Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Fischerin von Malmnocco.

Laßt es gut sein, Vater, ich ziirnte diese" Morgen vielleicht zu jäh. Der Alte
aber blieb ungerührt und fuhr, gegen den Sohn gewandt, spöttisch fort:

Sei kein Weiberknecht und hänge dein Ja und Nein nicht an Margheritas
Augen. Über den Bergen, hab ich mir sagen lassen, regnet es schneller und
öfter, als bei uns -- auch bei den deutschen Frauen! Wenn Margheritas
Thränen dir jedesmal deu Zorn schmelzen, kann sie leicht mit dir Hansen!

Vater Marco -- fiel die junge Frnn dem Alten in die Rede, und ans
ihren dunkelblauen Augen fielen in der That schwere Thränentropfen.

Bin ich dein Vater Marco, so ehre mich anch als Vater, rief der Fischer
dagegen. Der Mensch soll um seiner Seele Seligkeit Willen kein gutes Werk
bereuen -- über Freude ist mir noch wenig daraus erwachsen, daß ich dich von
dem Scheiternden Pilgerschiff in meine Hütte gerettet. Du bist unter uns groß
geworden und hast Tonlos Herz gewonnen -- aber dein Herz gehört uns nicht,
und wenn du fortfährst wie bis heut, wird dein Mann denken lernen wie ich,
nud dir werden die schweren Tage nicht ausbleiben. Dein Trübsinn ist Hoffart
und Trotz, das hab ich schon gewußt, als dn mit zwölf Jahren nnter meinen
Buben am Strand spieltest.

Hört auf, Vater, und scheltet mir Margherita nicht härter, als sie verdient,
sagte Mnrenntvniv, der die schmerzerfüllter Züge seines Weibes nicht mehr
erblicken mochte. Geh jetzt zu deiner Beichte, Margherita, und sorge, daß ich
eine Mahlzeit finde, wenn ich voll Venedig zurückkomme!

Margherita gehorchte der Aufforderung, nicht ohne zuvor die Suppen¬
schüssel abzutragen. Dann knüpfte sie die Riemen ihrer sandalenähulichen
Schuhe lind raffte ans einem hölzernen grellbunten Kasten deu schwarzen
Schleier für Haupt nud Nacken. Sie reichte Tvnio die Hand, küßte noch einmal
demütig die rauhe Rechte des alten Marco, die ihr halb widerwillig über¬
lassen wurde, warf noch einen bittenden Blick mich ihrem Gatten zurück und
schritt ans der Hütte hinaus den einsamen Weg, der nach Malamveeo auf der
Westseite der Jusel hinüberführte. Durch die offene Thür konnten Schwieger¬
vater und Gatte sie noch lange wahrnehmen, Mareantvu sah mit unverkenn¬
barem Wohlgefallen der leicht und anmutig hineilenden Gestalt nach, der
greise Fischer zog die Stirne in immer finstere Falten und brach unmittelbar
hinter Margherita drein in die strafenden Worte aus:

So ist alles gekommen, Tvnio, wie ich dir vorausgesagt. Die Fremde
bringt dir keinen Segen in dein Haus, und ihr kranker Sinn zehrt an deinem
fröhlichen Mut, mein Sohn. Sie hätte ins Kloster gehört lind nicht an deinen
5>'rd _____ du aber warst blind und taub und wirst zu spät sehen und hören!
Nicht einmal wahr ist sie gegen dich - dn weißt über sie nicht mehr, als sie
uns einst gesagt. Glaub' ein Dummer, daß ein zwölfjähriges Mädchen nicht
wüßte, wer die Ihren gewesen sind und wo sie daheim war!


Die Fischerin von Malmnocco.

Laßt es gut sein, Vater, ich ziirnte diese» Morgen vielleicht zu jäh. Der Alte
aber blieb ungerührt und fuhr, gegen den Sohn gewandt, spöttisch fort:

Sei kein Weiberknecht und hänge dein Ja und Nein nicht an Margheritas
Augen. Über den Bergen, hab ich mir sagen lassen, regnet es schneller und
öfter, als bei uns — auch bei den deutschen Frauen! Wenn Margheritas
Thränen dir jedesmal deu Zorn schmelzen, kann sie leicht mit dir Hansen!

Vater Marco — fiel die junge Frnn dem Alten in die Rede, und ans
ihren dunkelblauen Augen fielen in der That schwere Thränentropfen.

Bin ich dein Vater Marco, so ehre mich anch als Vater, rief der Fischer
dagegen. Der Mensch soll um seiner Seele Seligkeit Willen kein gutes Werk
bereuen — über Freude ist mir noch wenig daraus erwachsen, daß ich dich von
dem Scheiternden Pilgerschiff in meine Hütte gerettet. Du bist unter uns groß
geworden und hast Tonlos Herz gewonnen — aber dein Herz gehört uns nicht,
und wenn du fortfährst wie bis heut, wird dein Mann denken lernen wie ich,
nud dir werden die schweren Tage nicht ausbleiben. Dein Trübsinn ist Hoffart
und Trotz, das hab ich schon gewußt, als dn mit zwölf Jahren nnter meinen
Buben am Strand spieltest.

Hört auf, Vater, und scheltet mir Margherita nicht härter, als sie verdient,
sagte Mnrenntvniv, der die schmerzerfüllter Züge seines Weibes nicht mehr
erblicken mochte. Geh jetzt zu deiner Beichte, Margherita, und sorge, daß ich
eine Mahlzeit finde, wenn ich voll Venedig zurückkomme!

Margherita gehorchte der Aufforderung, nicht ohne zuvor die Suppen¬
schüssel abzutragen. Dann knüpfte sie die Riemen ihrer sandalenähulichen
Schuhe lind raffte ans einem hölzernen grellbunten Kasten deu schwarzen
Schleier für Haupt nud Nacken. Sie reichte Tvnio die Hand, küßte noch einmal
demütig die rauhe Rechte des alten Marco, die ihr halb widerwillig über¬
lassen wurde, warf noch einen bittenden Blick mich ihrem Gatten zurück und
schritt ans der Hütte hinaus den einsamen Weg, der nach Malamveeo auf der
Westseite der Jusel hinüberführte. Durch die offene Thür konnten Schwieger¬
vater und Gatte sie noch lange wahrnehmen, Mareantvu sah mit unverkenn¬
barem Wohlgefallen der leicht und anmutig hineilenden Gestalt nach, der
greise Fischer zog die Stirne in immer finstere Falten und brach unmittelbar
hinter Margherita drein in die strafenden Worte aus:

So ist alles gekommen, Tvnio, wie ich dir vorausgesagt. Die Fremde
bringt dir keinen Segen in dein Haus, und ihr kranker Sinn zehrt an deinem
fröhlichen Mut, mein Sohn. Sie hätte ins Kloster gehört lind nicht an deinen
5>'rd _____ du aber warst blind und taub und wirst zu spät sehen und hören!
Nicht einmal wahr ist sie gegen dich - dn weißt über sie nicht mehr, als sie
uns einst gesagt. Glaub' ein Dummer, daß ein zwölfjähriges Mädchen nicht
wüßte, wer die Ihren gewesen sind und wo sie daheim war!


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0465" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/194443"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Fischerin von Malmnocco.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1716" prev="#ID_1715"> Laßt es gut sein, Vater, ich ziirnte diese» Morgen vielleicht zu jäh. Der Alte<lb/>
aber blieb ungerührt und fuhr, gegen den Sohn gewandt, spöttisch fort:</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1717"> Sei kein Weiberknecht und hänge dein Ja und Nein nicht an Margheritas<lb/>
Augen. Über den Bergen, hab ich mir sagen lassen, regnet es schneller und<lb/>
öfter, als bei uns &#x2014; auch bei den deutschen Frauen! Wenn Margheritas<lb/>
Thränen dir jedesmal deu Zorn schmelzen, kann sie leicht mit dir Hansen!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1718"> Vater Marco &#x2014; fiel die junge Frnn dem Alten in die Rede, und ans<lb/>
ihren dunkelblauen Augen fielen in der That schwere Thränentropfen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1719"> Bin ich dein Vater Marco, so ehre mich anch als Vater, rief der Fischer<lb/>
dagegen. Der Mensch soll um seiner Seele Seligkeit Willen kein gutes Werk<lb/>
bereuen &#x2014; über Freude ist mir noch wenig daraus erwachsen, daß ich dich von<lb/>
dem Scheiternden Pilgerschiff in meine Hütte gerettet. Du bist unter uns groß<lb/>
geworden und hast Tonlos Herz gewonnen &#x2014; aber dein Herz gehört uns nicht,<lb/>
und wenn du fortfährst wie bis heut, wird dein Mann denken lernen wie ich,<lb/>
nud dir werden die schweren Tage nicht ausbleiben. Dein Trübsinn ist Hoffart<lb/>
und Trotz, das hab ich schon gewußt, als dn mit zwölf Jahren nnter meinen<lb/>
Buben am Strand spieltest.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1720"> Hört auf, Vater, und scheltet mir Margherita nicht härter, als sie verdient,<lb/>
sagte Mnrenntvniv, der die schmerzerfüllter Züge seines Weibes nicht mehr<lb/>
erblicken mochte. Geh jetzt zu deiner Beichte, Margherita, und sorge, daß ich<lb/>
eine Mahlzeit finde, wenn ich voll Venedig zurückkomme!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1721"> Margherita gehorchte der Aufforderung, nicht ohne zuvor die Suppen¬<lb/>
schüssel abzutragen. Dann knüpfte sie die Riemen ihrer sandalenähulichen<lb/>
Schuhe lind raffte ans einem hölzernen grellbunten Kasten deu schwarzen<lb/>
Schleier für Haupt nud Nacken. Sie reichte Tvnio die Hand, küßte noch einmal<lb/>
demütig die rauhe Rechte des alten Marco, die ihr halb widerwillig über¬<lb/>
lassen wurde, warf noch einen bittenden Blick mich ihrem Gatten zurück und<lb/>
schritt ans der Hütte hinaus den einsamen Weg, der nach Malamveeo auf der<lb/>
Westseite der Jusel hinüberführte. Durch die offene Thür konnten Schwieger¬<lb/>
vater und Gatte sie noch lange wahrnehmen, Mareantvu sah mit unverkenn¬<lb/>
barem Wohlgefallen der leicht und anmutig hineilenden Gestalt nach, der<lb/>
greise Fischer zog die Stirne in immer finstere Falten und brach unmittelbar<lb/>
hinter Margherita drein in die strafenden Worte aus:</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1722"> So ist alles gekommen, Tvnio, wie ich dir vorausgesagt. Die Fremde<lb/>
bringt dir keinen Segen in dein Haus, und ihr kranker Sinn zehrt an deinem<lb/>
fröhlichen Mut, mein Sohn. Sie hätte ins Kloster gehört lind nicht an deinen<lb/>
5&gt;'rd _____   du aber warst blind und taub und wirst zu spät sehen und hören!<lb/>
Nicht einmal wahr ist sie gegen dich - dn weißt über sie nicht mehr, als sie<lb/>
uns einst gesagt. Glaub' ein Dummer, daß ein zwölfjähriges Mädchen nicht<lb/>
wüßte, wer die Ihren gewesen sind und wo sie daheim war!</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0465] Die Fischerin von Malmnocco. Laßt es gut sein, Vater, ich ziirnte diese» Morgen vielleicht zu jäh. Der Alte aber blieb ungerührt und fuhr, gegen den Sohn gewandt, spöttisch fort: Sei kein Weiberknecht und hänge dein Ja und Nein nicht an Margheritas Augen. Über den Bergen, hab ich mir sagen lassen, regnet es schneller und öfter, als bei uns — auch bei den deutschen Frauen! Wenn Margheritas Thränen dir jedesmal deu Zorn schmelzen, kann sie leicht mit dir Hansen! Vater Marco — fiel die junge Frnn dem Alten in die Rede, und ans ihren dunkelblauen Augen fielen in der That schwere Thränentropfen. Bin ich dein Vater Marco, so ehre mich anch als Vater, rief der Fischer dagegen. Der Mensch soll um seiner Seele Seligkeit Willen kein gutes Werk bereuen — über Freude ist mir noch wenig daraus erwachsen, daß ich dich von dem Scheiternden Pilgerschiff in meine Hütte gerettet. Du bist unter uns groß geworden und hast Tonlos Herz gewonnen — aber dein Herz gehört uns nicht, und wenn du fortfährst wie bis heut, wird dein Mann denken lernen wie ich, nud dir werden die schweren Tage nicht ausbleiben. Dein Trübsinn ist Hoffart und Trotz, das hab ich schon gewußt, als dn mit zwölf Jahren nnter meinen Buben am Strand spieltest. Hört auf, Vater, und scheltet mir Margherita nicht härter, als sie verdient, sagte Mnrenntvniv, der die schmerzerfüllter Züge seines Weibes nicht mehr erblicken mochte. Geh jetzt zu deiner Beichte, Margherita, und sorge, daß ich eine Mahlzeit finde, wenn ich voll Venedig zurückkomme! Margherita gehorchte der Aufforderung, nicht ohne zuvor die Suppen¬ schüssel abzutragen. Dann knüpfte sie die Riemen ihrer sandalenähulichen Schuhe lind raffte ans einem hölzernen grellbunten Kasten deu schwarzen Schleier für Haupt nud Nacken. Sie reichte Tvnio die Hand, küßte noch einmal demütig die rauhe Rechte des alten Marco, die ihr halb widerwillig über¬ lassen wurde, warf noch einen bittenden Blick mich ihrem Gatten zurück und schritt ans der Hütte hinaus den einsamen Weg, der nach Malamveeo auf der Westseite der Jusel hinüberführte. Durch die offene Thür konnten Schwieger¬ vater und Gatte sie noch lange wahrnehmen, Mareantvu sah mit unverkenn¬ barem Wohlgefallen der leicht und anmutig hineilenden Gestalt nach, der greise Fischer zog die Stirne in immer finstere Falten und brach unmittelbar hinter Margherita drein in die strafenden Worte aus: So ist alles gekommen, Tvnio, wie ich dir vorausgesagt. Die Fremde bringt dir keinen Segen in dein Haus, und ihr kranker Sinn zehrt an deinem fröhlichen Mut, mein Sohn. Sie hätte ins Kloster gehört lind nicht an deinen 5>'rd _____ du aber warst blind und taub und wirst zu spät sehen und hören! Nicht einmal wahr ist sie gegen dich - dn weißt über sie nicht mehr, als sie uns einst gesagt. Glaub' ein Dummer, daß ein zwölfjähriges Mädchen nicht wüßte, wer die Ihren gewesen sind und wo sie daheim war!

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/465
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/465>, abgerufen am 28.09.2024.