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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Die Fischerin von Nalamocco.

wieder zu eng und unser Leben zu arm gewesen, und du hast dich dorthin
zurückgesehnt, von wo du das dn mitgebracht hast.

Und mit einer blitzschnellen Bewegung kehrte er sich wieder zu der Über-
raschten herum und deutete auf das goldne Krenz, das auf der Brust seines
jungen Weibes ruhte, und das sie jetzt erschrocken zwischen ihre Hände nahm.

Jedesmal wen" du dies Kreuz aus deinem Kasten hervornimmst und trägst,
wirst dn traurig und wendest dich von mir ub, Margherita! fuhr er mit merk¬
licher Bitterkeit fort. Das Kleinod bringt uns keinen Segen ins Haus, wir
hätten es längst in Venedig verkaufen sollen. Du bist meiner Armut und Schlicht¬
heit müde, bist eine andre als du scheinst, und wirst dich und mich unselig
machen, wenn du so fortfährst.

Das junge Weib bewegte sich während dieser Worte ihres Gatten kaum,
sie seufzte tief und sagte dann leise:

Sei mild, Toniv! sei nicht ungerecht! Dn weißt, das; ich dich von Herzen
liebe und nie ohne dich sein konnte. Aber du weißt ans unser"? Kindertagen,
daß zuweilen die bange Unrast mir wach wird und daß ich mich dann nach
der Ferne sehnen muß, aus der ich hierher gekommen bin, dein Weib zu werden.

Und was wolltest dn daheim? sagte er dagegen und ließ einen Blick an
der schlanken Gestalt Mnrgheritas hinabgleiten, die sich inzwischen vom Boden
erhoben hatte und vor ihm stand und sich mit der Hand ans den Bettrand
stützte. Die Deinen welche dich zur Kreuzfahrt mitgeführt, sind im Sturme,
dem wir dich entrissen, zu Gott abgerufen worden, deine Heimat ist hier und
nicht über den Bergen! ,

Margherita schwieg und senkte die blauen Augen, die jetzt feucht schim¬
merten zu Boden, sie kämpfte offenbar mit sich, ob sie Antonio antworten oder
seine zürnende Rede stillschweigend hinnehmen solle. Sie drängte Worte, die
ihr schon auf die Lippen traten, wieder zurück, und sah wieder in den lichter
werdenden Morgen hinaus. Der junge Fischer war jetzt rasch vom Lager auf¬
gesprungen und hatte sich ebenso rasch bekleidet. Kurz, aber nicht rauh hob er
wieder an:

Wir werden an unser Tagwerk denken müssen, Margherita! Du mußt das
Netz flicken, das draußen am Herde liegt, der Vater und Dvso und ich wollen
diesen Abend auf die Höhe von San Niccolo Tolentino fahren und hoffen auf
guten Fang. Willst du die Fische von gestern Abend zur Stadt bringen?

Ich wollte zum Pater Girolamo in Malamoeev -- ich war lange nicht
beichten! sagte Margherita leise und mit gesenkten Augen. Er wird mir viel¬
leicht das Rechte sagen, was ich thun und lassen muß, bis dahin zürne mir,
nicht, Tvnio, dn weißt nicht, wie mich der alte Traum bewegt und vom
Bett aufgescheucht hat.

Deine Träume sind mir selten hold, Margherita! rief der junge Fischer
ungestüm. Und sie kommen jetzt oft, immer häufiger, ganz anders als sonst!


Die Fischerin von Nalamocco.

wieder zu eng und unser Leben zu arm gewesen, und du hast dich dorthin
zurückgesehnt, von wo du das dn mitgebracht hast.

Und mit einer blitzschnellen Bewegung kehrte er sich wieder zu der Über-
raschten herum und deutete auf das goldne Krenz, das auf der Brust seines
jungen Weibes ruhte, und das sie jetzt erschrocken zwischen ihre Hände nahm.

Jedesmal wen» du dies Kreuz aus deinem Kasten hervornimmst und trägst,
wirst dn traurig und wendest dich von mir ub, Margherita! fuhr er mit merk¬
licher Bitterkeit fort. Das Kleinod bringt uns keinen Segen ins Haus, wir
hätten es längst in Venedig verkaufen sollen. Du bist meiner Armut und Schlicht¬
heit müde, bist eine andre als du scheinst, und wirst dich und mich unselig
machen, wenn du so fortfährst.

Das junge Weib bewegte sich während dieser Worte ihres Gatten kaum,
sie seufzte tief und sagte dann leise:

Sei mild, Toniv! sei nicht ungerecht! Dn weißt, das; ich dich von Herzen
liebe und nie ohne dich sein konnte. Aber du weißt ans unser«? Kindertagen,
daß zuweilen die bange Unrast mir wach wird und daß ich mich dann nach
der Ferne sehnen muß, aus der ich hierher gekommen bin, dein Weib zu werden.

Und was wolltest dn daheim? sagte er dagegen und ließ einen Blick an
der schlanken Gestalt Mnrgheritas hinabgleiten, die sich inzwischen vom Boden
erhoben hatte und vor ihm stand und sich mit der Hand ans den Bettrand
stützte. Die Deinen welche dich zur Kreuzfahrt mitgeführt, sind im Sturme,
dem wir dich entrissen, zu Gott abgerufen worden, deine Heimat ist hier und
nicht über den Bergen! ,

Margherita schwieg und senkte die blauen Augen, die jetzt feucht schim¬
merten zu Boden, sie kämpfte offenbar mit sich, ob sie Antonio antworten oder
seine zürnende Rede stillschweigend hinnehmen solle. Sie drängte Worte, die
ihr schon auf die Lippen traten, wieder zurück, und sah wieder in den lichter
werdenden Morgen hinaus. Der junge Fischer war jetzt rasch vom Lager auf¬
gesprungen und hatte sich ebenso rasch bekleidet. Kurz, aber nicht rauh hob er
wieder an:

Wir werden an unser Tagwerk denken müssen, Margherita! Du mußt das
Netz flicken, das draußen am Herde liegt, der Vater und Dvso und ich wollen
diesen Abend auf die Höhe von San Niccolo Tolentino fahren und hoffen auf
guten Fang. Willst du die Fische von gestern Abend zur Stadt bringen?

Ich wollte zum Pater Girolamo in Malamoeev — ich war lange nicht
beichten! sagte Margherita leise und mit gesenkten Augen. Er wird mir viel¬
leicht das Rechte sagen, was ich thun und lassen muß, bis dahin zürne mir,
nicht, Tvnio, dn weißt nicht, wie mich der alte Traum bewegt und vom
Bett aufgescheucht hat.

Deine Träume sind mir selten hold, Margherita! rief der junge Fischer
ungestüm. Und sie kommen jetzt oft, immer häufiger, ganz anders als sonst!


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[0462] Die Fischerin von Nalamocco. wieder zu eng und unser Leben zu arm gewesen, und du hast dich dorthin zurückgesehnt, von wo du das dn mitgebracht hast. Und mit einer blitzschnellen Bewegung kehrte er sich wieder zu der Über- raschten herum und deutete auf das goldne Krenz, das auf der Brust seines jungen Weibes ruhte, und das sie jetzt erschrocken zwischen ihre Hände nahm. Jedesmal wen» du dies Kreuz aus deinem Kasten hervornimmst und trägst, wirst dn traurig und wendest dich von mir ub, Margherita! fuhr er mit merk¬ licher Bitterkeit fort. Das Kleinod bringt uns keinen Segen ins Haus, wir hätten es längst in Venedig verkaufen sollen. Du bist meiner Armut und Schlicht¬ heit müde, bist eine andre als du scheinst, und wirst dich und mich unselig machen, wenn du so fortfährst. Das junge Weib bewegte sich während dieser Worte ihres Gatten kaum, sie seufzte tief und sagte dann leise: Sei mild, Toniv! sei nicht ungerecht! Dn weißt, das; ich dich von Herzen liebe und nie ohne dich sein konnte. Aber du weißt ans unser«? Kindertagen, daß zuweilen die bange Unrast mir wach wird und daß ich mich dann nach der Ferne sehnen muß, aus der ich hierher gekommen bin, dein Weib zu werden. Und was wolltest dn daheim? sagte er dagegen und ließ einen Blick an der schlanken Gestalt Mnrgheritas hinabgleiten, die sich inzwischen vom Boden erhoben hatte und vor ihm stand und sich mit der Hand ans den Bettrand stützte. Die Deinen welche dich zur Kreuzfahrt mitgeführt, sind im Sturme, dem wir dich entrissen, zu Gott abgerufen worden, deine Heimat ist hier und nicht über den Bergen! , Margherita schwieg und senkte die blauen Augen, die jetzt feucht schim¬ merten zu Boden, sie kämpfte offenbar mit sich, ob sie Antonio antworten oder seine zürnende Rede stillschweigend hinnehmen solle. Sie drängte Worte, die ihr schon auf die Lippen traten, wieder zurück, und sah wieder in den lichter werdenden Morgen hinaus. Der junge Fischer war jetzt rasch vom Lager auf¬ gesprungen und hatte sich ebenso rasch bekleidet. Kurz, aber nicht rauh hob er wieder an: Wir werden an unser Tagwerk denken müssen, Margherita! Du mußt das Netz flicken, das draußen am Herde liegt, der Vater und Dvso und ich wollen diesen Abend auf die Höhe von San Niccolo Tolentino fahren und hoffen auf guten Fang. Willst du die Fische von gestern Abend zur Stadt bringen? Ich wollte zum Pater Girolamo in Malamoeev — ich war lange nicht beichten! sagte Margherita leise und mit gesenkten Augen. Er wird mir viel¬ leicht das Rechte sagen, was ich thun und lassen muß, bis dahin zürne mir, nicht, Tvnio, dn weißt nicht, wie mich der alte Traum bewegt und vom Bett aufgescheucht hat. Deine Träume sind mir selten hold, Margherita! rief der junge Fischer ungestüm. Und sie kommen jetzt oft, immer häufiger, ganz anders als sonst!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/462>, abgerufen am 29.06.2024.