen Gruß
entgegen und beugte sich alsdann auf die Hand des Alten: Gott willkommen,
Unter -- wollt Ihr Eure Morgensuppe hier essen?

Wenn es dir gefällt, Margherita, antwortete der Fischer unter seinen
buschigen Brauen hervor, die großen schwarzen Augen fest anf das Weib seines
Sohnes richtend. Der alte Marco hatte eine hohe knochige Gestalt und über¬
ragte selbst den kräftig schönen Sohn um mehr als Haupteslänge. Ja er
mußte sich blicken, um durch die Thür des Gemachs einzugehen, und streckte
drinnen, wie er sich hart ans eine der Holzbänke niedersetzte, die mächtigen Füße
weit von sich, wie einer, der sich Herr im Hanse fühlt. Und dabei, ließ er
Margherita, welche mit der Suppenschüssel und den Löffeln nachgefolgt war,
nicht ans den Unger, achtsam, ja argwöhnisch, prüfte er ihr Gesicht wie das
Antlitz seines Sohnes. Mareantonio nahm nicht sobald die spähende Art seines
VnterS wahr, als er sich bezwang und aus seinen eignen Zügen alles ver¬
scheuchte, was an die erste Frühstunde und das Gespräch mit seinem Weibe
noch gemahlten konnte. Er tauschte selbst ein paar Scherzworte mit Margherita,
sodaß Marco endlich schweigend aß, ohne seine Schwiegertochter durch mi߬
trauische Blicke zu beunruhigen. Trotzdem wars, als ob die Glut des
Sommertags, die mit dem vollen Licht draußen bereits anhob, auch schon
wieder ins Gemach dringe. Die drei atmeten schwüle Luft, und Margherita
vermochte kaum den Bissen Brot, deu sie i" die Suppe getaucht, über ihre
Lippe" zu bringen. Sie legte den Hvrnlöffel zur Seite und rief scher¬
zend:

Wenn die Hitze so fortwährt, tuum ich strenge Fasten geloben. Seit drei
Tagen fühle ich nnr brennende" Durst und keinen Hunger.

Das ist deine alte Art! versetzte der greise Fischer, und seine Stimme
klang unfreundlich. Du hast eben niemals vergessen, daß du droben im Norden
daheim bist, >i"d hast unsre Sommersonne iurmer wie deinen Feind angesehen.
Schon als Kind, wie wir dich mir Strand fanden "ut retteten, schuf sie dir
schlimme Träume, und so ich Tonio vorhin recht verstanden habe, ists bis heilte
noch nicht besser, sondern schlimmer geworden.

Eine jähe Glut der Scham färbte Margheritas sonst bleiche Wangen,
Mareantou sah mit Teilnahme ans sein Weib und hob beschwichtigend die Hand:


Die Lischeriil von Malamocco.

sondern verriet sich auch ne ihrer Haltung und ihrem ganzen Wesen. Gleich¬
wohl unterschied sich Margherita jetzt in ihrem Thu» von keiner der Nach¬
barinnen. Marcantvns Netz war geflickt, die junge Frau ging ins .Haus, zündete
auf dein schlichten Herd el» Feuer von lrvcknei» Seegras nud Hvlzspähne» an
und bereitete im kleine» metallenen Kessel eine Morgensnppe, die eben bereit
war, als ihr Mann lind ein älterer Fischer mit stattlichem grauen Vollbart sich
der Hinte raschen Schrittes wieder näherten. Sie hörte mit scharfem Ohr, daß
Tonio nicht allein kam, und ein flüchtiger Schatten von Unmut ging über ihr
Gesicht. Doch trat sie unter die Thür, rief den Herankam inertem einen Gruß
entgegen und beugte sich alsdann auf die Hand des Alten: Gott willkommen,
Unter — wollt Ihr Eure Morgensuppe hier essen?

Wenn es dir gefällt, Margherita, antwortete der Fischer unter seinen
buschigen Brauen hervor, die großen schwarzen Augen fest anf das Weib seines
Sohnes richtend. Der alte Marco hatte eine hohe knochige Gestalt und über¬
ragte selbst den kräftig schönen Sohn um mehr als Haupteslänge. Ja er
mußte sich blicken, um durch die Thür des Gemachs einzugehen, und streckte
drinnen, wie er sich hart ans eine der Holzbänke niedersetzte, die mächtigen Füße
weit von sich, wie einer, der sich Herr im Hanse fühlt. Und dabei, ließ er
Margherita, welche mit der Suppenschüssel und den Löffeln nachgefolgt war,
nicht ans den Unger, achtsam, ja argwöhnisch, prüfte er ihr Gesicht wie das
Antlitz seines Sohnes. Mareantonio nahm nicht sobald die spähende Art seines
VnterS wahr, als er sich bezwang und aus seinen eignen Zügen alles ver¬
scheuchte, was an die erste Frühstunde und das Gespräch mit seinem Weibe
noch gemahlten konnte. Er tauschte selbst ein paar Scherzworte mit Margherita,
sodaß Marco endlich schweigend aß, ohne seine Schwiegertochter durch mi߬
trauische Blicke zu beunruhigen. Trotzdem wars, als ob die Glut des
Sommertags, die mit dem vollen Licht draußen bereits anhob, auch schon
wieder ins Gemach dringe. Die drei atmeten schwüle Luft, und Margherita
vermochte kaum den Bissen Brot, deu sie i» die Suppe getaucht, über ihre
Lippe» zu bringen. Sie legte den Hvrnlöffel zur Seite und rief scher¬
zend:

Wenn die Hitze so fortwährt, tuum ich strenge Fasten geloben. Seit drei
Tagen fühle ich nnr brennende» Durst und keinen Hunger.

Das ist deine alte Art! versetzte der greise Fischer, und seine Stimme
klang unfreundlich. Du hast eben niemals vergessen, daß du droben im Norden
daheim bist, >i»d hast unsre Sommersonne iurmer wie deinen Feind angesehen.
Schon als Kind, wie wir dich mir Strand fanden »ut retteten, schuf sie dir
schlimme Träume, und so ich Tonio vorhin recht verstanden habe, ists bis heilte
noch nicht besser, sondern schlimmer geworden.

Eine jähe Glut der Scham färbte Margheritas sonst bleiche Wangen,
Mareantou sah mit Teilnahme ans sein Weib und hob beschwichtigend die Hand:


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[0464] Die Lischeriil von Malamocco. sondern verriet sich auch ne ihrer Haltung und ihrem ganzen Wesen. Gleich¬ wohl unterschied sich Margherita jetzt in ihrem Thu» von keiner der Nach¬ barinnen. Marcantvns Netz war geflickt, die junge Frau ging ins .Haus, zündete auf dein schlichten Herd el» Feuer von lrvcknei» Seegras nud Hvlzspähne» an und bereitete im kleine» metallenen Kessel eine Morgensnppe, die eben bereit war, als ihr Mann lind ein älterer Fischer mit stattlichem grauen Vollbart sich der Hinte raschen Schrittes wieder näherten. Sie hörte mit scharfem Ohr, daß Tonio nicht allein kam, und ein flüchtiger Schatten von Unmut ging über ihr Gesicht. Doch trat sie unter die Thür, rief den Herankam inertem einen Gruß entgegen und beugte sich alsdann auf die Hand des Alten: Gott willkommen, Unter — wollt Ihr Eure Morgensuppe hier essen? Wenn es dir gefällt, Margherita, antwortete der Fischer unter seinen buschigen Brauen hervor, die großen schwarzen Augen fest anf das Weib seines Sohnes richtend. Der alte Marco hatte eine hohe knochige Gestalt und über¬ ragte selbst den kräftig schönen Sohn um mehr als Haupteslänge. Ja er mußte sich blicken, um durch die Thür des Gemachs einzugehen, und streckte drinnen, wie er sich hart ans eine der Holzbänke niedersetzte, die mächtigen Füße weit von sich, wie einer, der sich Herr im Hanse fühlt. Und dabei, ließ er Margherita, welche mit der Suppenschüssel und den Löffeln nachgefolgt war, nicht ans den Unger, achtsam, ja argwöhnisch, prüfte er ihr Gesicht wie das Antlitz seines Sohnes. Mareantonio nahm nicht sobald die spähende Art seines VnterS wahr, als er sich bezwang und aus seinen eignen Zügen alles ver¬ scheuchte, was an die erste Frühstunde und das Gespräch mit seinem Weibe noch gemahlten konnte. Er tauschte selbst ein paar Scherzworte mit Margherita, sodaß Marco endlich schweigend aß, ohne seine Schwiegertochter durch mi߬ trauische Blicke zu beunruhigen. Trotzdem wars, als ob die Glut des Sommertags, die mit dem vollen Licht draußen bereits anhob, auch schon wieder ins Gemach dringe. Die drei atmeten schwüle Luft, und Margherita vermochte kaum den Bissen Brot, deu sie i» die Suppe getaucht, über ihre Lippe» zu bringen. Sie legte den Hvrnlöffel zur Seite und rief scher¬ zend: Wenn die Hitze so fortwährt, tuum ich strenge Fasten geloben. Seit drei Tagen fühle ich nnr brennende» Durst und keinen Hunger. Das ist deine alte Art! versetzte der greise Fischer, und seine Stimme klang unfreundlich. Du hast eben niemals vergessen, daß du droben im Norden daheim bist, >i»d hast unsre Sommersonne iurmer wie deinen Feind angesehen. Schon als Kind, wie wir dich mir Strand fanden »ut retteten, schuf sie dir schlimme Träume, und so ich Tonio vorhin recht verstanden habe, ists bis heilte noch nicht besser, sondern schlimmer geworden. Eine jähe Glut der Scham färbte Margheritas sonst bleiche Wangen, Mareantou sah mit Teilnahme ans sein Weib und hob beschwichtigend die Hand:

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/464>, abgerufen am 28.09.2024.